Genanalyse: Die Mainzer Fir-
ma Biontech forscht an perso-
nalisierten Krebstherapien.
imago images / Westend61
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Qiagen
Biontech
Morphosys
Evotec
Formycon
Biofrontera
Brain
Pieris
Affimed
Medigene
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4
Durchwachsene Bilanz
Börsennotierte deutsche Biotechfirmen, Marktkapitalisierung
in Mio. Euro, 11.10.2019 in Relation z. eingezahltem Kapital
HANDELSBLATT Quellen: Unternehmen, Bloomberg, eigene Berechnungen
Der Sprung
aufs inter -
nationale
Parkett war
unser Ziel.
Und damit
sind wir sehr
glücklich.
Ugur Sahin
CEO und Gründer von
Biontech
Siegfried Hofmann Frankfurt
M
it einem der bisher
größten Börsengän-
ge eines deutschen
Biotechunterneh-
mens hat die Krebs-
forschungsfirma Biontech den
Sprung an den Kapitalmarkt ge-
schafft. Das verschafft den Mainzern
zusätzliche Ressourcen für ihren ehr-
geizigen Expansionskurs.
Der IPO an der US-Börse Nasdaq
entpuppte sich dabei als relativ müh-
sames Manöver – und gelang letztlich
nur mit deutlichen Abstrichen bei
Preis und Emissionsvolumen. Zudem
hatten die Mehrheitseigner Thomas
und Andreas Strüngmann zugesi-
chert, einen Teil der neuen Aktien
selbst zu zeichnen. Dessen ungeach-
tet wertet Firmenchef und -gründer
Ugur Sahin das Listing als wichtigen
und erfolgreichen strategischen
Schritt für weiteres Wachstum. „Der
Sprung aufs internationale Parkett
war unser Ziel. Und damit sind wir
sehr glücklich“, sagte Sahin dem
Handelsblatt.
Insgesamt holte Biontech mit dem
Börsengang brutto 150 Millionen Dol-
lar an frischem Kapital herein. Nach
Abzug der Kosten verbleiben 137 Mil-
lionen Dollar, umgerechnet knapp
124 Millionen Euro. Ursprünglich hat-
te Biontech auf bis zu 300 Millionen
Dollar Emissionsvolumen gezielt.
Aber auch mit dem abgespeckten
Börsengang sieht sich das Unterneh-
men in einer starken Position. Die zu-
sätzlichen Mittel wollen die Mainzer
nun vor allem für die weiteren klini-
schen Studien mit einer Reihe von
neuartigen Krebsimpfstoffen nutzen.
Firmengründer Sahin hält nach dem
Börsengang laut Prospekt noch 18,4
Prozent, die Brüder Strüngmann gut
51 Prozent des Kapitals.
Die gesamten Cash-Reserven stei-
gen durch den Börsengang auf mehr
als 650 Millionen Euro. Biontech ist
damit das am stärksten finanzierte
Biotechunternehmen Deutschlands.
Mit einer Bewertung von rund 3,1
Milliarden Euro auf Basis des Emissi-
onspreises von 15 Dollar je Aktie
konnte sich das Unternehmen zudem
auch in Sachen Marktkapitalisierung
auf Anhieb in der Spitzengruppe der
deutschen Biotech-Szene etablieren,
in etwa gleichauf mit Morphosys auf
dem zweiten Platz.
Zwar hat die Aktie des Börsenneu-
lings an den ersten beiden Handelsta-
gen knapp acht Prozent an Wert ver-
loren. Trotzdem bessert das Mainzer
Unternehmen die Erfolgsbilanz der
deutschen Biotechszene unter finan-
ziellen Aspekten schon heute auf.
Denn zusammen mit etablierten
Schwergewichten wie Qiagen, Mor-
phosys und Evotec gehört Biontech
zu den wenigen Branchenvertretern
mit einer Bewertung, die deutlich
über das Kapital hinausgeht, das von
Investoren bisher eingezahlt wurde.
