Handelsblatt - 17.10.2019

(Ron) #1
Moritz Koch, Annett Meiritz, Stephan Scheu-
cher, Torsten Riecke Berlin, Washington

L


ange wurde in der Bundesregierung ge-
rungen. Am Ende setzte sich Bundes-
kanzlerin Angela Merkel mit ihrer Hal-
tung durch, dem chinesischen Netz-
werkausrüster Huawei die Möglichkeit
einzuräumen, sich am Aufbau des 5G-Netzes in
Deutschland zu beteiligen. Am Dienstag veröffent-
lichte die Bundesnetzagentur den entsprechenden
Entwurf der Sicherheitsanforderungen für Netze.
Ein pauschales Verbot von Huawei, wie es die USA
gefordert hatten, ist darin nicht enthalten.
Die Amerikaner sind entsetzt. „Wir halten die
Entscheidung, Huawei die Tür offen zu halten, für
unverantwortlich“, sagte ein hochrangiger Vertre-
ter der US-Regierung dem Handelsblatt. Damit
würden moderne Gesellschaften einem hohen Ri-
siko ausgesetzt. Er hoffe, dass die Debatte in
Deutschland noch nicht abgeschlossen sei.
„Deutschland ist einer unserer engsten Verbünde-
ten, und wir hoffen, dass wir unsere Beziehungen
fortsetzen und ausbauen können“, sagte der Regie-
rungsvertreter weiter.
Die US-Regierung hatte die Bundesregierung in
den vergangenen Monaten gedrängt, Huawei nicht
am Aufbau des neuen Netzes, das auch für Anwen-
dungen in der Industrie und in sicherheitsrelevan-
ten Bereichen große Bedeutung hat, zu beteiligen.
Dem Entwurf der Bundesnetzagentur zufolge sol-
len Komponenten für kritische Infrastruktur zwar
geprüft und zertifiziert werden müssen, einzelne
Anbieter werden aber nicht ausgeschlossen.
Der chinesische Netzausrüster begrüßte die Ent-
scheidung der Bundesregierung. Huawei ging so-
gar so weit, Deutschland zum Vorbild für andere
Länder zu erheben. „Dieser fakten- und standard-
basierte Ansatz ist von exemplarischer Bedeutung
für die Bewältigung globaler Herausforderungen
der Cybersicherheit“, sagte ein Firmensprecher
dem Handelsblatt. Es sei richtig, dass Deutschland
nicht einen Anbieter aussperren, sondern höhere
Anforderungen an alle Hersteller ansetzen würde.
Gleichzeitig kritisierte der Sprecher: „Die Politisie-
rung von Cybersicherheit hingegen wird die tech-
nologische Entwicklung und den sozialen Fort-
schritt nur behindern.“
Die USA drohen mit massiven Konsequenzen für
den Fall, dass Huawei beim Aufbau des 5G-Netzes
zum Zuge kommt. „Um den Austausch von Ge-
heimdienstinformationen mit Regierungen wie in
Deutschland fortzusetzen, müssen wir sicherstel-
len, dass es nur vertrauenswürdige Anbieter in un-
serem 5G-Netz gibt“, sagte Robert Strayer, Deputy
Assistant Secretary für Cyber and International
Communications im US-Außenministerium. Sollte
das nicht der Fall sein, müssten die USA ihren In-
formationsaustausch überdenken. „Vertrauenswür-
dig können Anbieter nur dann sein, wenn sie ihren
Hauptsitz in einem Land haben, das über einen
Rechtsstaat und eine unabhängige Justiz verfügt“,
so der Amerikaner weiter.
Auch käme es darauf an, ob der Anbieter über
eine transparente Eigentümerstruktur verfüge und
ob er sich im Geschäftsleben ethisch korrekt ver-
halten habe. „Huawei ist in den USA angeklagt,
geistiges Eigentum auch von T-Mobile, einer Toch-
ter der Deutschen Telekom, gestohlen zu haben“,
sagte Strayer. Es müsse sichergestellt sein, dass ein
Unternehmen nicht von seiner Regierung zu Ge-
heimdiensttätigkeiten gezwungen werde, um etwa
die kritische Infrastruktur in einem EU-Land lahm-
zulegen. „Es geht nicht nur um einen Sicherheits-
test“, betonte Strayer. Ein Test könne niemals alle
potenziellen Risiken in der Soft- und Firmware er-
kennen. Entscheidend sei, dass es zwischen dem
Anbieter der 5G-Technologie und der nationalen
Telekomgesellschaft ein „Vertrauensverhältnis“ ge-
be. Zwar betonte Strayer, die USA wollten kein Un-
ternehmen oder Land per se von dem westlichen
5G-Netzwerk ausschließen. Die von dem Regie-
rungsbeamten genannten Kriterien lesen sich je-
doch wie eine „Lex Huawei“, erfüllen doch weder
China noch Huawei die von Strayer genannten Kri-
terien für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Der Streit über die Rolle von Huawei verlängert

Causa Huawei:

Die Entfremdung

geht weiter

Aus Sicht der US-Regierung ist die Entscheidung Deutschlands,


Huawei nicht vom Aufbau des 5G-Netzes auszuschließen,


„unverantwortlich“. Mit dem Streit über das chinesische Unternehmen


setzt sich die Reihe der deutsch-amerikanischen Zwistigkeiten fort.


5G-Netzausbau:
Manche Länder
verbannen Netz -
ausrüster Huawei,
andere lehnen
ein pauschales
Verbot ab.

Boris Roessler/dpa

Wirtschaft

& Politik

DONNERSTAG, 17. OKTOBER 2019, NR. 200


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