Handelsblatt - 14.10.2019

(Michael S) #1

„Auslaufende


Kraftwerksverträge


ersetzen wir konsequent


durch erneuerbare Energien.“


Torsten Schein, Energie-Chef der Deutschen
Bahn

„Wir sehen Mobilität als


Bürgerrecht, sie muss


erschwinglich sein – und das ist auch


eine Aufgabe von Volkswagen.“


Herbert Diess, VW-Vorstandschef


V


ertrag nicht verlängert durch den Aufsichtsrat“,
„Einvernehmlich getrennt“ oder „Neue Heraus-
forderungen gesucht“ – so lauten Meldungen

über Vorstands- und Aufsichtsratswechsel und -freiset-


zungen; die erste DAX-Co-Vorstandsvorsitzende bei SAP


steht zur diesbezüglichen Bewährung gerade erst an.


Auffallend: Zumindest gefühlt sind es in den letzten Mo-


naten deutlich mehr Frauen, die aus Amt und Würden


scheiden als Männer. Vermutlich aber fliegen Frauen


nicht schneller, sondern wir beobachten gerade die Re-


verse eines genderbedingten, gesetzlich unterfütterten


Besetzungsschubs vor wenigen Jahren. Ein statistischer


Kick-back sozusagen. Und unter der weiterführenden


Überlegung, dass Männer wie Frauen sich gleicherma-


ßen gelegentlich als Fehlbesetzung erweisen oder die in


sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen, eigentlich kei-


nen tiefer schürfenden Gedanken wert.


Wären da nicht zwei, fast regelmäßig die Personalien


begleitende Zusatzmeldungen, die nachdenklich stim-


men (sollten): Zum einen werden die Nachfolgeüberle-


gungen nahezu zwanghaft durch den einleitenden Ge-


danken geprägt, dass es eine Nachfolgerin geben muss.
Das sicherlich verantwortungsbewusst unterlegte An-
forderungsprofil, das es gerade bei vorzeitigen Umset-
zungen immer auf den Prüfstand zu stellen gilt, wird
nicht erwähnt. So drängt sich die Frage auf, ob die ge-
sellschaftspolitisch motivierte Genderdiskussion in der
zweiten Runde bereits zum wichtigsten, wenn nicht so-
gar dominierenden Auswahlkriterium für die Aufsichts-
räte und Nominierungskomitees verkommt. Zum ande-
ren schleudern nicht wenige dieser Meldungen – so bei
der Siemens-Kaeser-Kugel-Trennung – erkennbar haar-
scharf am journalistischen Comment entlang, persönli-
che Hintergründe nicht zu erwähnen. Zumindest hier
war der Grenzgang unschwer nachzuvollziehen, wenn
berichtet wurde, dass das „eng zusammenarbeitende
Team“ im Zeitablauf zu einem „konkurrierenden Alpha-
Tier-Wettbewerb“ mutiert ist.
Es bleibt naturgemäß offen, ob diese Berichtslage –
die deutlich verbesserungswürdig erscheint – nur Aus-
druck medialer Tollpatschigkeit ist oder ob in den ver-
antwortlichen Köpfen und bei unternehmenseigenen
Kommunikatoren die Personalien und deren Behand-
lung eine gendergetriebene Verzerrung erfahren haben.
Sollte da keine Rückkehr zur fachbezogenen und allein
eignungsbegründeten Auswahl möglich sein, dann
müsste gender-aktiv zukünftig wohl von „Mitgliederab-
gängen“ in Vorstand und Aufsichtsrat gesprochen wer-
den, um genderneutral und diskriminierungsfrei zu ver-
fahren.

Kolumne


Fliegen Frauen schneller?


Aufsichtsräte sollten ihre
Personalentscheidungen strikt
nach fachlichen Erwägungen
fällen, meint Manuel R. Theisen.

Der Autor ist geschäftsführender Herausgeber von
„Der Aufsichtsrat“. Lesen Sie mehr in der heute er -
schei nenden Oktober-Ausgabe der Fachinformation.
theisen@aufsichtsrat

In Zukunft


müsste


wohl


gender-


aktiv von


„Mitglieder-


abgängen“


in Vorstand


und Auf -


sichts rat


gesprochen


werden.


dpa, Deutsche Bahn AG, Bloomberg

SAP


Wechsel zur


rechten Zeit


M


it seinem abrupten Ab-
gang überrascht SAP-Chef
Bill McDermott die Mitar-
beiter und Kunden. Bis zuletzt hat
er – nach innen wie nach außen –
den Eindruck vermittelt, dass er mit
vollem Elan dabei ist. Insofern hat
seine Entscheidung den Software-
hersteller kalt erwischt.
Trotzdem kommt der Führungs-
wechsel zu einer passenden Zeit.
Bei SAP ist eine neue Phase ange-
brochen: Nach den Milliardeninves-
titionen, mit denen sich der Dax-
Konzern in den vergangenen Jahren
fürs Cloud-Computing rüstete und
die Produktpalette modernisierte,
ist es nun Zeit für die Konsolidie-
rung. Dafür ist anderes Personal an
der Konzernspitze besser geeignet.
SAP entwickelt Software zur
Steuerung von Geschäftsprozessen.
Ein wichtiges Verkaufsargument ist
die Integration: Wenn die verschie-
denen Lösungen zusammenspielen,
können Manager in Echtzeit sehen,
wie sich das Geschäft entwickelt.
Und immer mehr Prozesse lassen
sich automatisieren.
Der Softwarehersteller tat aber in
den vergangenen Jahren zu wenig,
um die zugekauften Produkte und
Eigenentwicklungen zu integrieren.
Dieses Versäumnis ist McDermott
anzulasten: Er entwarf die richtige
Vision für das Zeitalter des Cloud-
Computings und hielt die Verkaufs-
maschine in Schwung, kümmerte
sich aber zu wenig ums Detail.
Das Resultat: Viele IT-Chefs und
Vorstände zweifeln an der Rolle von
SAP bei der Digitalisierung. Über
die Jahre sind die Warnzeichen im-
mer klarer geworden. Der Vorstand
hat sie vielleicht gesehen, aber zu
spät und zu wenig darauf reagiert –
trotz des Versprechens, den Kun-
den in den Mittelpunkt zu rücken.
Mit seiner großen Vision hat Bill
McDermott dafür gesorgt, dass SAP
relevant bleibt. Nun ist aber das
mühsame Handwerk gefragt. Seine
beiden Nachfolger, Christian Klein
und Jennifer Morgan, können als
Team beides bieten – sie verstehen
das Cloud-Geschäft und können
gleichzeitig in der gesamten Organi-
sation die Integration vorantreiben.
Für die Zukunft des Konzerns ist es
enorm wichtig, dass es gelingt.

Bei SAP ist nach der Expansion die
Zeit der Konsolidierung gekommen


  • dafür ist neues Personal nötig,
    meint Christof Kerkmann.


Der Autor ist Redakteur im
Ressort Unternehmen.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

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MONTAG, 14. OKTOBER 2019, NR. 197


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