Insgesamt fällt die Bilanz der deut-
schen Biotechbranche in dieser Hin-
sicht nur durchwachsen aus, wie eine
Analyse des Handelsblatts zeigt. Die
rund zwei Dutzend Biotechs, die bis-
her bereits börsennotiert sind, haben
seit Gründung von ihren Investoren
insgesamt gut sechs Milliarden Euro
an Eigenkapital erhalten. Dem stan-
den zuletzt rund 13,6 Milliarden Euro
Börsenwert gegenüber. Durch den
Eintritt von Biontech in den Club der
Börsenfirmen verbessert sich die Bi-
lanz auf knapp 17 Milliarden Euro
Börsenwert bei sieben Milliarden
Euro Kapitaleinsatz. Zwei Drittel der
börsennotierten deutschen Biotechs
haben aus Sicht des Marktes Wert
vernichtet.
Kapitalintensive Forschung
Nach dem erfolgreichen Nasdaq-Lis-
ting der Münchener Morphosys AG
im vergangenen Jahr ist der Börsen-
gang von Biontech zudem ein weite-
res wichtiges Signal für die Finanzie-
rungsfähigkeit und das Standing
deutscher Biotechs in den USA. Bran-
chenkenner wie Siegfried Bialojan,
Biotechexperte der Beratung EY, ge-
hen daher davon aus, dass der Bör-
senauftritt von Biontech mittelfristig
weiteren deutschen Biotechs der
Krebsimmunforschung den Weg an
die Nasdaq ebnen könnte. Dazu zäh-
len etwa die Tübinger Firmen Curvac
oder Immatics.
Der Zugang zum amerikanischen
Kapitalmarkt und die Unterstützung
durch erfahrene US-Investoren sind
für die Branche immer wichtiger ge-
worden. Zumal Neuemissionen in
Deutschland angesichts der Risiko -
aversion hiesiger Investoren als nahe-
zu unmöglich gelten.
Biontech-Chef Sahin verweist zu-
dem auf das generell stärkere Interes-
se und Verständnis in den USA für
Technologieunternehmen. „Die Nas-
daq ist seit Jahren der Marktplatz für
innovative Technologie-fokussierte
Unternehmen und war deshalb die
erste Wahl für uns.“ Eine schleichen-
de Abkehr vom Standort Deutsch-
land soll damit, wie Sahin betont,
nicht einhergehen. „Hauptsitz und
das Herz des Unternehmens bleiben
in Mainz. Wir bleiben ein deutsches
Unternehmen mit einer Arbeitskul-
tur, die durch uns und unsere Ziele
geprägt ist.“
Biontech arbeitet an einer Reihe
neuartiger und möglicherweise revo-
lutionärer Immuntherapien gegen
Krebs. Dazu zählen individualisierte
Therapieverfahren, die sich beson-
ders genau am genetischen Profil von
Krebszellen orientieren. Die Techno-
logieplattform bietet theoretisch eine
Basis für eine Vielzahl von neuen Me-
dikamenten. Bisher befindet sich die
Produktentwicklung aber noch
durchweg in der frühen klinischen
oder präklinischen Phase. Es dürfte
sich daher erst in den nächsten Jah-
ren klären, wie erfolgreich diese An-
sätze sein werden.
Insgesamt befinden sich neun Pro-
jekte inzwischen in den klinischen
Testverfahren, das heißt, sie werden
bereits an Patienten getestet. Eine
Reihe weiterer Produkte will Bion-
tech im kommenden Jahr in die klini-
schen Tests bringen. Darüber hinaus
ist auch ein weiterer Ausbau der For-
schungs- und Produktionskapazität
geplant. Der Cash-Bedarf dürfte da-
her weiter wachsen. Im ersten Halb-
jahr 2019 hat Biontech rund 130 Mil-
lionen Euro an Cash verbraucht.
Kommentar Seite 28
Biotechnologie
Ein neues Schwergewicht
Biontech rückt mit dem Börsengang in den USA zu den wertvollsten
deutschen Biotechfirmen auf und stärkt so die Erfolgsbilanz des Sektors.
Unternehmen & Märkte
MONTAG, 14. OKTOBER 2019, NR. 197