München–Mit einer Protestaktion an der
CSU-Parteizentrale haben Umweltschüt-
zer von Greenpeace die Klimapolitik der
Union angeprangert. Aktivisten fuhren am
frühen Mittwochmorgen mit einem Hub-
wagen vor das Gebäude in München und
änderten das Parteilogo an der Glasfassa-
de: Aus „CSU“ wurde „SUV“. Das „C“ stri-
chen die Aktivisten bei der Aktion im Mor-
gengrauen durch; stattdessen ergänzten
sie ein „V“ am Ende der Abkürzung. Auf ei-
nem Transparent stand: „Schöpfung be-
wahren, Klimaschutz jetzt!“ CSU steht für
Christlich-Soziale Union, als SUV (Sport
Utility Vehicle) werden „Stadtgeländewa-
gen“ bezeichnet, die wegen ihres hohen
Spritverbrauchs als klimaschädlich kriti-
siert werden. Die Polizei rückte mit Dutzen-
den Einsatzkräften aus. „Die CSU verrät ih-
re Werte und hat ihr C nicht mehr ver-
dient“, sagte Marion Tiemann, Verkehrsex-
pertin von Greenpeace. „Sie verkommt zu
einer SUV-Partei, die statt unserer Lebens-
grundlagen einseitig die Interessen der Au-
toindustrie schützt.“ CSU-Generalsekretär
Markus Blume warf Greenpeace „die übli-
che Masche“ von „Provokation statt Dis-
kussion“ vor: „Buchstaben mit einem Die-
selaggregat hoch manövrieren, bringt den
Klimaschutz nicht weiter.“ Die CSU erstat-
tete Strafanzeige wegen Sachbeschädi-
gung und Hausfriedensbruchs. dpa, wiw
Aus CSU
wird SUV
Regensburg– Der neuerliche Korruptions-
prozess gegen Regensburgs suspendierten
Oberbürgermeister Joachim Wolbergs
bleibt festgefahren. Zwar lehnte das Land-
gericht am Mittwoch den Antrag des Wol-
bergs-Verteidigers Peter Witting ab, das
Verfahren einzustellen. Danach jedoch be-
antragte Witting, die drei Berufsrichter
der fünften Strafkammer wegen Befangen-
heit abzusetzen. Nun muss eine andere
Kammer entscheiden, ob der Prozess plan-
mäßig weitergeht oder die Richter den Fall
an eine andere Kammer abgeben müssen.
Beide Anträge haben den Hintergrund,
dass die fünfte Kammer des Landgerichts
die Vorwürfe gegen Wolbergs zunächst gar
nicht verhandeln wollte. Die Kammer war
der Meinung, dass sämtliche Anschuldi-
gungen im ersten Prozess abgeurteilt wur-
den. Denn auch im zweiten Verfahren geht
es um Parteispenden aus der Bauindustrie
und mögliche Gegenleistungen. Mit dem
Unterschied, dass nun andere Bauunter-
nehmer mit auf der Anklagebank sitzen.
Der erste Prozess war im Juli zu Ende ge-
gangen – ohne Strafe, aber mit Schuld-
spruch gegen OB Wolbergs wegen zwei Fäl-
len der Vorteilsannahme in einer Gesamt-
höhe von 150 000 Euro. Der zweite Prozess
kam nur deshalb zustande, weil das Ober-
landesgericht Nürnberg (OLG) die Ent-
scheidung des Regensburger Landge-
richts, die Anklage abzulehnen, wieder auf-
hob. Mit der Begründung, dass die unter-
schiedlichen Anklagen auch unterschiedli-
che Vorwürfe enthalten. Dass das Landge-
richt der OLG-Entscheidung folgte, hat
Wolbergs und seinen Anwalt nun dazu be-
wogen, den Befangenheitsantrag zu stel-
len. Die Kammer habe „ihre eigene Mei-
nung an der Garderobe abgegeben“ und fol-
ge dem OLG gegen die eigene Überzeu-
gung, sagte Peter Witting. Eine unabhängi-
ge Entscheidung der Richter hält er nun-
mehr für unmöglich.
