Handelsblatt - 14.10.2019

(Michael S) #1

nach Autos im nordamerikanischen Markt dürfte


sich 2020, im US-Wahljahr, stabilisieren.


Die Branche steht aber noch vor weiteren He-


rausforderungen – hier geht es vor allem um die


Transformation hin zur E-Mobilität. Autokonzerne


und Zulieferer müssen dafür viel investieren. In-


nerhalb weniger Jahre müssen sie neue Werke bau-


en oder bestehende umstrukturieren, in denen


vorher Komponenten für Verbrennungsmotoren


gefertigt wurden. Das Problem: „Viele und (gerade)


kleine und mittelständische Zulieferer haben nur


einen sehr limitierten finanziellen Rahmen, um In-


vestitionen zu tätigen“, betont Steilen von der


Commerzbank. Angesichts der aktuellen Marktsi-


tuation könne sich die finanzielle Situation bei eini-


gen Firmen verschärfen, wie jüngst die Insolven-


zen des Lackieranlagenbauers Eisenmann und des


Motorenkomponentenherstellers Weber Automoti-


ve gezeigt hätten.


Radikaler Umbau bei Continental


Immerhin haben die Automobilzulieferer die Lage


erkannt und versuchen gegenzusteuern. Der als


einziger deutscher Zulieferer im Dax notierte Rei-


fenhersteller und Fahrzeugsystembauer Continen-


tal zum Beispiel plant einen radikalen Umbau. En-


de September legten die Niedersachsen ein Spar-


paket auf, um sich für die Zukunft zu rüsten. Im


Zuge der „Transformation 2019 – 2029“ sollen in


den kommenden zehn Jahren weltweit bis zu


20 000 Arbeitsplätze wegfallen. Ab 2023 erhofft


Conti so jährlich die eigenen Bruttokosten um 500


Millionen senken zu können. Das Problem: In wel-


chem Umfang das den Nettogewinn erhöht, ist laut


Steilen unklar. Dazu spart der niedersächsische Zu-


lieferer bei seiner Antriebssparte. Ein Teilbörsen-


gang oder eine Trennung vom Geschäftsbereich Vi-


tesco Technologies ist möglich. Auch wenn viele


Analysten zum Halten der Aktie raten, macht zu-


mindest eines Hoffnung: Conti will künftig stärker


in vernetzte Fahrzeugtechnologien und Software


investieren. Genau das sehen Experten als Zu-


kunftsmarkt mit Wachstumspotenzial.


Auch der Feinmechanik-Spezialist Schaeffler


geht mit einem Sparprogramm die Kosten an. Mit


Blick auf die Zukunft setzen die Franken vor allem


auf Elektroautos. José Asumendi von der US-Bank


JP Morgan findet die Auftragslage und den Fort-


schritt in puncto E-Mobilität „vielversprechend“.


Allerdings sei eine kurzfristige Erholung der Mar-


gen unrealistisch. Von daher rät Asumendi zum


Verkauf der Schaeffler-Aktie. Sein Kursziel für den


SDax-Wert von 7,30 Euro liegt allerdings auf dem


aktuellen Niveau – und entspricht auch dem


Durchschnittskursziel der Analysten, die Schaeffler


beobachten. Von daher erscheint auch bei Schaeff-


ler ein Verkauf nicht zwingend.


In diesem Jahr haben Continental und Schaeffler


an der Börse nur noch rund fünf beziehungsweise


1,5 Prozent verloren. Viel schlimmer sieht es beim


Lackieranlagenbauer Dürr aus. Dessen Aktie ist seit
Januar um weitere 22 Prozent eingebrochen. Ana-
lysten gehen davon aus, dass es das jetzt aber erst
mal gewesen ist und sehen mit einem durch-
schnittlichen Kursziel von gut 28 Euro noch Luft
nach oben. Auch hier raten indes die meisten Ana-
lysten zum Halten. Der im MDax notierte Konzern
hat die eigene Prognose für die operative Gewinn-
marge in diesem Jahr auf fünfeinhalb bis sechs Pro-
zent gesenkt. Dies können die Baden-Württember-
ger nach Ansicht der DZ Bank aber nur erreichen,
wenn sich die Investitionsgüternachfrage im Auto-
mobilsektor nicht weiter eintrübt. Die DZ-Bank-
Analysten haben da Zweifel. Deshalb stuften sie die
Aktie zuletzt von Kaufen auf Halten herab.
Besonders skeptisch sind Analysten für Leoni,
hier rät mehr als die Hälfte der Beobachter zum
Verkauf. Mit mehr als 60 Prozent hat Leoni in die-
sem Jahr an der Börse so viel verloren wie kein an-
deres Unternehmen der Automobilbranche. Die ra-
sante Expansion der vergangenen Jahre wuchs
dem Unternehmen über den Kopf, wie der seit ei-
nem Jahr amtierende Leoni-Chef Aldo Kamper im
August einräumte. Der Schuldenberg des SDax-Un-
ternehmens hat sich enorm erhöht. In diesem Jahr
wird Leoni wohl – anders als die Wettbewerber –
einen Verlust machen. Für das nächste Jahr erwar-
ten Analysten zwar, dass Leoni wieder schwarze
Zahlen schreibt. Die Geschäftsentwicklung lasse
sich aber weiterhin nur schwer absehen, meint
Chris tian Glowa von der Privatbank Hauck & Auf-
häuser.

