Handelsblatt - 15.10.2019

(やまだぃちぅ) #1
Elektro-Pkws
Monatliche Neuzulassungen
in Deutschland

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HANDELSBLATT • Quelle: KBA

Jan. 2018 Sept. 2019


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nach hochgefahren, doch die Stückzahlen blieben


voraussichtlich vergleichsweise niedrig. Das werde


sich 2021 ändern, wenn noch weitere E-Modelle bei


VW dazukämen.


Trotzdem setzt Volkswagen bei seinen Händlern


auch im nächsten Jahr schon Neuerungen durch.


So soll der neue ID.3 von den Händlern im soge-


nannten Agenturgeschäft verkauft werden. Bislang


werden Neuwagen im alten Geschäftsmodell an die


Händler ausgeliefert, die die Fahrzeuge dann im ei-


genen Namen und auf eigene Rechnung verkaufen.


Im Agenturgeschäft bleibt der ID.3 im Eigentum


von Volkswagen, die Händler sind nur noch als Ver-


mittler zum Kunden dazwischengeschaltet.


Volkswagen bekommt damit mehr Zugriff auf


den Verkauf der Autos. Ein VW-Sprecher begrün-


dete die Einführung des Agenturmodells damit,


dass die neuen ID-Fahrzeuge „hochbegehrliche


Produkte“ seien, was durch den Verkauf im Agen-


turgeschäft „optimal unterstrichen werden kann“.


Volkswagen könne damit hohe Preisstabilität und


hohen Produktwert sicherstellen. Die Händler wie-


derum verlieren an eigenem Spielraum, weil sie


den Endpreis eines Autos für die Kunden nicht


mehr selbst setzen können.


Prämie für App-Nutzung


Die Marke Volkswagen will damit nicht nur errei-


chen, dass die Kunden künftig die neuen E-Fahr-


zeuge kaufen. Die Wolfsburger wollen die Käufer


von Neuwagen auch dazu bewegen, verstärkt


neue digitale Produkte zu nutzen. Dazu gehört: Je-


des neue Auto wird in ein VW-eigenes Netzwerk


eingeloggt. Wenn Händler zum Beispiel viele Kun-


den dazu bewegen, eine neue „Connect“-App zu


benutzen, bekommen sie dafür einen zusätzlichen


Bonus.


Die Umstellung des Bonussystems für die Auto-


händler auf neue Elektro- und Digitalbausteine ist


kein Thema, mit dem sich allein Volkswagen und


die Tochtermarken des Konzerns beschäftigen. Die


gesamte Branche muss sich angesichts der ver-


schärften Kohlendioxid-Grenzen überlegen, wie sie


neue Elektrofahrzeuge am besten verkauft. Des-


halb wird auch bei anderen Herstellern über ent-


sprechende Bonusmodelle nachgedacht.


Unter den deutschen Herstellern gehört bei-


spielsweise Opel dazu. Allerdings stellt das Rüs-


selsheimer Unternehmen solche Überlegungen


nicht allein an. Auch bei der französischen Mut-


tergesellschaft von Opel, dem PSA-Konzern, dürf-


te es nicht mehr lange dauern, bis entsprechende


neue Bonusmodelle für die Händler greifen. Un-


ter den japanischen Herstellern ist bislang vor al-


lem Mazda mit vergleichbaren Gedankenspielen


aufgefallen.


Damit steht fest: Die besten Zeiten sind für die


Autohändler erst einmal vorbei. „Haben Sie einen


Plan B in der Tasche, und bereiten Sie sich vor“,


sagte Dirk Weddigen von Knapp, Chef des deut-


schen VW- und Audi-Händlerverbands, vor weni-


gen Tagen auf einem Treffen seiner Organisation.


„Nach mehreren Jahren der guten und besten Er-


gebnisse sehe ich sehr düstere Wolken über unse-


rem Geschäft“, betonte er.


Marktexperten halten es für unvermeidlich, dass


sich das Verhältnis zwischen Hersteller und Händ-


ler grundlegend ändern muss. „Das ist angesichts


sinkender Margen im klassischen Neuwagenge-


schäft und starker Konkurrenz durch Online-Platt-


formen dringend notwendig“, sagt Johannes Tren-


ka, Managing Director bei Accenture Strategy. In


Zukunft würden die Händler als Agenten des Her-


stellers auftreten, die bestimmte Dienstleistungen


wie Probefahrten oder die Fahrzeugübergabe über-


nähmen und dafür auch bezahlt würden. Händler


könnten versuchen, neue eigene Geschäftsfelder


wie Carsharing und Microleasing aufzubauen.


Eines zeichnet sich in jedem Fall ab: Die grundle-


genden Veränderungen, die sich im Autohandel ab-


zeichnen, werden dazu führen, dass die Zahl der


eigenständigen Betriebe schrumpft. „Die Konsoli-


dierung geht weiter“, heißt es dazu auch bei Volks-


wagen in Wolfsburg. Die VW-Organisation zählte


im Jahr 2008 gut 1200 Handelsbetriebe in Deutsch-


land, 2016 waren es noch rund 1050. Im Herbst


dieses Jahres sind davon etwa 980 geblieben.