Derweil will die Staatsanwaltschaft
beim Bundesgerichtshof (BGH) beantra-
gen, das Urteil im ersten Korruptionspro-
zess gegen Bauunternehmer Volker Tret-
zel und einen Ex-Geschäftsführer der Fir-
ma zu prüfen. Demnach könnte der Schuld-
spruch wegen Verstößen gegen das Partei-
engesetz in einem von fünf Fällen unbe-
gründet gewesen sein. andreas glas
München–Es war einer jener seltenen ehr-
lichen Momente in der Politik, in dem der
Redner auf jede Form von Etikette pfeift.
Die bayerischen Grünen feierten ihren
- Geburtstag, da rief Eike Hallitzky mit-
ten in die Jubelstimmung: „Ich finde es äu-
ßerst schlecht, dass die Sigi den Landesvor-
sitz aufgibt.“ Sechs Jahre führte Sigi Hagl
Bayerns Grüne an, fünf mit ihrem Co-Chef
Hallitzky. Er wird am Wochenende in Lind-
au eine neue Partnerin bekommen. Die
Wahl entscheidet sich zwischen der schwä-
bischen Landtagsabgeordneten Eva Let-
tenbauer und der Oberbayerin Judith Bog-
ner. Sicher ist nur, dass das niederbayeri-
sche Duo Hagl/Hallitzky getrennt wird.
Ihre Amtszeit wird als bislang erfolg-
reichste in die Geschichte des grünen Lan-
desverbands eingehen. Allein seit Oktober
2018 gründeten sich 90 Ortsverbände, die
Zahl der Mitglieder stieg um 4000 auf fast
15 000. Es ist die Fortsetzung des Höhen-
flugs der Landtagswahl, als die Grünen ih-
re Mandate mehr als verdoppelt hatten –
und der sie auch bei den Kommunalwah-
len am 15. März in neue Sphären führen
soll. So richteten Hagl und Hallitzky ihren
Blick am Mittwoch nicht nur zufrieden zu-
rück, sondern voller Ehrgeiz nach vorne.
Auf dem Landesparteitag in Lindau wer-
den sie 347 Delegierte auf den Kommunal-
wahlkampf einschwören. Neben der Wahl
einer Landeschefin stehen 32 Anträge auf
der Tagesordnung. Die Erwartungen sind
groß. Bayerns Grüne wollen die Stimmung
in der klimabewegten Bevölkerung nut-
zen, die sie zur zweitstärksten Kraft im
Landtag machte. 2500 Mandate wollen die
Grünen erreichen, 700 mehr als jetzt. Ih-
ren Anteil bei Landräten (derzeit zwei) und
Bürgermeistern (17) wollen sie verdoppeln.
Und man wolle endlich einen Oberbürger-
meister oder eine Oberbürgermeisterin
stellen, sagt Hagl nicht ganz uneigennüt-
zig. Sie zählt selbst zu den aussichtsrei-
chen Bewerberinnen. Hagl will in Lands-
hut Alexander Putz (FDP) ablösen.
Die Strukturen auf dem Land können
mit den jüngsten Erfolgen noch nicht ganz
mithalten. Trotz etlicher neuer Ortsverei-
ne reicht es nicht, um in jeder Kommune ei-
ne eigene Liste aufzustellen. „Da haben
wir auch gar keinen Überblick“, sagt Hal-
litzky. Mehr Listen als vor fünf Jahren wird
es dennoch geben: „Wir stellen in jedem
Kreis, in jeder kreisfreien Stadt auf.“
Auch inhaltlich haben die Grünen sich ei-
niges vorgenommen: Ein Schwerpunkt im
Wahlkampf wird wenig überraschend der
Klimaschutz sein. Das Ziel sind klimaneu-
trale Kommunen. Dafür müsse das Mobili-
tätsangebot in den Städten und auf dem
Land umgebaut werden, Flächenfraß ver-
ringert und nur noch behutsam nachver-
dichtet – im Ortskern, nicht am Ortsrand.
Außerdem wollen die Grünen bezahlbares
Wohnen ausbauen, mit mehr kommuna-
len Wohnbaugesellschaften und einer Quo-
te von 30 bis 50 Prozent für sozialen Woh-
nungsbau. Der Leitantrag auf dem Partei-
tag soll den Zusammenhalt stärken. Ihre
Idee von Klimaschutz werde keine soziale
Spaltung hervorrufen, versichern die Lan-
deschefs. Die CO2-Abgabe soll als „Energie-
geld“ an die Bevölkerung zurückfließen.
