Thomas Hanke Toulouse
D
ieser Besuch ist ein po-
litisches Statement:
Am Freitag sollen ame-
rikanische Strafzölle
auf Flugzeuge von Air-
bus und eine Vielzahl weiterer euro-
päischer Produkte in Kraft treten. 7,
Milliarden Dollar (6,8 Milliarden
Euro) ist das Volumen. Zwei Tage
vorher trafen sich Bundeskanzlerin
Angela Merkel und Frankreichs
Staatspräsident Emmanuel Macron
im Airbus-Werk in Toulouse, zum
Auftakt des deutsch-französischen
Ministerrats am Mittwoch.
„Wir wollen Airbus zur Seite ste-
hen, um unser Vertrauen in das Un-
ternehmen auszudrücken angesichts
all dessen, was auf es zukommt“,
sagt Macron bei einem Treffen mit
jungen Auszubildenden des Flug-
zeugbauers. Merkel pflichtet ihm bei:
„Wir sind beide stolz auf dieses Un-
ternehmen von Weltrang und wollen
alles dafür tun, damit es in den kom-
menden Jahren Erfolg hat.“ 50 Jahre
besteht Airbus jetzt, „in dieser Zeit ist
eine enge Zusammenarbeit zwischen
unseren beiden Ländern entstan-
den“, erläutert die Kanzlerin.
Was Macron und Merkel formulie-
ren, kann man als Beistandspakt ver-
stehen: Wer Airbus angreift, wendet
sich gegen Frankreich und Deutsch-
land. Auch wenn die Welthandelsor-
ganisation WTO die USA ermächtigt
hat, Strafzölle wegen vergangener
Airbus-Subventionen zu verhängen:
Die Europäer verstehen das als eine
unnötige Verschärfung der transat-
lantischen Handelsspannungen und
warnen die Amerikaner davor, nicht
über die Stränge zu schlagen.
Merkel und Macron beginnen ihren
Besuch in der riesigen Halle, in der
die Endmontage der A 350 stattfindet.
Seit der Entscheidung, die A 380 ein-
zustellen, ist das der größte Airbus.
300 Stück sind schon ausgeliefert wor-
den. „Wie teuer ist so ein Flugzeug
denn?“, will Merkel von Christian
Scherer wissen, Chefverkäufer des Un-
ternehmens. „Das sollten wir privat
besprechen“, scherzt der Deutsche.
„Aber ich kann Ihnen versichern, dass
die Bundesregierung einen ausge-
zeichneten Preis bekommen hat.“
Beim Besuch ist der gesamte Air-
bus-Vorstand angetreten und wird von
CEO Guillaume Faury vorgestellt. Mit
dabei ist René Obermann, Mitglied
des Verwaltungsrats, der „planmäßig
nach der nächsten Hauptversamm-
lung 2020 den Vorsitz des Verwal-
tungsrats übernehmen“ wird, wie er
dem Handelsblatt bestätigt. Die Bun-
desminister Olaf Scholz und Peter Alt-
maier, Merkels Wirtschaftsberater
Lars-Hendrik Röller und ihre französi-
schen Kollegen Bruno Le Maire und
Clément Beaune, Macrons Monsieur
Europe, besprechen im Hintergrund
die gemeinsame Agenda. Ganz oben
steht die Reaktion auf die bevorste-
henden US-Sanktionen. „Es geht ja
nicht allein um die Strafzölle“, richtet
sich Scholz an Le Maire und Ober-
mann, es gehe auch um den transat-
lantischen Handel insgesamt.
Beide Regierungen sind sich einig:
Wenn die Amerikaner die handelspo-
litischen Feindseligkeiten eröffnen,
wird Europa antworten. Aber nicht
sofort, sondern erst dann, wenn die
Welthandelsorganisation Anfang
kommenden Jahres den Europäern
das Recht gibt, selbst Strafzölle auf
US-Waren zu verhängen wegen der il-
legalen Subventionen für Boeing.
