Neue Zürcher Zeitung - 15.10.2019

(Barry) #1

34 REFLEXE Dienstag, 15. Oktober 2019


Wenig Begeisterung für wirtschaftspolitisches Programm


Deutscher Gegenwind

für Ursula von der Leyen

René Höltschi,Berlin·Die designierte nächste Che-
fin der EuropäischenKommission, Ursula von der
Leyen,hatkeinen einfachen Start. Soeben hat das
EU-Parlament nach Kandidaten ausRumänienund
Ungarn mit derFranzösinSylvieGoulardeinedritte
Anwärterin für einenPosten in ihrer künftigenKom-
mission zurückgewiesen.Undnun bläst ihrauch noch
Gegenwind aus der eigenen Heimat entgegen:Laut
einer am Montag veröffentlichten Umfrage,die das
Ifo-Institut imAuftrag der StiftungFamilienunter-
nehmen bei1431 deutschen Unternehmen durch-
geführt hat, stösst ihr wirtschaftspolitisches Pro-
gramm auf grosse Skepsis. So findet nur eines von
fünf wirtschaftspolitischenReformvorhaben,die
Ursula von der Leyen im Sommer in ihre politischen
Leitlinien aufgenommen hat, bei den Unternehmen
breite Zustimmung: Eine gemeinsame, konsolidierte
Bemessungsgrundlage für dieKörperschaftssteuer,
welche die Steuervermeidung erschweren und den
bürokratischenAufwandreduzieren würde, befür-
worteten 68,2% derTeilnehmer.Allerdings nimmt
von der Leyen hiermit einVorhaben auf, das die

Kommission schon seit 2011 verfolgt, ohne dass sich
die Mitgliedstaaten je darauf einigenkonnten.
49,4% der Befragten lehnen eine europäische
Arbeitslosenrückversicherung ab, nur17,4% sind
dafür, derRest ist neutral oder hatkeine Meinung.
Doch auch ein Euro-Zonen-Budget, eine gemein-
sameBank-Einlagensicherung oder eine EU-weite
Pflicht zur Einführung nationaler Mindestlöhne
stösst bei den Unternehmern auf mehr negative als
positive Stimmen. Stattdessen wünschen sich diese
unteranderem Massnahmen zur Stärkung der glo-
balenWettbewerbsfähigkeit, mehr Handelsabkom-
men der EU, aber auch mehr Engagement für den
Klimaschutz und gegen Steuervermeidung.
Auch wenn man solche Umfragen nicht über-
schätzen darf, sollte das Ergebnis von der Leyen
zu denken geben.Im Buhlen um sozialdemokrati-
sche Stimmen im EU-Parlament hat die Christlich-
demokratin einige ihrer Pflöcke ziemlich weit links
eingeschlagen.Damit riskiert sie nun, die Unter-
stützung derWirtschaft für das Projekt EU weiter
zu schwächen – und dies nicht nur in Deutschland.

Rudolf Hermann·Ab dem1.Mai 2029 ist inFinn-
land dieStromerzeugung ausKohle illegal; dies hat
dasParlament desLandes vor gut einem halbenJa hr
beschlossen.DieAbwendung von derKohle, dieder-
zeit noch rund 8% des finnischen Strommixes aus-
macht, steht im Zeichen des Klimaschutzes, den man
hier,wie auch andernorts in Nordeuropa,sehrernst
nimmt.Weshalb aber hat der halbstaatliche finnische
EnergieversorgerFortum seit 20 17 rund6Mrd.€
aufgeworfen, um sich den inDüsseldorf ansässigen
Uniper-Konzern einzuverleiben?Eine Gesellschaft,
die in bedeutendem Masse inKohle und andere fos-
sile Energieträger investiert hat und 20 18 mit knapp
60 Mio.tCO 2 -Äquivalent ebenso vieleTr eibhaus-
gase in die Atmosphäre pustete wie ganzFinnland?
Das fragt sich beispielsweise der unabhängigefin-
nischeParlamentsabgeordnete Harry Harkimo. Erst
vorWochenfrist wurde bekannt, dassFortum inzwi-
schen den Anteil an Uniper von 50 auf 70% aufge-
stockthat.Ausder Sicht vonFortumgeschah dies
mit dem Ziel,als Mehrheitseigner die Strategien der
beidenKonzerne besser aufeinander abstimmen zu

können –geradeauch für das Ziel des Klimaschutzes.
Laut demFortum-CEOPekka Lundmark will der
finnische Energieproduzent nämlich eine führende
Rolle auf demWeg in eine grünere Zukunft spielen.
Nurkomme man nicht über Nacht dorthin. In der
Zwischenzeit gelte es den Übergang zu emissions-
armer Stromerzeugung, die in der heutigenRealität
schwankend und noch sehr von teuren Stromspei-
chern abhängig sei, durch günstige und versorgungs-
sichere Produktion zu unterstützen.Auf fossile Ener-
gieträgerkönne mandeshalb nicht sofort verzichten.
Das wird Kritiker wie Harkimo kaum überzeu-
gen.Tatsächlich bleibt abzuwarten, wie Uniper,
dessen Produktionskapazität von 36 GW zu rund
50% auf Erdgas und 30% aufKohle abstellt, etwa
mit perspektiv wachsenden Preisen für Emissions-
rechte zurechtkommen wird. BeiFortum glaubt
man jedenfalls, die Dekarbonisierung der Energie-
produktion in den schwarzen Zahlen bewältigen zu
können. UndFinnlandsRegierung als Mehrheits-
aktionärin gelobte, demKonzern dabei sehr genau
auf dieFinger zu schauen.

Finnischer Energieproduzent übernimmt deutschen Uniper-Konzern


Mit Kohlestrom

das Klima schützen?

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AntwortenaufdieseundvieleweitereFragen
verrätIhnenDaniel Friedli,RedaktorInland
«NZZamSonntag»,beimBesuchunterder
Bundeshauskuppel. AufdemRundgangerhalten
SiezudemEinblickeindie architektonischen
Geheimnissedes Parlamentsgebäudes.Des
WeiterentreffenSie einprominentesMitglieddesParlamentsund
erfahrenWissenswertesaus demAlltageinesPolitikers.Im
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MitDanielFriedli, RedaktorInland«NZZamSonntag»

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