„Wer sich klimafreundlich verhält, kann
daran auch verdienen. Wer schädlich han-
delt, muss dafür bezahlen“, sagt Hallitzky.
Abgerechnet wird am Mittwoch in der
grünen Landeszentrale auch mit dem Re-
gierungschef und seinem Stellvertreter.
Hallitzky wirft Markus Söder (CSU) vor, sei-
ne Plädoyers für einen fairen Stil selbst zu
unterlaufen. „Wir haben in den letzten Wo-
chen erlebt, dass der bayerische Minister-
präsident beispielsweise gesagt hatte, die
Grünen wollen ein sofortiges Heizungsver-
bot, Fleischverbote, Flugverbote“, kriti-
siert Hallitzky. Das sei „schlicht gelogen“.
Der Grünen-Chef fordert einen respekt-
vollen Umgang ein. Andere zu diffamieren
und Lügen als bewusstes politisches Mittel
einzusetzen, „das erleben wir bei Trump,
bei Orbán – und in anderem Zusammen-
hang auch bei Aiwanger“. Ob sich der stell-
vertretende bayerische Ministerpräsident
in dieser Reihe wohlfühlt? Hubert Aiwan-
ger hatte gesagt: „Ich bin überzeugt, Bay-
ern und Deutschland wären sicherer, wenn
jeder anständige Mann und jede anständi-
ge Frau ein Messer in der Tasche haben
dürfte“ – und Kritikern eine böswillige, ab-
sichtliche Fehlinterpretation vorgeworfen.
„Es ist nicht anders interpretierbar“, sagt
Hallitzky. Das sei ein unverhohlener Auf-
ruf zur Selbstbewaffnung, eine solche Re-
de habe in einer zivilisierten politischen
Auseinandersetzung nichts zu suchen.
Mehr Spaß macht es den Grünen ohne-
hin, über sich selbst zu reden. „Mit deinem
Namen wird der Aufstieg der Grünen im-
mer verbunden sein“, ruft Hallitzky seiner
Co-Chefin zu. Bei der Feier lobte er: „Sie
wird eine super Oberbürgermeisterin.“ So
weit will Hagl noch nicht gehen. Sie sagt:
„Die Aussichten sind gut, die Ausgangspo-
sition auch.“ a. günther, w. wittl
München–Die Staatsregierung besteht
auch weiterhin auf ihr Recht, in die Ermitt-
lungsarbeit der bayerischen Staatsanwalt-
schaften durch Weisungen eingreifen zu
können. Gleiches gelte für die Vorgabe,
dass die Staatsanwaltschaften dem Justiz-
ministerium gegenüber grundsätzlich be-
richtspflichtig sind – so etwa „bei Strafsa-
chen gegen Abgeordnete“. Dies geht aus
der Antwort auf eine schriftliche Landtags-
anfrage der Abgeordneten Martin Hagen
(FDP) und Toni Schuberl (Grüne) hervor. Al-
lerdings werde von der Möglichkeit des so-
genannten externen Weisungsrechts „fak-
tisch so gut wie kein Gebrauch gemacht“,
heißt es seitens des Justizministeriums.
Das sehen Hagen und Schuberl als
rechtspolitische Experten indes ganz an-
ders: „Die Zahl von Hunderten Berichten
der Staatsanwaltschaften zu einzelnen Ver-
fahren an die Staatsregierung ist besorgnis-
erregend“, sagte Hagen. Das lege den Ver-
dacht nahe, dass häufiger verfahrenslen-
kend eingegriffen werde und dies „ohne
die Kontrolle des Parlaments möglich“ sei.
Geradezu skandalös finden beide, dass
Prüfbitten, Anregungen und Hinweise sei-
tens des Justizministeriums an die Staats-
anwaltschaften statistisch gar nicht er-
fasst werden. Das Ministerium hält dage-
gen: Jetzt die Häufigkeit solcher Prüfbit-
ten und Hinweise festzustellen, sei „mit un-
zumutbarem Aufwand“ verbunden. Der
Grüne Toni Schuberl bleibt bei seinem Vor-
wurf: „Der politische Einfluss auf die Jus-
tiz ist so intransparent, dass das Parlament
keine Chance hat, seine Kontrollrechte
wahrzunehmen“, sagte er.
