Handelsblatt - 14.10.2019

(Michael S) #1

Klaus Stratmann Berlin


E


rst vergangene Woche
Mittwoch hat das Bun-
deskabinett mit der Ver-
abschiedung des Klima-
schutzgesetzes und mit
dem Beschluss über das „Klima-
schutzprogramm 2030“ die Weichen
für schnellere CO 2 -Reduktionen ge-
stellt.
Nun kommen die ersten Konkreti-
sierungen: Ende vergangener Woche
ging der Entwurf für die Umsetzung
der steuerrechtlichen Aspekte des
Klimaschutzprogramms 2030 in die
Verbändeanhörung. Bereits am Mitt-
woch soll das Kabinett den Gesetz-
entwurf verabschieden.
In dem Entwurf stehen vier Maß-
nahmen im Fokus: die steuerliche
Förderung der energetischen Gebäu-
desanierung, die befristete Anhe-
bung der Entfernungspauschale für
Pendler sowie eine Mobilitätsprämie,
die Senkung der Mehrwertsteuer für
die Bahn und der erhöhte Hebesatz
bei der Grundsteuer für Windparks.
Politisch am meisten umstritten ist
dabei die steuerliche Förderung der
energetischen Gebäudesanierung. Sie
wird bereits seit acht Jahren ange-
strebt. Verschiedene Bundesregie-
rungen scheiterten mit dem Vorha-
ben aber bislang regelmäßig im Bun-
desrat am Widerstand der Länder.

Wird es diesmal klappen? Mit Si-
cherheit kann man das nicht sagen.
Immerhin haben sich beispielsweise
die Landesregierungen von Bayern,
Hessen, NRW, Niedersachsen und Ba-
den-Württemberg in ihren jeweiligen
Koalitionsverträgen für die steuerli-
che Förderung der Gebäudesanie-
rung ausgesprochen.
Rein rechnerisch ließe sich damit
eine Mehrheit im Bundesrat erzielen.
Ob und unter welchen Bedingungen
die Länder aber an ihrer Zusage fest-
halten, weiß niemand vorherzusa-
gen. Die Bundesregierung hat es bis-
lang jedenfalls noch nicht vermocht,
die Bundesländer für den jüngsten
Anlauf zur steuerlichen Förderung
der energetischen Sanierung mit ins
Boot zu holen. In Verhandlungskrei-
sen heißt es, eine Abstimmung mit
den Ländern habe noch nicht stattge-
funden.
Das Baugewerbe ist optimistisch
und freut sich schon auf die Neurege-
lung. „Es ist richtig, dass die Bundes-
regierung endlich Anreize zur ener-
getischen Sanierung des Gebäudebe-
stands schafft. Viel zu lange wurde
der Gebäudesektor in der Debatte
um Klimaschutzmaßnahmen nur un-
zureichend einbezogen. Mit der steu-
erlichen Förderung von Sanierungs-
maßnahmen wird nun endlich eine

Voraussetzung geschaffen, hier nach-
zubessern“, sagte Felix Pakleppa,
Hauptgeschäftsführer des Zentralver-
bands Deutsches Baugewerbe (ZDB).
Sanierungsexperten sehen aller-
dings skeptisch, dass statt umfassen-
der Sanierungen nur Einzelmaßnah-
men gefördert werden sollen. Es sei
zwar „gut und wichtig“, dass die För-
derung der energetischen Sanierung
jetzt schon zum 1. Januar 2020 kom-
me, da nach der Ankündigung der
höheren Förderung viele Sanierun-
gen aufgeschoben worden seien, sag-
te Jan Karwatzki vom Öko-Zentrum
NRW, einem auf Energieberatung
spezialisierten Unternehmen.
Es sei aber „schade, dass nun ener-
getische Sanierungen mittels Einzel-
maßnahmen ohne Qualitätssiche-
rung durch Energieberater gefördert
werden“, ergänzte er. Karwatzki
fürchtet, dass das „zu mehr Masse
und weniger Qualität“ bei der Sanie-
rung führt.
Im Gesetzentwurf werden ver-
schiedene Einzelmaßnahmen defi-
niert, die steuerlich förderbar sind.
Die Auflistung beginnt bei der Wär-
medämmung von Wänden und endet
bei der Optimierung bestehender
Heizungsanlagen, sofern diese älter
als zwei Jahre sind. Auch die Erneue-
rung von Heizungsanlagen ist erfasst.