„Wir sind für die WTO, deshalb ak-
zeptieren wir auch, dass sie die USA
jetzt zu diesen Zusatzzöllen ermäch-
tigt hat“, wendet sich Scholz an Le
Maire. Man solle nicht zu emotional
reagieren. „Die Strafzölle sind aber
wirtschaftlich und politisch völlig un-
sinnig und höchst schädlich“, ant-
wortet der französische Minister.
„Ich habe in den nächsten Tagen ein
Treffen mit (dem US-Handelsbeauf-
tragten) Robert Lighthizer“, infor-
miert Le Maire seinen Kollegen
Scholz. Da wolle er noch mal versu-
chen, die Amerikaner für eine einver-
nehmliche Lösung zu gewinnen.
Europa will abwarten
Eine Nuance wird beim Gespräch mit
französischen Regierungskreisen
deutlich. Paris erwartet, dass Wa-
shington am Freitag nicht gleich den
vollen Rahmen von 7,5 Milliarden
Dollar ausschöpfen wird, sondern
nur einen Teil. „Das beinhaltet eine
doppelte Botschaft: ‚Wir wollen euch
nicht zu hart treffen und wollen re-
den‘ ist die eine, die andere aber ist:
‚Wenn ihr nicht spurt, kommt es
noch härter‘“, sagen die Kreise.
Europa werde zunächst abwarten
bis die nächste WTO-Entscheidung
erfolgt, heißt es in der Umgebung
von Macron. Sollten die USA aber
sehr aggressiv werden, dann könne
man bereits vorher reagieren. Die
WTO hat die EU bereits vor Jahren er-
mächtigt, Strafzölle in Höhe von vier
Milliarden Dollar (3,6 Milliarden
Euro) wegen illegaler US-Steuersub-
ventionen anzuwenden. Die EU hat
darauf verzichtet. „Sie könnte diese
ältere Entscheidung aber unmittelbar
in Kraft setzen, die Option liegt auf
dem Tisch“, sagen Macrons Leute.
Handlungsfähig will sich das
deutsch-französische Paar nicht nur
in Sachen Airbus zeigen, sondern
auch bei der Verteidigungspolitik.
Am Nachmittag wurde bekanntgege-
ben, dass sich Paris und Berlin nach
langen Verhandlungen auf gemeinsa-
me Richtlinien für den Export ver-
ständigt haben. Die müssen nun al-
lerdings noch ausformuliert werden.
Grob gesagt sollen in der Vereinba-
rung drei Fälle unterschieden wer-
den: rein staatliche Programme wie
der Eurofighter, bei denen die
Grundregel gelten soll, dass sie ex-
portiert werden können. Sollte ein
Teilnehmer Bedenken geltend ma-
chen, müsste er nachweisen, dass
tatsächlich seine elementaren Sicher-
heitsinteressen berührt sind.
Getrennt davon behandelt werden
rein private Rüstungsvorhaben und
schließlich der dritte Fall von Zuliefe-
rungen. Dafür wird eine Mindest-
schwelle von voraussichtlich 20 Pro-
zent verabredet. Liegt der nationale
Anteil der Zulieferung darunter, kön-
nen Exporte des fertigen Produkts
nicht behindert werden.
Gastkommentar Seite 48
Deutsch-französischer Ministerrat
Merkel und Macron
demonstrieren Einigkeit
Vor Inkrafttreten der Strafzölle gegen Airbus besuchen die Regierungschefs
gemeinsam den Flugzeugbauer und einigen sich auf Rüstungsexport-Regeln.
Regierungschefs Merkel und
Macron (Zweiter von links):
Besuch bei Airbus im
französischen Werk in Toulouse.
Frederic Scheiber/REUTERS
Militärprojekt:
Frankreich und
Deutschland wollen
ein europäisches
System von Kampf-
flugzeugen der
Zukunft aufbauen.
Benoit Tessier/AFP/Getty Images
Europa
DONNERSTAG, 17. OKTOBER 2019, NR. 200
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