Handelsblatt - 17.10.2019

(Ron) #1

ternehmen zwischen Mitte 2018 und 2019 neu be-


riefen, haben 16 einen deutschen und 14 einen aus-


ländischen Pass.


Mit der US-Amerikanerin Jennifer Morgan wird


erstmals eine Frau Co-Chefin eines Dax-Konzerns:


Die 48-jährige Cloud- und Vertriebsspezialistin hat


beim Softwarehersteller SAP in der vergangenen


Woche zusammen mit dem 39-jährigen Deutschen


Christian Klein den US-Amerikaner Bill McDermott


abgelöst und ist damit an die Spitze des wertvolls-


ten deutschen Unternehmens gerückt.


Binnen eines Jahres stieg nach Berechnungen


der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY die Zahl


der Dax-Vorstandsmitglieder, die einen ausländi-


schen Pass haben, von 72 auf 76 – der Anteil auslän-


discher Vorstände wuchs damit von 37,5 auf 38,


Prozent – das ist so viel wie noch nie. Insgesamt


gibt es 23 Nationalitäten in den Vorständen. Die


mit Abstand meisten ausländischen Topmanager


stammen aus den USA: 16 Vorstände haben einen


US-Pass. Dahinter folgt Großbritannien mit zwölf


Vorstandsposten vor Österreich mit acht.


Auch in die Kontrollgremien wurden mehr Aus-


länder berufen. Der Anteil der Aufsichtsratsmitglie-


der auf der Kapitalseite mit ausländischem Pass


stieg binnen eines Jahres von 29 auf 32 Prozent.


Aufgrund der deutschen Mitbestimmungsgesetzge-


bung sind nur im Inland Beschäftigte in den Auf-


sichtsrat wählbar, so dass der Ausländeranteil bei


den Arbeitnehmervertretern deshalb gering bleibt.


Umfeld wird schwieriger


Dieser Globalisierungstrend im Topmanagement


ist längst überfällig. Mit der wachsenden Bedeu-


tung ausländischer Märkte steigen auch die Risiken


und zugleich die Pflicht, sich mit den nationalen


Gegebenheiten auszukennen. „Wenn es um Akqui-


sitionen im Ausland, Standortverlagerungen oder


größere Neuinvestitionen geht, kann es sehr hilf-


reich sein, wenn auch die Sicht ausländischer Ma-


nager in die Entscheidung einfließt“, empfiehlt Ma-


thieu Meyer von der EY-Geschäftsführung.


Angesichts des steigenden Nationalismus und


Protektionismus in den USA und weiten Teilen


Europas ist das weltweite wirtschaftliche und poli-


tische Umfeld schwieriger geworden. „Damit steigt


gerade für die stark internationalisierten deutschen


Konzerne die Notwendigkeit, sich sehr gut auf wich-


tigen ausländischen Märkten auszukennen“, findet


Meyer. Auch sei es wichtig, im Umgang mit lokalen


Stakeholdern immer den richtigen Ton zu treffen.


Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunder-


lich, dass sich die Unternehmen beim Spitzenper-


sonal internationalisieren. Neun der 30 Dax-Kon-


zerne haben einen Vorstandsvorsitzenden mit aus-


ländischem Pass. Im vergangenen Geschäftsjahr


waren es noch sieben. Adidas, Beiersdorf, Daimler,


Fresenius Medical Care, Henkel, Linde, SAP, Volks-


wagen und Wirecard werden von ausländischen


CEOs geführt.


Dabei ist bemerkenswert, dass bei den vier neu-


en weiblichen Vorstandsmitgliedern alle Auslände-


rinnen sind: Beim Spezialchemiekonzern Covestro


hat die gebürtige Inderin Sucheta Govil als Chief


Commercial Officer die Verantwortung über das


laufende Geschäft aller drei großen Unternehmens-


bereiche übernommen und kümmert sich um die


Produktvermarktung, das Innovationsmanagement


und reibungslose Lieferketten.


FMC hat die in Danzig promovierte Ärztin Ka-


tarzyna Mazur-Hofsäß als Verantwortliche für


Europa, den Nahen Osten und Afrika in den Vor-


stand bestellt. Die Französin Sylvie Nicol verant-


wortet bei Henkel die Ressorts Personal und In-


frastruktur Services. Bei Linde zog nach der


deutsch-amerikanischen Fusion Anne Roby von


Praxair als Executive Vice President in den neu


formierten Vorstand ein, wo die US-Amerikanerin


„globale Funktionen“ leitet.


Weder die Fusion mit dem US-Wettbewerber


noch der globalisierte Vorstand haben Linde und


seinen Eigentümern geschadet. Im Gegenteil: Die


Aktie erklimmt ein Rekordhoch nach dem nächs-


ten und verteuerte sich allein in diesem Jahr um


weitere 30 Prozent.