Die Entfernungspauschale für
Pendler soll dem Gesetzentwurf zu-
folge so geändert werden, dass im
Zeitraum von Anfang 2021 bis Ende
2026 für die ersten 20 Kilometer Ent-
fernung zwischen Wohnung und Ar-
beitsstätte 30 Cent Entfernungspau-
schale berechnet werden, für jeden
weiteren vollen Kilometer dann 35
Cent.
Diese Regelung war exakt so be-
reits in den Ende September verab-
schiedeten Eckpunkten für das Kli-
maschutzprogramm angelegt. Hinzu
soll dem Gesetzentwurf zufolge nun
eine „Mobilitätsprämie“ kommen.
Steuerpflichtige sollen sie statt der
Entfernungspauschale geltend ma-
chen können. Für Arbeitnehmer soll
diese Möglichkeit aber nur gelten, so-
weit die Entfernungspauschale in Hö-
he von 35 Cent ab dem 21. Kilometer
zusammen mit den übrigen zu be-
rücksichtigenden Werbungskosten
den Arbeitnehmer-Pauschbetrag
übersteigt.
Auch die in den Eckpunkten des
Klimaschutzprogramms bereits ange-
legte Senkung der Mehrwertsteuer
auf Bahnfahrkarten von 19 auf sieben
Prozent ist in dem Gesetzentwurf
enthalten. Die Einnahmeausfälle sol-
len durch eine Erhöhung der Luftver-
kehrsabgabe ausgeglichen werden.
Für die Erhöhung der Luftver-
kehrsabgabe liegt ebenfalls bereits
ein Gesetzentwurf vor. Die Große Ko-
alition hat ihre Pläne zur Erhöhung
der Steuer auf Flugtickets demnach
noch einmal geändert. Die Ticket-
steuer für kurze Flüge im Inland und
in EU-Staaten soll nun etwas stärker
steigen als zunächst geplant, die
Steuern für längere Flüge dafür weni-
ger stark. Die Änderung ist zum 1.
April 2020 geplant.
Konkret soll die Luftverkehrsteuer
für Flüge im Inland und in EU-Staa-
ten um 3,78 Euro steigen – auf dann
11,25 Euro pro Ticket mit Start von ei-
nem deutschen Flughafen. Bei Stre-
cken bis 6 000 Kilometer ist eine Er-
höhung um rund sieben Euro auf 30
Euro vorgesehen. Bei noch weiteren
Fernstrecken sollen künftig 54 Euro
fällig werden, rund 12,50 Euro mehr
als bislang.
Zunächst hatte das Finanzministe-
rium die Steuer in allen Kategorien
prozentual gleich stark anheben wol-
len. Bei Flügen im Inland wäre sie
dann wenige Cent niedriger, bei den
langen Flügen fast fünf Euro höher
gewesen als jetzt geplant. Dafür gab
es viel Kritik. Die Airlines schlagen
die Luftverkehrsteuer oft auf die
Flugpreise auf – Flugtickets könnten
also entsprechend teurer werden.
Die geplante Erhöhung des Hebe-
satzes bei der Grundsteuer für Flä-
chen mit Windenergieanlagen soll
dabei helfen, Flächen für Windparks
zu mobilisieren. Gemeinden soll er-
möglicht werden, bei der Grundsteu-
er einen gesonderten Hebesatz fest-
zulegen.
Im Begleitschreiben des Finanzmi-
nisteriums an die Verbände heißt es
dazu, man wolle mit der Regelung
„die Gemeinden an den Erträgen aus
den Windenergieanlagen als Aus-
gleich für die damit verbundenen er-
höhten Aufwände auf Gemeindeebe-
ne“ beteiligen.

Klimaschutz


Die nächsten Schritte


Die Bundesregierung beginnt mit der Umsetzung des


Klimaschutzprogramms. Ein erster Gesetzentwurf betrifft


das Steuerrecht. Hausbesitzer und Pendler profitieren.


Autobahnkreuz
bei München: Die
Entfernungspauschale
soll steigen.

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Zentralverband Deutsches Baugewerbe

Es ist richtig,


dass die


Bundesregie -


rung endlich


Anreize zur


energetischen


Sanierung


schafft.


Felix Pakleppa
Zentralverband
Deutsches Baugewerbe

Wirtschaft & Politik


MONTAG, 14. OKTOBER 2019, NR. 197


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