Handelsblatt - 14.10.2019

(Michael S) #1

Andrea Cünnen, Matthias Rutkowski Frankfurt


F


ragt man bekannte Analysten wie Jür-
gen Pieper vom Bankhaus Metzler nach
der Gemütslage in der deutschen Auto-
mobilindustrie, fällt sein Urteil deutlich
aus: „Die Stimmung in der Branche ist
schlecht.“ Ähnlich bewertet die Kollegin Yasmin
Steilen von der Commerzbank die Situation. „Die
globale Automobilproduktion wird sich so schnell
nicht nachhaltig signifikant erhöhen“, sagt sie.
Das Stimmungsbild der Marktbeobachter spie-
gelt sich auch an der Börse wider. Dort stehen die
großen Autokonzerne seit mehr als vier Jahren un-
ter Druck. Doch nicht nur die deutschen Hersteller
BMW, Daimler und VW sind betroffen, sondern
auch die zahlreichen Autozulieferer. Auch sie ver-
breiten schlechte Nachrichten, und ihre Aktien ha-
ben in den vergangenen anderthalb Jahren deut-
lich verloren (siehe Grafik). Der Kursverfall lässt sie
preiswert aussehen, doch er hat seinen Grund. Der
Reifenhersteller Continental schockte in diesem
Jahr ebenso mit Gewinnwarnungen wie der Fein-
mechanik-Spezialist Schaeffler, der Lackieranlagen-
bauer Dürr, der Kabel- und Bordnetzhersteller Leo-
ni und der Hersteller von Verbindungsteilen Nor-
ma Group. Sie alle sind von politischen
Unsicherheiten und einer sich abschwächenden
Weltkonjunktur betroffen.

Das Schlimmste könnte vorbei sein


Analysten sind deshalb mit Blick auf die Autozulie-
ferer alles andere als euphorisch. Doch die gute
Nachricht ist: Das Schlimmste könnte vorbei sein.
„Mit Gewinnwarnungen aus dem Sektor rechne ich
nicht mehr“, meint Patrick Hummel von der
Schweizer Großbank UBS. Von daher sollten wohl
auch Anleger, die noch in Aktien der Autozulieferer
investiert sind, diese jetzt nicht unbedingt mit Ver-
lust verkaufen. Bei vielen Papieren lautet das Urteil
der meisten Analysten jedenfalls: halten. Für risi-
kofreudige Anleger, die langfristig anlegen wollen,
gibt es aber auch Einstiegschancen, meint zumin-
dest Pieper: „Auf mittlere Sicht sind qualitativ
hochwertige, gut gemanagte und solide finanzierte
Autohersteller und Zulieferer gute Investments.“
Aktuell ist die Lage für die deutsche Automobil-
industrie allerdings immer noch schwierig. Auf den
wichtigen Exportmärkten in China und den USA
sinkt die Nachfrage nach Neuwagen. Zusätzlich sor-
gen der Brexit, Handels- und Zollstreit für Unsi-
cherheit. Das führt weltweit zu niedrigeren Erwar-
tungen an das Wirtschaftswachstum. Genau das
hinterlässt in der konjunkturabhängigen Autobran-
che seine Spuren. Die Autoanalysten der DZ Bank
gehen inzwischen davon aus, dass die weltweite
Nachfrage nach Autos in diesem Jahr nicht nur um
vier, sondern um fünf bis sechs Prozent zurückge-
hen wird. Auch 2020 erwarte man keine Erholung,
nur einen schwächeren Abwärtstrend.
Pieper von Metzler zeichnet ein etwas optimisti-
scheres Bild. Er geht davon aus, dass die Nachfrage
aus China – dem weltweit wichtigsten Automobil-
markt – zumindest stagnieren wird, da der Bedarf
noch längst nicht gesättigt sei. Auch die Nachfrage

Schnäppchen


für Geduldige


Für deutsche Automobilzulieferer ist es an der Börse deutlich nach


unten gegangen. Ob sich die Kurse erholen werden, hängt von vielen


Faktoren ab. Die meisten Analysten raten zum Abwarten.


Autozulieferer unter Druck
Continental: Aktienkurs in Euro

HANDELSBLATT Quelle: Bloomberg

115,32 €


11.10.2017 11.10.2019


250

200

150

100

Schaeffler: Aktienkurs in Euro


7, 4 9 €


11.10.2017 11. 10 .2019


16

12

8

4

68

48

28

8

Dürr: Aktienkurs in Euro


24,31 €


11.10.2017 11. 10 .2019


62

48

34

20

Leoni: Aktienkurs in Euro


11,67 €


11.10.2017 11. 10 .2019



8

58

38

18

Norma: Aktienkurs in Euro


30,38 €


11.10.2017 11. 10 .2019


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MONTAG, 14. OKTOBER 2019, NR. 197


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