Dies aber weist die Staatsregierung ent-
schieden zurück: Wenn denn bayerische
Justizminister von ihrem Einzelfallwei-
sungsrecht Gebrauch machten, begründe
das noch „keine Gefahr, dass der Anschein
der politischen Beeinflussung konkreter
Strafverfahren hervorgerufen wird“. Und
was die parlamentarische Kontrolle durch
den Landtag betreffe: Jeder Abgeordnete
habe die Möglichkeit, dem Justizministeri-
um die Frage zu stellen, „ob in bestimmten
Ermittlungsverfahren Weisungen erteilt
wurden“. Auf diese Weise, so das Ministeri-
um, sei sichergestellt, dass der Landtag sei-
nem Kontrollrecht nachkommen könne.
Schuberl will sich mit dieser Antwort je-
doch nicht zufrieden geben. Hier werde ver-
sucht, „sich mit Tricksereien aus der Affä-
re zu ziehen“. dietrich mittler
Zwiesel – Dass der Wolf wieder durch
den Bayerischen Wald streift, ist inzwi-
schen bekannt. Aber ein Tiger? Eine
Frau ist sich sicher, dass am Montag-
abend in Zwiesel (Landkreis Regen) di-
rekt vor ihrem Auto ein ebensolcher, leib-
haftiger Tiger über die Straße gelaufen
ist. Nachdem die Frau die Polizei gerufen
hatte, fiel der Verdacht zunächst auf ei-
nen Zirkus, der momentan in Zwiesel Sta-
tion macht. Nur: Dieser Zirkus hat gar
keine Raubtiere im Programm. Auch
sonst gibt es offenbar keinen Zoo oder
Zirkus, der einen Tiger vermisst. „Mögli-
cherweise war es ein großer Hund“, sag-
te ein Polizeisprecher am Mittwoch. Es
sei auch bei dieser einen Meldung geblie-
ben. „Seitdem hat niemand irgendwo im
Bayerischen Wald einen Tiger gesehen.“
Und falls sich die Frau doch nicht ge-
täuscht hat? „Die Beamten halten natür-
lich die Augen offen“, verspricht der Poli-
zeisprecher. sz, dpa
von florian fuchs
D
as mit der Entschuldung des Frei-
staats bis zum Jahr 2030 wird nun
also nichts mehr, Ministerpräsi-
dent Markus Söder investiert ja neuer-
dings lieber: in Raumfahrt, in Hochschu-
len und was sonst bei drei nicht auf den
Bäumen ist. 27 Milliarden Euro Schulden
hat Bayern derzeit, wenn Söder so weiter-
macht, dürften es in naher Zukunft nicht
viel weniger werden. Außer natürlich die
Bürger nehmen sich ein Vorbild an der
kleinen Gemeinde Markt Wald in Schwa-
ben, ein gutes Stück südlich von Augs-
burg. Laut dem Geschäftsführer der dorti-
gen Verwaltung, Herbert Egger, liegt
Markt Wald „so richtig im Zentrum des
Nichtzentrums“, also in etwa auf der an-
deren Seite des Universums von Markus
Söder.
Und trotzdem könnte das knapp
2500-Einwohner-Dorf nun so etwas wie
der bayerische Vorreiter werden, wenn es
darum geht, die Pro-Kopf-Verschuldung
zu mindern. Sie waren schon etwas über-
rascht in der Verwaltung, als vor Kurzem
eine Überweisung eintrudelte über exakt
1265 Euro, Überweisungszweck: PKVSD.
Sie dachten erst an einen Fehler, erzählt
Egger, sie grübelten, was es damit auf
sich hat, bis einem die zündende Idee
kam: 1265 Euro, das entspricht doch ex-
akt der Pro-Kopf-Verschuldung der Ge-
meinde, Abkürzung: PKVSD. In einer
Haushaltssitzung des Gemeinderats hat-
te eine Bürgerin offenbar aufmerksam zu-
gehört und sich dann gedacht: 1265 Euro
Schulden pro Kopf, wenn es weiter nichts
ist, da helfe ich gerne aus.
