Handelsblatt - 14.10.2019

(Michael S) #1

Dirk Wohleb Düsseldorf


F


ast vier von fünf Deut-
schen sorgen sich nach
einer repräsentativen
Umfrage der Organisation
für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung
(OECD) um ihre finanzielle Lage im
Alter. Immerhin 76 Prozent von 1 000
Befragten zwischen 18 und 70 Jahren
nennen die Rente als zentrales The-
ma. Doch viele wissen nicht, wie viel
sie zurücklegen sollten. Faustformeln
können dabei helfen. So sollten Rent-
ner laut einer Studie der Fondsgesell-
schaft Fidelity beim Renteneintritt
das Zehnfache ihres Bruttoeinkom-
mens zurückgelegt haben.
Um dieses Ziel zu erreichen, soll-
ten Sparer früh beginnen, um den
Zinseszinseffekt voll auszuschöpfen.
Die Ratingagentur Franke und Born-
berg hat für das Handelsblatt das An-

gebot der Versicherungen für die Al-
tersvorsorge analysiert. Zum einen
private Rentenversicherungen, die
der Staat nicht fördert (siehe Tabelle
rechts „Die besten privaten Renten-
versicherungen“). Zum anderen die
geförderten Riester- und Rürup-Pro-
dukte. Alle Ergebnisse können Sie auf
http://www.handelsblatt.com sehen.
Franke und Bornberg hat die Boni-
tät der Versicherungen, die Qualität
der Tarife und Leistungen umfassend
bewertet. Bei der Auswahl ist es ent-
scheidend, dass die Produkte zu den
individuellen Zielen und der Risiko-
bereitschaft passen. „Die geförderten
Produkte wie Riester und Rürup sind
für bestimmte Zielgruppen attraktiv,
müssen aber im Einzelfall nicht im-
mer die beste Lösung sein. Deswegen
ist ein ausführlicher Vergleich unver-
zichtbar“, sagt Michael Franke, Ge-

schäftsführer der Ratingagentur
Franke und Bornberg.
Der Markt für private Rentenversi-
cherungen verändert sich stark: „Pro-
dukte mit Garantie und einer Über-
schussbeteiligung aus Zinsanlagen
werden immer weniger angeboten
und nachgefragt. Der Grund liegt auf
der Hand: Wegen des Zinstiefs sind
die Überschussbeteiligungen seit Jah-
ren rückläufig“, erklärt Franke.
Private Rentenversicherungen mit
Indexbeteiligung und voller Garantie
sind dagegen stark gefragt: „Sie bie-
ten Anlegern auf der einen Seite viel
Sicherheit und eine Garantie der ein-
gezahlten Beiträge, sie profitieren
aber von den Zuwächsen an Aktien-
märkten“, erklärt Franke.
Ein Beispiel dafür sind die Produk-
te „PrivatRente IndexSelect RIU 2“
und „PrivatRente IndexSelect Plus

RIU 2“ der Allianz, die mit 98 Punk-
ten am besten abschneiden. Die Pro-
dukte überzeugen im Hinblick auf Fi-
nanzkraft, das Rating und auch die
Rente. Dabei werden die Beiträge
nach Abzug der Kosten im Siche-
rungsvermögen der Allianz angelegt,
um die Garantie der Beiträge sicher-
zustellen. Bei IndexSelect können
Anleger an der Kursentwicklung des
europäischen Aktienindexes Euro
Stoxx 50 profitieren, bei IndexSelect
Plus steht der breite US-Aktienindex
S&P 500 zusätzlich zur Auswahl.
Beim Tarif „IndexClever“ der Würt-
tembergischen Lebensversicherung
bekommen Anleger Zuwächse aus ei-
nem gemischten Anlageportfolio zu
92 Prozent gutgeschrieben. Das wa-
ren im vergangenen Jahr 2,9 Prozent.
Versicherte können sich auch für die
Überschussbeteiligung entscheiden.
Eine weitere Variante sind fonds-
orientierte Rentenversicherungen,
die 80 Prozent der Beträge garantie-
ren. Entsprechend größer ist der
Spielraum der Versicherungen bei
der Geldanlage. Beim mit der Bestno-
te ausgezeichneten Tarif „Premium
Rente“ der Huk-Coburg wird das
Geld so angelegt, dass zu Rentenbe-
ginn 80 Prozent der Beiträge garan-
tiert sind. Der restliche Betrag kann
in bis zu acht Fonds investiert wer-
den. Darüber entscheiden die Versi-
cherten selbst. „Ein Fondswechsel ist
jederzeit möglich. Innerhalb eines
Vertrags kann der Kunde in fünf ver-
schiedene Fonds investieren“, erklärt
die Huk-Coburg. Auf 80 Fonds von
mehr als 30 Anbietern sowie sechs
Depots können Anleger beim Tarif
„Rente Invest Garant Tarif RIG“ der
Continentale zurückgreifen. „Dabei
kann der Kunde individuell zehn
Fonds kombinieren oder ein zusam-
mengestelltes Portfolio wählen“, teilt
die Versicherung auf Anfrage mit.