Kommentar Seite 22



Erfolgreiche Anlagen


Ausländer lieben


Dax-Konzerne


D


eutsche Unternehmen haben zwar zwi-
schen Hamburg (Beiersdorf ) und Mün-
chen (Siemens) ihre Zentralen, doch das
hindert ausländische Anleger nicht daran, sie
aufzukaufen. Ausländische Investoren erhöhen
ihr Engagement bei den 30 Dax-Konzernen im-
mer weiter – und das unabhängig aller Kurstur-
bulenzen. 54 Prozent der Anteilsscheine lassen
sich nach Handelsblatt-Berechnungen eindeutig
ausländischen Investoren zuordnen – vor 20 Jah-
ren lag der Anteil bei einem Drittel. Seitdem ha-
ben sich die Verhältnisse umgekehrt: Deutsche
Anleger halten knapp 30 Prozent an Deutsch-
lands 30 größten börsennotierten Unternehmen.
Bei gut 16 Prozent aller Aktien lassen sich die Ei-
gentümer geografisch nicht zuordnen. Bei den 20
Unternehmen, von denen vergleichbare Angaben
für das Jahr 2005 vorliegen, stieg der Anteil auslän-
discher Anteilseigner, und zwar von durchschnitt-
lich 48 Prozent im Jahr 2005 auf zuletzt 58 Prozent.
Nur noch wenige Unternehmen haben mehr-
heitlich deutsche Aktionäre. Dabei handelt es
sich meist um Firmen mit starken Ankeraktionä-
ren wie die Familie Henkel beim gleichnamigen
Düsseldorfer Waschmittelhersteller, Familie
Merck beim gleichnamigen Darmstädter Chemie-
und Pharmakonzern und Familie Herz beim
Hamburger Markenriesen Beiersdorf.
Die immer größere Internationalisierung bleibt
nicht ohne Folgen, denn der typische deutsche
Anleger ist, oder besser war, der Kleinaktionär.
Der typische ausländische Anleger aber ist eine
milliardenschwere Fondsgesellschaft, die Aktien
im Namen vieler Tausend Anleger hält.

Börsengewinner im Fokus


Nach einer Studie des Deutschen-Investor-Relati-
ons-Verbands und des Marktforschers IHS Markit
sind nordamerikanische institutionelle Anleger
die größten Investoren im Dax. Das sind milliar-
denschwere Pensionskassen und Vermögensver-
walter. Diese tendieren immer stärker dazu, vor
Abstimmungen auf Hauptversammlungen eigene
Richtlinien zu entwickeln und Beschlussvorlagen
der Konzernführung kritisch zu prüfen und nicht
einfach abzunicken. „Dies birgt Risiken, aller-
dings auch Potenzial bei der Ansprache der In-
vestorenbasis“, urteilt Frederik Frank, Vizedirek-
tor bei IHS Markit. Die Folgen solch veränderter
Mehrheitsverhältnisse waren in diesem Jahr
spektakuläre Abstimmungsergebnisse samt Re-
putationsverlust des Vorstands auf den Hauptver-
sammlungen – wie bei Bayer nach der umstritte-
nen Übernahme des Saatgutherstellers Monsanto
und der Deutschen Bank, wo es dem Manage-
ment auch nach zehn Jahren nicht gelingt, die Fi-
nanzkrise hinter sich zu lassen.
Auffällig ist, dass es ausländischen Investoren
erstaunlich gut gelingt, sich bei Börsengewinnern
einzukaufen. Umgekehrt verbleiben viele Verlie-
reraktien bei deutschen Anlegern. Mit 87 Prozent
sind Ausländer beim Dax-Neuling MTU so stark
engagiert wie bei keinem anderen Dax-Konzern.
Mit 270 Prozent Kursgewinn ist MTU die drittbes-
te Aktie im Dax aus Sicht der vergangenen fünf
Jahre. Noch besser entwickelten sich nur Adidas
und Wirecard, wo ebenfalls ausländische Anleger
deutlich die Mehrheit halten. Auch die Deutsche
Börse, Infineon, Linde und Allianz haben sich
überdurchschnittlich gut entwickelt. An allen Un-
ternehmen halten Ausländer die Mehrheit.
Heimische Anleger hingegen dominieren bei
Unternehmen wie BMW, Continental und Volks-
wagen – also Aktien, die an Wert verloren haben.
Eher wenig Interesse haben Ausländer mit einem
Anteilsbesitz von 50 Prozent auch an der Deut-
schen Bank, der mit Abstand schlechtesten Aktie
im Dax. „Dumb german money“ bezieht sich also
nicht nur auf schlechte Anlagen im Ausland, son-
dern auch in der Heimat. Ulf Sommer

Wem gehört der Dax?
Anteil ausländischer Inves-
toren am Aktienbestand
der Dax-Unternehmen

Anteil ausländischer
Vorstände

Kursver-
änderung
5 Jahre

HANDELSBLATT • 1) Jeweils ein Vorstand mit zugleich deutscher und ausländischer
Nationalität. In der Darstellung ist die ausländische Nationalität berücksichtigt.; 2) Auf
Basis der US-Notierung.; 3) Seit Börengang am 6.10.2015.
Quellen: Unternehmen, EY, Handelsblatt Research Institute, Bloomberg

MTU


Adidas


Deutsche Börse


Linde


Infineon


Bayer


Eon


Allianz


Daimler


Siemens


Wirecard


RWE


Munich Re


Deutsche Post


SAP


FMC


Vonovia


BASF


Deutsche Bank


Fresenius


Heidelberg Cement


Deutsche Telekom


Covestro


Volkswagen


Continental


BMW


Beiersdorf


Lufthansa


Henkel


Merck


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Erfolgsfaktor Diversity


DONNERSTAG, 17. OKTOBER 2019, NR. 200


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