Jetzt ist Markt Wald nicht arm, da gibt
es Gemeinden in Bayern, die deutlich
schlechter dran sind. Und insgesamt be-
trachtet senkt der Beitrag den Schulden-
stand von Markt Wald auch nicht unbe-
dingt dramatisch. Aber „Nachahmer wer-
den schon gern gesehen“, sagt Egger und
lacht. Die Gemeinde will sich vorbildlich
verhalten und das Geld nicht einfach ein-
sacken, sondern nun erst einmal mit der
Wohltäterin reden, ob sie ihre Überwei-
sung nicht doch lieber zurückgebucht ha-
ben will. Als Spende deklariert, dürfte es
die Gemeinde aber wohl behalten. Falls
Söder also Nachhilfe braucht, Herbert Eg-
ger ist mit Tipps bestimmt zur Stelle. Die
Pro-Kopf-Verschuldung im Freistaat
liegt allerdings bei mehr als 2000 Euro –
da müssten die Bürger schon tiefer in die
Tasche greifen.
von olaf przybilla
Nürnberg–Auch am Tag der Urteilsver-
kündung hat Daniel G. ununterbrochen
auf den Boden gestarrt. Der 39-Jährige –
robust, kurz geschorene Haare, sehr bleich
- hat das während des gesamten Prozesses
im Saal 600 des Landgerichts Nürnberg ge-
tan. Auch als die Vorsitzende Richterin Bar-
bara Richter-Zeininger begründet, warum
er zu lebenslanger Haft wegen versuchten
Mordes in drei Fällen verurteilt wird, hat G.
keine Sekunde lang aufgeblickt. Daniel G.,
aus Sachsen-Anhalt stammend, hat am
- Dezember 2018 drei Frauen hinterein-
ander auf offener Straße ein Messer in den
Leib gerammt und den Nürnberger Stadt-
teil St. Johannis für zwei Tage in Angst ver-
setzt. Alle drei Frauen kannte er nicht. Zum
Teil, sagt die Richterin, sei es nur „dem
Glück zu verdanken“, dass die Frauen über-
lebt haben. Daniel G. starrt zu Boden.
Dem „objektiven Sachverhalt nach“ hat-
te G. die Taten bereits am ersten Tag von
seinen Verteidigern einräumen lassen. Ein-
mal hat er sogar selbst das Wort ergriffen,
respektive zwei Sätze herausgedrückt. Es
tue ihm „unheimlich leid“, hat er wissen las-
sen und wieder auf den Boden gestarrt.
Immerhin gibt es ein Vernehmungsvi-
deo vom Januar, das im Prozess vorgeführt
wurde. Daniel G. hat in dieser Vernehmung
gestanden, das schon. Die wichtigste Frage
aber, die nämlich, warum er das getan hat,
die ist auch in dem Video nicht beantwor-
tet worden. Viel geschluchzt hat er und Pa-
piertaschentücher verbraucht. Hernach
wusste man im Saal 600, wie und wo da
einer einen Tag quer durch Nürnberg irrte.
Das aber, worauf alle gewartet haben,
einen Hinweis auf das Warum, hat G. in der
zweistündigen Aufnahme nicht geliefert.
Es gibt verstörende Szenen in dem Vi-
deo, die wohl schlimmste aber ist die Passa-
ge, als G. schildert, wie ihm am Nordklini-
kum eine Frau entgegenkam und er ihr un-
vermittelt ein Messer in den Bauch ramm-
te. Warum, wollen die Ermittler wissen. Er
wisse es nicht, stammelt G. und kommt zur
Einschätzung: „Das ist Wahnsinn.“ Er habe
Frauen stets geschützt. Dann sagt er: „Das
tut unheimlich weh so was.“ Und meint of-
fenbar sich selbst damit, nicht sein Opfer.
Maximilian Bär, ein Vertreter der Neben-
klage, hat ihm das im Prozess entspre-
chend hingerieben. Daniel G. ergehe sich
im „Selbstmitleid“, das man nicht verwech-
seln dürfe mit echter Reue. Nicht mal den
Mumm habe er gehabt, seinen Opfern we-
nigstens einmal ins Gesicht zu blicken.