Kaufempfehlungen für Norma


Deutlich mehr Kaufempfehlungen als für Leoni
gibt es für den Verbindungsteilehersteller Norma
Group – obwohl das Unternehmen vor wenigen
Wochen aus dem MDax in den SDax abgestiegen
ist. Knapp 30 Prozent hat Norma in diesem Jahr
verloren. Auch Norma senkte für das laufende Jahr
die eigene Gewinnprognose. Die operative Gewinn-
marge von 13 Prozent sei dennoch höher als bei
vielen anderen Autozulieferern, begründet Pieper
von Metzler seine Kaufempfehlung. Das erste Halb-
jahr mit der Gewinnwarnung und dem überra-
schenden Abgang von Vorstandschef Bernd Klein-
hens sei wohl eine Ausnahme. Auch Franz Schall
von Warburg Research sieht die Geschäftsaussich-
ten von Norma positiv. Egal, welche Antriebstech-
nik künftig vorherrsche, Norma bleibe Weltmarkt-
führer in der Nische der Verbindungstechnik.
Was die Automobilzulieferer zum Hingucker für
Anleger macht, sind die ausgesprochen niedrigen
Kurs-Gewinn-Verhältnisse zwischen sechs und
zehn für das laufende und das kommende Jahr. Al-
lerdings ist die Frage, ob die Autozulieferer ihre Ge-
winne wieder steigern können. Dabei sind die ent-
scheidenden Fragen, ob sich die Autonachfrage
stabilisiert und die Zulieferer ihre Produktion aus-
reichend auf E-Mobilität umstellen können.

Insiderbarometer


Topmanager


werden aktiver


D


eutschlands Vorstände und Aufsichtsräte
werden wieder aktiver, wenn es um den
Handel mit Aktien der eigenen Unterneh-
men geht. In den vergangenen beiden Wochen ha-
ben sie wieder mehr Transaktionen an die Wertpa-
pieraufsicht Bafin gemeldet. Unter dem Strich sind
sie aber unentschlossen. „Sowohl die Käufe als
auch die Verkäufe haben zugelegt“, sagt Olaf Stotz,
Professor an der Privatuniversität Frankfurt
School, der die sogenannten Insidertransaktionen
regelmäßig für das Handelsblatt auswertet. Ent-
sprechend hat sich auch das aus den Käufen und
Verkäufen abgeleitete Insiderbarometer in den ver-
gangenen beiden Wochen kaum verändert. Mit 121
Punkten notierte es gerade mal einen Punkt über
dem Stand vor zwei Wochen.
Stotz berechnet das Insiderbarometer alle zwei
Wochen gemeinsam mit den Experten von Com-
merzbank Wealth Management für das Handels-
blatt. Seit Mitte September notiert es bei rund 120
Punkten und damit auf dem niedrigsten Stand seit
anderthalb Jahren. Die 120 Punkte signalisieren in-
des immer noch, dass sich Aktien auf Sicht von
drei Monaten besser entwickeln sollten als andere
Anlageklassen. Stotz interpretiert das aktuell so,
dass Anleger im Dax von einer Fortsetzung des
Seitwärtstrends ausgehen sollten.
Für taktisch orientierte Anleger bedeutet dies,
dass sie höhere Kurse zu Verkäufen und fallende
Kurse zum Einstieg nutzen könnten. Genau so ma-
chen es häufig die Vorstände und die Aufsichtsräte.
So gab es zuletzt den größten Verkauf beim Medi-
zin- und Strahlentechnikspezialisten Eckert & Zieg-
ler. Gründer und Unternehmenschef Andreas
Eckert trennte sich von Aktien über gut zehn Mil-
lionen Euro. In den vergangenen beiden Jahren ist
die Eckert-&-Ziegler-Aktie um 355 Prozent in die
Höhe geschnellt – und damit über diesen Zeitraum
der größte Gewinner im SDax der Kleinunterneh-
men. Inzwischen wird die Aktie mit dem mehr als
33-Fachen ihres für das kommende Jahr erwarte-
ten Gewinns bewertet. Damit gilt sie als recht teuer.
Den größten Kauf gab es zuletzt bei United Inter-
net. Vorstandschef und Großaktionär Ralph Dom-
mermuth kaufte Aktien für 16,2 Millionen Euro und
baute so seine Beteiligung auf 40,2 Prozent aus.
Dommermuth will United Internet zum vierten
Netzbetreiber in Deutschland machen und hat vom
Bund Frequenzen für den Netzaufbau des Echtzeit-
mobilfunks 5G erworben. Seit er die teuren Aus-
baupläne im Sommer 2018 verkündet hat, verlor
die Aktie mehr als 30 Prozent. Den Konzernchef
reizte das offenbar zum Einstieg. Andrea Cünnen

Die globale


Automobil-


produktion


wird sich so


schnell nicht


signifikant


erhöhen.


Yasmin Steilen
Analystin bei der
Commerzbank

 
      
 
 



   
 
 


  


 
 

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MONTAG, 14. OKTOBER 2019, NR. 197


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