Handelsblatt - 15.10.2019

(やまだぃちぅ) #1

Stefan Menzel Düsseldorf


D

ie Steigerungsraten sind beeindru-
ckend. Die Zahl der in Deutschland
im September neu zugelassenen
Elektroautos ist im Vergleich zum
Vorjahresmonat um 150 Prozent ge-
stiegen. Bei den Plug-in-Hybriden beträgt der Zu-
wachs immerhin noch mehr als 50 Prozent. Das ist
nur ein Anfang. Der Zuwachs wird wohl auch in
den kommenden Monaten anhalten, er könnte so-
gar noch größer werden. Besonders im nächsten
Jahr, wenn viele neue Elektroautos auf den Markt
kommen werden.
Der Haken dabei: In absoluten Zahlen ist das
E-Geschäft noch klein: Keine 6 000 neuen Batterie-
autos sind im September zugelassen worden. Doch
die Autohersteller haben 2020 zum Jahr des Um-
bruchs erklärt. Opel startet mit dem Verkauf des
E-Corsa, Volkswagen bringt seinen neuen ID.3 zu
den Händlern. Porsche hat den Taycan im Ange-
bot, Jaguar den I-Pace, und sogar bei kleineren ja-
panischen Herstellern wie Honda und Mazda sind
die ersten rein batteriegetriebenen E-Autos in Vor-
bereitung. Die süddeutschen Premiumhersteller
Audi, Daimler und BMW wollen besonders mit
neuen Plug-in-Hybriden punkten.
Doch das unternehmerische Risiko bei den Elek-
troautos ist groß. Niemand weiß so richtig, ob die
Kunden die neuen Fahrzeuge überhaupt anneh-
men werden. Denn noch ist die Ladeinfrastruktur
nicht flächendeckend aufgebaut. Deshalb suchen
die großen Autohersteller in allen denkbaren Be-
reichen nach Mitstreitern, die den Verkauf der
neuen Elektroautos zusätzlich ankurbeln können.
Als neuesten möglichen Unterstützerkreis haben
die Autohersteller ihre eigenen Händler entdeckt.
Die sind darüber jedoch alles andere als erfreut.

Neue Bonusregel sorgt für Unmut


Am weitesten sind die Überlegungen bei der Ingol-
städter VW-Tochter Audi gediehen. Der süddeut-
sche Premiumhersteller gestaltet sein Margen- und
Bonussystem so um, dass die eigenen Händler
schon im kommenden Jahr eine ausreichende Zahl
von Elektroautos verkaufen werden, so zumindest
die Hoffnung von Audi.
Audi-Händlern wird der komplette Bonus im
nächsten Jahr nur noch dann ausgezahlt, wenn
sie eine bestimmte Zahl von rein batteriegetriebe-
nen Elektroautos und von Plug-in-Hybriden ver-
kaufen. 20 Prozent der verkauften Audi-Fahrzeu-
ge müssen künftig einen E-Antrieb besitzen, sonst
wird es nichts mehr mit dem vollen Bonus.

„Wir haben die Bestandteile unseres Bonussys-
tems angepasst und hier einen neuen Baustein für
Elektromobilität aufgenommen“, bestätigt eine Au-
di-Sprecherin in Ingolstadt. Wie der gesamte VW-
Konzern habe sich die bayerische Premiumtochter
dazu entschieden, die Vorgaben des Pariser Kli-
maabkommens einzuhalten. Audi wolle die Koh-
lendioxid-Emissionen bis zum Jahr 2025 über den
gesamten Produktlebenszyklus Schritt für Schritt
um 30 Prozent reduzieren, im Vergleich zum Refe-
renzjahr 2015.
Über das neue Bonussystem leisteten auch die
Audi-Händler ihren Anteil dazu. „Mit der Aufnah-
me des neuen Bausteins schaffen wir einen zusätz-
lichen Anreiz für unsere Partner, elektrifizierte Mo-
delle zu verkaufen“, sagte die Audi-Sprecherin.
Der neue Elektrobaustein von Audi hat durchaus
Gewicht. Branchenüblich ist eine Händlermarge von
etwa 15 Prozent des Kaufpreises. Davon entfallen bei
Audi vom kommenden Jahr an allein 1,5 Prozent-
punkte auf den neuen Elektro-Bonus der Händler,
verlautet aus Unternehmenskreisen.
Auf Händlerseite stoßen die Überlegungen der
Autohersteller allerdings nicht auf ungeteilte Zu-
stimmung. Der Zentralverband Deutsches Kraft-
fahrzeuggewerbe (ZDK), die Interessenorganisation
von Kfz-Betrieben und Werkstätten, sieht darin
vielmehr einen Versuch, Verantwortung auf die
Händler abzuwälzen. Die Autohersteller hätten ih-
re Modellpaletten einfach früher auf die verschärf-
ten Kohlendioxid-Normen umstellen sollen, lautet
die Kritik.

„Mit dieser Vorgehensweise bestraft der Herstel-
ler seine Handelsorganisation für die eigenen Unzu-
länglichkeiten“, sagt ZDK-Vizepräsident Thomas
Peckruhn. Die Händler müssten Fahrzeuge für den
Straßenverkehr zulassen, die bei den derzeitigen
Rahmenbedingungen nicht zu verkaufen seien. Auf
andere lukrative Geschäfte müsse der Autohandel
unter Umständen verzichten. „Das ist aus Sicht des
Handels nicht zu tragen und widerspricht jeglichem
kaufmännischen Denken“, beklagt Peckruhn.
Doch der Druck auf die Autohersteller ist gewal-
tig. Von 2020 an gelten in der Europäischen Union
verschärfte Grenzwerte für die Kohlendioxid-Belas-
tungen aus dem Straßenverkehr. Diese neuen
Grenzwerte lassen sich mit klassischen Benzin- und
Dieselmotoren nicht erreichen. Das geht nur, wenn
auch Elektroautos und Hybride in größerer Zahl
verkauft werden. Gelingt das nicht, drohen den
Herstellern Geldbußen in Milliardenhöhe, die sie
unbedingt vermeiden wollen.

Händler werden zu Agenten


Und so ist das Thema Einbindung der Händler in die
E-Strategie überall eines, das gerade diskutiert wird.
Die Audi-Mutter VW in Wolfsburg ist zwar noch
nicht ganz so weit. Doch es dürfte maximal noch
ein Jahr dauern, bis es auch dort für die VW-Händ-
ler einen Elektro-Bonus gibt.
„2020 lohnt sich das nicht, weil es noch nicht ge-
nügend E-Autos gibt“, heißt es aus Händlerkreisen.
Die Produktion des neuen Elektromodells ID.3 wer-
de zwar im Laufe des nächsten Jahres nach und

Frisch gebaut:
E-Autos warten
auf Kunden.

action press

Nach


mehreren


Jahren der


guten und


besten


Ergebnisse


sehe ich


sehr düstere


Wolken über


unserem


Geschäft.


Dirk Weddigen von
Knapp
Volkswagen und Audi
Händlerverband

E-Prämie


für Autohändler


Der Einstieg in die Elektromobilität ist ein unsicheres Geschäft.


Die Autohersteller wollen die Händler dazu bewegen,


es stärker zu unterstützen – mit einem neuen Bonussystem.


Doch die sind wenig begeistert.


Unternehmen


& Märkte


DIENSTAG, 15. OKTOBER 2019, NR. 198


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