Freie Wahl von Fonds
Wer ganz auf Sicherheit verzichten
möchte, für den können Fondslösun-
gen ohne Garantie eine Alternative
sein. Das eröffnet mehr Spielraum
bei der Investmentstrategie. So wie
beim Tarif „fondsgebundene Renten-
versicherung E-FR“ der Europa Versi-
cherung. Dabei stehen 24 Invest-
mentfonds oder vier Anlagepläne mit
unterschiedlichen Risikoprofilen zur
Auswahl. „Der Kunde kann bis zu
zehn Fonds gleichzeitig miteinander
kombinieren oder einen Anlageplan
individuell ohne Ausgabeaufschlag
wählen“, so ein Sprecher der Europa
Versicherung. Diese Form der Vor-
sorge ist vor allem für erfahrenere
Anleger geeignet.
Die Auswertung macht deutlich: Je
größer der Fondsanteil bei den priva-
ten Rentenversicherungen ausfällt,
desto höher sind in der Regel auch
die Kosten. Das ist auch der Grund
dafür, dass die Rentenzahlungen in
der Modellrechnung von Franke und
Bornberg bei Produkten mit voller
Beitragsgarantie bei gleichen Annah-
men meist höher ausfallen als in Tari-
fen, die nur 80 Prozent der Beiträge
oder überhaupt keinen Betrag garan-
tieren. So bringt der Tarif „PrivatRen-
te IndexSelcect RIU2“ der Allianz bei
voller Garantie der eingezahlten Bei-
träge bei einer unterstellten Wertent-
wicklung von drei Prozent im Muster-
fall eine monatliche Rente von 201,22
Euro, der Tarif von Europa in der rei-
nen Fondsvariante dagegen nur eine
monatliche Rente von 157 Euro.
Anleger sollten sich aber nicht von
dieser Rechnung leiten lassen. Zwar
ist die Kostenbelastung größer, dafür
sind die Renditeaussichten bei den
reinen Fondsvarianten ohne Garantie
deutlich besser.

Getty Images

Musterfall: Die
Ratingagentur
Franke und Born-
berg geht bei ihrem
Test von einer
32-jährigen Person
aus, die 35 Jahre
lang 100 Euro
monatlich in eine pri-
vate Rentenversiche-
rung einbezahlt. Bei
der Variante Klassik
mit Indexbeteiligung
erhalten Anleger
eine Garantie auf das
eingesetzte Kapital.
Sie können von
Zuwächsen am
Aktienindex profitie-
ren. Bei der Variante
fondsorientiert mit
Garantie für 80 Pro-
zent der Beiträge
partizipieren Versi-
cherte an Gewinnen
von Investment-
fonds. In der reinen
Fondsvariante ver-
zichten Anleger auf
eine Garantie.

Bewertung: Franke
und Bornberg hat die
Finanzkraft, das
Rating und die Ren-
tenhöhe berücksich-
tigt. Die Finanzkraft
wurde anhand des
„map-reports“
bewertet. Beim
Rating untersuchten
Experten die Qualität
der Verträge, wie fle-
xibel sie gestaltet
sind, ob Versicherte
zum Beispiel zusätzli-
che Zahlungen leis-
ten können. Die Ren-
tenhöhe zeigt an, wie
sich die Zahlungen
bei vorgegebenen
Renditen entwickeln
würden und spiegeln
damit die Kostenbe-
lastung wider. Bei
Indexprodukten und
der fondsorientierten
Lösung mit Garantie
für 80 Prozent geht
die Finanzstärke zu
20 Prozent, Qualität
und Rentenhöhe mit
jeweils 40 Prozent
ein. Bei der reinen
Fondsvariante macht
die Finanzkraft dage-
gen nur zehn Prozent
aus, Qualität und
Rentenhöhe werden
jeweils mit 45 Pro-
zent gewichtet.

Methode


Private Rentenversicherung


Den Lebensabend


ohne finanzielle


Sorgen genießen


Anleger sollten früh mit der Altersvorsorge


beginnen. Ein Ranking zeigt, welche privaten


Rentenversicherungen sich am besten eignen.


Rentnerpaar im Urlaub:
Viele Menschen
unterschätzen die
Vorsorgelücke im Alter.

Spezial


MONTAG, 14. OKTOBER 2019, NR. 197


36

Free download pdf