Immerhin einige grobe Daten hat man
erfahren im Prozess. Daniel G. war woh-
nungs- und arbeitslos, als er sich von Ber-
lin auf den Weg nach Nürnberg gemacht
und dort in einer Notunterkunft geschla-
fen hat. Als Lagerist hat er sich einst betä-
tigt, sein Vorstrafenregister ist lang: Brand-
stiftung, Beleidigung, Betrug, Bandendieb-
stahl. 20 Vorstrafen insgesamt. An jenem
- Dezember hat er ein Messer geklaut, an-
geblich um einen Laden-Überfall zu bege-
hen. Dann ist er nach St. Johannis gegan-
gen und hat dort auf Frauen eingestochen.
Alle drei mussten notoperiert werden, für
zwei bestand erst viele Stunden nach der
Attacke keine Lebensgefahr mehr.
War womöglich Frauenhass das Motiv?
G. hat das im Video selbst ausgeschlossen.
Er habe Frauen „verarscht“, und diese ihn.
Auch sei seine Beziehung in die Brüche ge-
gangen. Aber deshalb willkürlich auf Frau-
en einstechen? „Nein.“ Sein Vater dagegen
kann sich „Hass auf Frauen“ durchaus vor-
stellen. Aber klar: nur als Vermutung eines
um Erklärung ringenden Verwandten.
G. hatte Wochen vor der Tat eine Polizei-
wache in Berlin aufgesucht und dort ange-
geben, er wolle ins Gefängnis. Dafür aber
muss man nicht drei Frauen niederste-
chen. Für Oberstaatsanwalt Thomas Wey-
de ist die Motivation für die Taten „im Dun-
keln“ geblieben. Weyde hatte für G. – den
ein Sachverständiger für voll schuldfähig
erklärt hat – lebenslange Haft mit anschlie-
ßender Sicherungsverwahrung gefordert.
Seine Verteidiger hatten ins Feld geführt,
G. habe sich entschuldigt. Der Blick zu Bo-
den sei als Zeichen der Scham zu werten.
Gegen Ende des Geständnis-Videos hat-
te G. befürchtet, er bekomme „lebensläng-
lich“, womöglich komme er sogar „nie wie-
der“ in Freiheit. Weil die besondere Schwe-
re der Schuld nun nicht verhängt wurde,
könnte ihm Letzteres unter Umständen er-
spart bleiben. Die Richterin nimmt G. eine
Schuldeinsicht ab. Dass er ständig auf den
Boden gestarrt habe, sei eher als Zeichen
zu bewerten, dass der Angeklagte wisse,
dass „seine Tat durch nichts zu entschuldi-
gen ist“. Die Richterin ist überzeugt, dass
die bevorstehende lange Haft die „erst sta-
bile Lebenssituation“ für G. sein wird.
Während des Prozesses sprach der aus Sachsen-Anhalt stammende Daniel G. nur
mitseinem Anwalt, ansonsten starrte er den Boden an. FOTO: DANIEL KARMANN/DPA
Bayerns Grüne auf Expansionskurs
Seit der Landtagswahl wurden 90 neue Ortsverbände gegründet, die Zahl der Mitglieder ist auf 15 000 gestiegen
Auf dem Parteitag in Lindau
bereiten die Grünen
den Kommunalwahlkampf vor
FDP und Grüne rügen
Einflussnahme auf Justiz
Achtung, Tiger!
Raubtier auf Straße gesichtet
MITTEN IN BAYERN
Markt Wald hat
1265 Euro PKVSD
Landeschefin Sigi Hagl will Oberbürger-
meisterin werden. FOTO: ANGELIKA WARMUTH/DPA
Lebenslange Haft für Messerstecher
DieTaten von Daniel G., der in Nürnberg drei Frauen niedergestochen hat, versetzten den Stadtteil St. Johannis
für zwei Tage in Angst. Warum er das getan hat, bleibt auch nun nach dem Urteil völlig unklar
Der Angeklagte ergehe
sich in Selbstmitleid, sagt ein
Vertreter der Nebenklage
FOTO: LINO MIRGELER/DPA
Wolbergs-Prozess
wird fortgesetzt
Gericht lehnt Einstellung des
zweiten Verfahrens gegen OB ab
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DEFGH Nr. 240, Donnerstag, 17. Oktober 2019 R13
BAYERN