Kfz-Gewerbe


Vertriebshäuser


unter Druck


D


er heimische Autohandel ist noch immer
eine Macht. Mehr als 440 000 Menschen
in Deutschland arbeiten im Kfz-Gewerbe.
Alleine die 100 größten Händlergruppen der Re-
publik generieren zusammengerechnet etwa
40 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr. Dennoch ha-
ben viele vermehrt Grund zu klagen. Ihr Einfluss
nimmt ab, die ohnehin mageren Renditen brö-
ckeln, und der Absatz schwächelt. Die Folge: Ins-
gesamt schrumpft die Anzahl der Beschäftigten
in der Branche seit einigen Jahren.
Der Strukturwandel der Autoindustrie trifft die
Vertriebshäuser besonders hart. Durch den Um-
schwung auf die Elektromobilität droht insbeson-
dere das margenträchtige Ersatzteilgeschäft weg-
zubrechen, da Verschleißteile wie Kolben bei Bat-
terieautos entfallen. Die kurzfristig größte
Bedrohung für ihr Geschäftsmodell sehen die
Händler aber nicht in dem bevorstehenden
Boom von Elektroautos und dem damit einherge-
henden CO 2 -Bonus-Systemen: Es ist der wachsen-
de Konkurrenzdruck untereinander.
Das geht aus einer aktuellen Studie von Accen-
ture hervor, für die die Beratung 360 Händler in
Deutschland, Frankreich und Großbritannien be-
fragt hat. Fast 40 Prozent der Teilnehmer sehen
demnach ihr Geschäft durch die Konkurrenz von
anderen Autohäusern bedroht. Zudem machen
vielen Händlern der zunehmende Onlinevertrieb
sowie Vergleichsplattformen zu schaffen. Fahr-
zeughersteller wie Daimler wollen bis 2025 be-
reits ein Viertel ihrer Autos digital verkaufen.
Die Daten von Accenture zeigen auch: Mehr als
die Hälfte der Autohäuser haben gerade bei ih-
rem Onlineangebot Nachholbedarf. So ermögli-
chen nur 43 Prozent der befragten Händler ihren
Kunden, einen Werkstatttermin oder eine Probe-
fahrt online zu buchen. Schlimmer noch: Gerade
einmal 29 Prozent der Befragten verfügen über-
haupt über eine eigene Webseite.
Klassische Händlernetze sind teuer. Mit bis zu
30 Prozent Kostenanteil für Vertrieb und Distri-
bution leistet sich die Autoindustrie aktuell noch
ein System, das im Branchenvergleich aufgebläht
und überholt wirkt. Gerade im anbrechenden
Elektrozeitalter versuchen die Autobauer, überall
zu sparen. Die Händler könnten die Leidtragen-
den dieser Entwicklung sein. Insbesondere Glas-
paläste am Stadtrand empfinden heute viele
Fahrzeughersteller als überdimensioniert. Die
Kundschaft wird illoyaler, Marken spielen eine
geringere Rolle aus früher.

Konkurrenz durch Onlineverkauf


Die Folge: Die Autobauer versuchen verstärkt,
dorthin zu gehen, wo ihre Kunden ohnehin sind,
etwa in die Innenstädte. Der kalifornische Elek-
tropionier Tesla hat vorexerziert, wie ein schlan-
ker Vertrieb heute funktionieren kann. Konfigu-
riert und bestellt werden die Elektroflitzer on-
line, dazu gibt es kleine Showrooms in bester
Lage. Das Beispiel Tesla zeigt aber auch: Ganz oh-
ne stationären Handel wird es auch künftig nicht
gehen. Seinen Plan, Tesla-Autos nur noch im In-
ternet zu verkaufen, musste Firmenchef Elon
Musk im Frühjahr bereits wenige Wochen nach
der Ankündigung wieder beerdigen.
Klassische Automarken wie Mercedes, VW
oder BMW betonen ohnehin bei jeder sich bie-
tenden Gelegenheit, wie wichtig die Zusammen-
arbeit mit ihren Händlern auch künftig sein wird.
Dennoch wollen die Fahrzeughersteller selbst die
Oberhand über die Daten der Kunden erhalten
und planen, ihre Autos verstärkt per Direktver-
trieb zu verkaufen. Machen die Hersteller mit ih-
ren Plänen ernst, fürchten 38 Prozent der von Ac-
centure befragten Händler, dass ihr Absatz von
Neufahrzeugen einbrechen wird. Dass der statio-
näre Handel dadurch völlig überflüssig wird, er-
wartet aber nur eine Minderheit. Franz Hubik

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HÄNDLER


gibt es aktuell im VW-Reich.
2008 waren es noch 1200
Handelsbetriebe. Experten erwarten
eine weitere Konsolidierung.

Quelle: Volkswagen


Audi Aicon: Das
E-Konzeptauto
wurde auf der
IAA gezeigt.

Bloomberg

Unternehmen & Märkte


DIENSTAG, 15. OKTOBER 2019, NR. 198


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