Handelsblatt - 14.10.2019

(Michael S) #1

„Ich habe der Türkei


klargemacht, dass wir sehr


schnelle, starke und harte


Wirtschaftssanktionen


verhängen, wenn sie ihre


Verpflichtungen nicht einhalten.“


Donald Trump, US-Präsident, droht der Türkei
wegen des Einmarsches in Syrien.

„Lasst uns streiten. Aber


lasst uns nie vergessen: Der


politische Gegner sitzt


immer außerhalb unserer


Reihen, nie innerhalb.“


Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Chefin,
mahnt ihre Partei zur Geschlossenheit.

Stimmen weltweit


Die italienische Tageszeitung „Corriere della
Serra“ bezieht Stellung zum Terroranschlag in
Halle:

W


arum wurde die Synagoge in Halle am
Tag von Jom Kippur nicht von der Po-
lizei geschützt? War es nur ein Kom-
munikationsfehler zwischen den Sicherheitsor-
ganen? Oder eine ernsthafte Unterschätzung der
Gefahr antisemitischer Angriffe in einer Stadt mit
sehr starker extremistischer Präsenz? Die Ant-
wort auf diese Fragen wird entscheidend sein,
um über die Reue hinauszugehen, die die gesam-
te deutsche politische Klasse angesichts der Op-
fer von Stephan B. und des vereitelten Massakers
gezeigt hat. Eines ist jedoch sicher: Die Abwesen-
heit von Polizisten vor dem jüdischen Gotteshaus
ist nicht nur „skandalös“, wie der Präsident des
Zentralrats der Juden in Deutschland sagte. Viel-
mehr ist es der Bruch eines Versprechens, das
die Bundesrepublik der israelitischen Gemein-
schaft gemacht hat – denjenigen, die nach dem
Holocaust in Deutschland geblieben oder dorthin
zurückgekehrt sind.

Die italienische Zeitung „La Stampa“ schreibt
zur Offensive der Türkei in Syrien:

E


rdogans Popularität ist im freien Fall, wie
die jüngsten Wahldaten zeigen. Die Invasi-
on in Syrien muss auch aus dieser Per-
spektive betrachtet werden, als ein klarer Schritt
zur Mobilisierung der patriotischen Gefühle der
türkischen Bevölkerung – also der antikurdi-
schen, aber auch antiwestlichen Gefühle. Die Dy-
namik ist jedem Diktator bekannt: Der Krieg und
die Feindseligkeit von äußeren Kräften verstär-
ken den Konsens. Gleichzeitig scheint es nicht
klug, sich dem Diktat Ankaras zu unterwerfen,
wenn klar ist, dass die Wahrnehmung von
Schwäche in Europa Erdogan nur dazu veran-
REUTERS, AFP, dpalasst, immer skrupelloser zu handeln.

Die Wiener Tageszeitung „Der Standard“
kommentiert die Vergabe des
Friedensnobelpreises an den äthiopischen
Ministerpräsidenten Abiy Ahmed:

D


er äthiopische Premier Abiy Ahmed be-
kommt den Friedensnobelpreis, eine der
renommiertesten Auszeichnungen der
Welt. Er bekommt ihn in einem Moment, in dem
die Euphorie um den charismatischen Shooting-
star bei Bevölkerung und internationalen Part-
nern schon wieder zu schwinden beginnt. Nicht,
dass der Reformer den Preis nicht verdient hätte.
Der Friedensvertrag mit dem jahrzehntelangen
Erzfeind Eritrea und die Bemühungen, in Äthio-
pien ein vielgestaltig korruptes und brutales Min-
derheitenregime zu beenden, haben ihn zu
Recht zur Zukunftshoffnung auf dem Kontinent
werden lassen. (...) Der Übergang zur Demokra-
tie in Äthiopien kann noch scheitern. Ob der
Friedensnobelpreis nur ein Symptom einer nai-
ven Hoffnung auf ein Happy End auf dem gebeu-
telten Kontinent Afrika ist, ist längst nicht ausge-
macht.

A


ngesichts der Pech- und Pannenserie von Anne-
gret Kramp-Karrenbauer fragten sich in den
vergangenen Wochen immer mehr in der CDU,

warum man ausgerechnet sie im Dezember in Ham-


burg zur Parteichefin gewählt hatte. Eine Antwort da-


rauf gab Kramp-Karrenbauer nun beim Deutschland-


tag der Jungen Union in Saarbrücken. Dort hielt die


CDU-Chefin eine starke Rede, die auch bei dem ihr


eher kritisch gesinnten Parteinachwuchs gut ankam.


Auch in Hamburg war es ihr überzeugender Auftritt


gewesen, mit dem sie sich gegen ihren Rivalen Fried-


rich Merz durchgesetzt hatte.


Doch von diesen Qualitäten Kramp-Karrenbauers


war in den vergangenen Monaten wenig zu spüren. Ein


Fehler reihte sich an den nächsten, in den Beliebtheits-


rankings wurde sie nach hinten durchgereicht. Kurz


nach Hamburg schien ihr die Kanzlerkandidatur si-


cher, doch schon lange ist die Frage, wer für die Union


antreten soll, wieder offen. Das hat nicht zuletzt die


Junge Union am Wochenende deutlich gemacht, als sie


einem Antrag zustimmte, der einen Mitgliederent-


scheid von CDU und CSU vorsieht. Damit stellte sie
sich gegen Kramp-Karrenbauer, die darauf besteht,
dass sie als Parteichefin das Vorschlagsrecht hat. Nun
wird sich der CDU-Parteitag damit beschäftigen.
Eine Urwahl ist der Versuch, Kramp-Karrenbauer als
Kanzlerkandidatin zu verhindern und dem in Ham-
burg unterlegenen Merz eine zweite Chance zu ver-
schaffen. Merz wurde bei der Jungen Union wie ein
Popstar gefeiert, mehr noch als Jens Spahn, der in den
vergangenen Jahren der Liebling der JU war. Doch
Spahn fällt als Gesundheitsminister nun mehr durch
fleißige Sacharbeit auf und weniger durch markige
Worte.
Beim Deutschlandtag der JU zeigt sich besonders
deutlich ein Phänomen, das in vielen Parteien zu be-
obachten ist: Bei der Basis kommen solche Politiker
besonders gut an, die sehr klar und kompromisslos die
Parteilinie vertreten. Genau jene haben es dann aber
schwer, über die Kernklientel hinweg Wähler zu gewin-
nen. Die Skepsis gegen eine Urwahl ist in der Unions-
spitze deshalb groß.
Insofern könnte Kramp-Karrenbauers größter Kon-
kurrent um die Kanzlerkandidatur am Ende nicht Merz
(und noch nicht Spahn) werden, sondern ein CDU-Poli-
tiker, der beim Deutschlandtag einen eher staatstra-
genden Auftritt hinlegte: Nordrhein-Westfalens Minis-
terpräsident Armin Laschet.
Auch wenn die offene Frage der Kanzlerkandidatur
parteiintern Unruhe erzeugt, hält das JU-Treffen doch
eine für die Union beruhigende Erkenntnis bereit: Ei-
nen Mangel an potenziellen Kandidaten gibt es nicht.

Union


Die Qual der Wahl


Beim Treffen der Jungen Union
gab es ein Schaulaufen der
potenziellen Kanzlerkandidaten.
Ein Mangel herrscht dabei nicht,
meint Jan Hildebrand.

Der Autor ist stv. Leiter des Hauptstadtbüros.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

Wirtschaft & Politik


MONTAG, 14. OKTOBER 2019, NR. 197


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