M. Brächer, A. Dörner, F. Holtermann
Zürich, New York, Frankfurt
D
avid Marcus lässt sich nicht so
schnell vom Kurs abbringen. Der Mit-
gründer von Facebooks Kryptowäh-
rung Libra hat für diesen Montag ein
großes Treffen in Genf angesetzt. Die
Mitglieder der sogenannten Libra Association sol-
len zusammenkommen, um ihre Satzung zu ratifi-
zieren, einen verantwortlichen Managing Director
zu ernennen und damit offiziell die Arbeit aufzu-
nehmen. Libra wurde zwar im Wesentlichen vom
sozialen Netzwerk Facebook und dessen Gründer
Mark Zuckerberg konzipiert. Von Anfang an stand
dahinter jedoch die Idee, die digitale Währung ei-
ner breiten Gruppe an Mitgliedern zu öffnen, die
dann auch ein Mitspracherecht bei der Ausgestal-
tung haben sollen.
Doch von Feierstimmung ist bei Facebook und
seinen Partnern wenig zu spüren. Anfang Oktober
sprang Libra-Mitglied Paypal ab und damit ausge-
rechnet Marcus’ ehemaliger Arbeitgeber. Vergange-
ne Woche wurde bekannt, dass der Produktchef
der Libra Association, Simon Morris, bereits seit
August nicht mehr für den Schweizer Verein arbei-
tet. Und am Freitag musste das Projekt den bisher
größten Rückschlag verkraften: Der Zahlungs-
dienstleister Stripe, die Kreditkartenunternehmen
Mastercard und Visa sowie der Marktplatz Ebay ha-
ben ihren Rückzug angekündigt. Facebook-Mana-
ger Marcus, der die Kryptosparte des Tech-Kon-
zerns leitet, erklärte prompt auf Twitter, der Druck
auf Visa und Mastercard „war riesig, und das ist
noch untertrieben“. Die Unternehmen bräuchten
Klarheit von den Regulierern, bevor sie Libra offi-
ziell unterstützen könnten. Marcus warnte davor,
Libra abzuschreiben. „Auf kurze Sicht sind das na-
türlich keine guten Nachrichten, aber es ist auf ei-
ne Art auch befreiend“, spricht er sich Mut zu.
Inzwischen ist es offensichtlich: Facebook steht
mit seinen Kryptoplänen unter steigendem Druck
von Regulierern und Notenbanken aus der ganzen
Welt. So warnte die Bank of England am Mittwoch,
dass sich Libra auf strenge Regulierungsvorschrif-
ten einstellen müsse, da die digitale Währung das
Potenzial habe, „systemisch relevant“ zu sein, also
die Stabilität des Finanzsystems gefährden könnte.
Die deutsche Finanzaufsicht Bafin hat an die Libra
Association einen umfassenden Fragenkatalog ge-
schickt. Dieser ist noch geheim, enthält nach Infor-
mationen des Handelsblatts aber unter anderem
Fragen zur Ausgestaltung von Vertragsbeziehungen
und zur geplanten technischen Funktionsweise.
Die Antworten werden derzeit vom Bundesfinanz-
ministerium geprüft, dessen Chef Olaf Scholz (SPD)
in den vergangenen Wochen mehrfach vor Libra
gewarnt hat. Den Facebook-Plan sehe er „sehr,
sehr kritisch“. „Ein Kernelement der staatlichen
Souveränität ist die Herausgabe einer Währung,
wir werden sie nicht Privatunternehmen überlas-
sen“, so Scholz.
Aber auch US-Politiker gehen streng mit Face-
book ins Gericht. So bemängeln die demokrati-
schen Senatoren Sherrod Brown und Brian Schatz,
dass der Konzern zentrale Fragen, etwa wie Geld-
wäsche und Terrorfinanzierung verhindert werden
sollen, noch nicht beantwortet hat. Facebook habe
noch nicht gezeigt, „dass es diese Risiken ernst
nimmt“. Der Versuch der Senatoren, weitere Libra-
Mitglieder zum Absprung zu bewegen, hat bereits
gefruchtet: Brown und Schatz hatten einen offenen
Brief an die Chefs von Visa, Mastercard und Stripe
geschrieben. Sollten die Firmen nicht Abstand von
Libra nehmen, dann „müssen Sie mit strengeren
Überprüfungen von Regulierungsbehörden rech-
nen, nicht nur in Bezug auf Libra, sondern für alle
Zahlungen“, heißt es darin. Die scharfe Warnung
zeigte Erfolg, die Kreditkartenunternehmen und
der Zahlungsdienstleister sind ausgestiegen. Sie
sind für ihr Kerngeschäft auf ein gutes Verhältnis
zu den Regulierern angewiesen und wollen dieses
nicht gefährden. Wie alle Mitglieder der Libra Asso-
Facebooks
steiniger Weg zur
Kryptowährung
Das „Libra“-Projekt des Tech-Konzerns gerät immer
mehr unter Druck. Nach Paypal steigen nun auch Visa,
Mastercard und Ebay aus. Während die Zweifel bei
Politikern und Ökonomen wachsen, planen Notenbanker
bereits eine staatliche Alternative zum Facebook-Coin.
Mark Zuckerberg:
Der Facebook-
Gründer mischt
die Finanzwelt auf.
dpa
Finanzen
& Börsen
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MONTAG, 14. OKTOBER 2019, NR. 197