Handelsblatt - 14.10.2019

(Michael S) #1

Der Gebührenplan von Airbus ist


ein neuer Höhepunkt im Wettstreit


um die Datenhoheit in der Luftfahrt.


Airbus und Boeing, aber auch War-


tungsfirmen wie Lufthansa Technik,


wollen eine führende Rolle bei der


Auswertung und der Nutzung der Da-


ten spielen. Airbus schickt dazu seine


Plattform Skywise ins Rennen. Bis


Jahresende sollen dort 10 000 Flug-


zeuge von 100 Gesellschaften erfasst


werden, hat das Unternehmen als


Ziel vorgegeben.


Lufthansa Technik setzt auf seinen


Aviation Data Hub, will aber auch an-


dere Partner mit ins Boot holen. Die


entsprechende Analysesoftware, die


auf den Namen Aviatar hört und unab-


hängig vom Datenpool vermarktet


wird, nutzen bereits mehrere Airlines,


darunter etwa die ungarische Wizz Air.


Es geht um ein lukratives Geschäft.


Boeing-Experten taxieren die Kosten


aller Airlines weltweit für den gesam-


ten Flugbetrieb auf rund 800 Milliar-


den Dollar jährlich. Zehn Prozent da-


von entfallen auf die Anschaffung


von Jets, fast genauso viel auf deren


Wartung.


Würden die Flugzeughersteller al-


so künftig zwei Prozent der War-


tungskosten als Datengebühr bekom-


men, wären das rechnerisch rund 1,


Milliarden Euro an Zusatzeinnah-


men, ohne dass die Hersteller dafür


mehr leisten müssten. Vor allem


aber: Dieses Geld kommt regelmäßig


und planbar.


Gleichzeitig braucht die Luftfahrt


diese Daten. Flugzeuge erfassen im


Betrieb Millionen von Daten über Zu-


stand und Funktion aller Komponen-
ten, von den Höhenmessern bis zu
den Motoren. Sie mit der richtigen
Analyse auszuwerten ist elementar
für eine effizientere Wartung, gerin-
geren Verbrauch und einen besten-
falls ausfallsicheren Flugbetrieb. Bei
dem Airbus-Vorhaben geht es zu-
nächst um die Wartungsdaten, nicht
die Betriebsdaten, die per se den Air-
lines gehören.
Angesichts dieser großen Bedeu-
tung der Daten versteht der eine
oder andere Manager in MRO-Unter-
nehmen sogar, dass Airbus daraus
mehr Kapital schlagen will. Einer Er-
höhung der grundsätzlichen Zu-
gangsgebühr stehen viele deshalb of-
fen gegenüber.

Probleme haben sie allerdings da-
mit, für die neue Gebühr gegenüber
Airbus die Kundenrechnungen offen-
legen zu müssen. „Damit würden wir
komplett die Hosen herunterlassen,
das geht einfach nicht“, sagt der Ma-
nager eines Wartungsbetriebs.
Zudem wächst in der Luftfahrtbran-
che und nicht zuletzt bei den Airlines
die Sorge, von nur noch wenigen Lie-
feranten und deren Datenplattform
abhängig zu werden – analog zu Goo-
gle etwa beim Thema Internetsuche.
Schon heute ist der Flugzeugmarkt
mit den beiden Giganten Airbus und
Boeing ein Duopol. Eine Dominanz
der beiden auch beim Zugang zu Da-
ten würde dieses Duopol weiter stär-
ken, fürchten Airline-Manager.

Auch Johannes Bußmann, der
Chef von Lufthansa Technik, hatte
gegenüber dem Handelsblatt vor ei-
nigen Monaten vor einem „Daten-
monopol“ in der Luftfahrt gewarnt.
Airbus versucht wiederum seit Mo-
naten, diese Sorge zu zerstreuen:
„Wir haben nicht den Ehrgeiz, das
Google der Luftfahrt zu werden
oder ein Monopol zu errichten“,
hatte Marc Fontaine, das für den di-
gitalen Wandel zuständige Vor-
standsmitglied, gegenüber dem
Handelsblatt versichert.
Das Thema ist so relevant, dass es
mittlerweile sogar in der Politik an-
gekommen ist, wie der gerade von
der Kommission Wettbewerbsrecht
4.0 vorgelegte Bericht „Ein neuer
Wettbewerbsrahmen für die Digital-
wirtschaft“ zeigt. Dort wird die
„wettbewerbsrechtliche Pflicht zur
Gewährung von Datenzugang“ an-
hand von zwei Beispielen dargelegt:
der Automobilindustrie und der
Luftfahrt und hier explizit beim
Thema Wartung.
In schönstem Beamtendeutsch
heißt es dazu auf Seite 38: „Diese Ge-
sichtspunkte legen in Sektoren mit
verfestigten Marktpositionen, in de-
nen eine verbreitete Verweigerung
des Datenzugangs zu strukturellen
Wettbewerbsproblemen führt, eine
von der Verfolgung von Einzelfällen
unabhängige regulatorische Ausge-
staltung eines Datenzugangs nahe –
etwa im Rahmen einer Verordnung.“
Anders ausgedrückt: Wird der Daten-
zugang von Unternehmen verwei-
gert, droht die Regulierung.

Markt für Flugzeugwartung
Entwicklungsprognose nach Flugzeugtyp

HANDELSBLATT

2019-
Turboprop

Regionaljet


Großraumflugzeug


Kurz- und


Summe


-2,


-1,


+3,


+4,


+3,


%


%


%


%


%


-1,


+2,


+1,


+5,


+3,


%


%


%


%


%


-2,


+0,


+2,


+4,


+3,


%


%


%


%


%


Mittelstreckenjet


2024-2029 2019-


Quelle: Oliver Wyman

doch nicht


sein, dass


wir Airbus


für unsere


eigene Arbeit


bezahlen.


Ein Manager
einer Wartungsfirma

%',11 "+*)( 


##&)+. " --"+ "+" *  !/" *.)")+)
-"")/)+-""-" "-)++/))  + * *+*!# 

"- -*0-)+" "+)"!"-!0--"-" -*!!")+!+
")")"" / )-+#!# #)!!# "/)+*+ 0-

#))"' )" * ++")& )+ 0- "#+/""
"#)!+#"" -"#"++"")+)"   /+*+"$&

) )"
#)") -"


+"+*)'


0 ' )/)+*+-)'


),) #"!#
#!(!))#'%!&

 )( 
*&$- 

 



 


 


*-&*
*&
#+
'*-*-

'!
#

Unternehmen & Märkte
MONTAG, 14. OKTOBER 2019, NR. 197


19


Anzeige

Free download pdf