Auch Vertreter des Ölkonzerns sol-
len an den Gesprächen in London
teilnehmen. „Das Special Consulta -
tive Meeting ist eine wichtige Gele-
genheit, sich den Fragen der in der
Ospar vertretenen Regierungen zu
stellen“, sagt der Shell-Sprecher.
Bei dem anstehenden Treffen der
15 Ospar-Mitgliedstaaten am 18. Okto-
ber wollen die Kritiker noch einmal
versuchen, London umzustimmen.
Viel Hoffnung auf eine überraschen-
de Kehrtwende macht sich das Bun-
desumweltministerium allerdings
nicht.
„Großbritannien ist auf seinem
Staatsgebiet souverän und kann letzt-
lich trotz formaler Einwände anderer
Staaten allein über das Schicksal der
Plattformen entscheiden“, sagt ein
Sprecher des Ministeriums. Eine
rechtliche Handhabe habe Deutsch-
land letztlich also nicht.
Bereits Mitte der 1990er-Jahre woll-
te Shell einen seiner Öltanks, die
„Brent Spar“, samt 100 Tonnen
schwermetallhaltigen Ölschlamms
und 30 Tonnen radioaktiver Salz-
kruste aus der Nordsee schleppen
und in 2 300 Meter Tiefe im Atlantik
versenken. Damals scheiterte das
Vorhaben allerdings am spektakulä-
ren Protest einiger Umweltschützer
und dem beispiellosen Boykott von
Shell – vor allem in Deutschland.
Pro Sieben Sat 1
Wilde Werbung
Klassische TV-Reklame
stagniert. Daher setzt Pro
Sieben auf ungewöhnliche
Formate – wie mit dem
Gebäckhersteller Bahlsen.
Joachim Hofer München
W
ohl und Wehe von Pro
Sieben Sat 1 hängen an
der Fernsehreklame. Die
allerdings wandelt sich gerade mas-
siv. Das Geschäft mit klassischen TV-
Spots stagniert. Dafür buchen die
Kunden immer häufiger Sonderwer-
beformen, die weit über die her-
kömmlichen, 20 Sekunden langen
Clips hinausgehen.
Ein prominentes Beispiel: die Bahl-
sen-Werbung an diesem Dienstag-
abend in der TV-Serie „Jerks“ auf Pro
Sieben. Der Werbespot kommt direkt
in der Handlung vor, den Schauspie-
ler Fahri Yardim für „Pick up“-Kekse
im Jahr 2006 gedreht hat. Einer der
Beteiligten zeigt das Video auf sei-
nem Smartphone. Diese Szene leitet
fast nahtlos in die anschließende,
neue „Pick up“-Kampagne des Süß-
warenherstellers im regulären Wer-
beblock über. Dort treten Yardim und
sein „Jerks“-Partner Christian Ulmen
für Bahlsen auf.
Eine beispielhaft gute Zusammenar-
beit mit einem Werbekunden sei das,
so Tom Schwarz. Der Manager leitet
die Adfactory, die Kreativabteilung des
konzerneigenen Werbezeitenvermark-
ters Seven One Media. Die Idee geht
auf die Adfactory zurück. Der Medien-
konzern bietet derartige, außerge-
wöhnliche Reklame schon länger an.
Bislang waren viele Werbetreibende
aber sehr zurückhaltend. Das ändere
sich: „Die Schlagzahl hat sich dieses
Jahr massiv erhöht“, betont Schwarz
im Gespräch mit dem Handelsblatt.
Bahlsen gehe ganz bewusst neue
Wege, erläuterte Marketingchef Die-
ter Lutz: „Wenn ein mittelständisches
Unternehmen in Konkurrenz zu Kon-
zernen steht, muss man einfach mu-
tiger und kreativer sein, sonst hat
man keine Chance gegen die Budgets
der Großen.“
Selbst Discounter springen an. Im
Sommer betrieb Penny einen Mini-
Supermarkt in der Sat-1-Show „Promi
Big Brother“. „Für die Marke Penny
ist das Placement eine tolle Gelegen-
heit, unseren Kunden in einer unter-
haltsamen Show unaufdringlich zu
begegnen“, so der Marketingchef der
Discounterkette, Marcus Haus.
Ein Dank an die Sänger
Für Pro Sieben Sat 1 werden solche
experimentierfreudigen Kunden im-
mer wichtiger. Die Erlöse aus der her-
kömmlichen TV-Werbung sind unter
Druck. Die Analysten von Macquarie
gehen davon aus, dass die Umsätze
mit Fernsehreklame in Europa nächs-
tes Jahr um fünf Prozent zurückge-
hen werden. 2021 würden sie zwar
wieder anziehen, aber nur leicht –
um zwei Prozent.
Bei Pro Sieben Sat 1 sind die klassi-
schen TV-Werbeerlöse im zweiten
Quartal des Jahres um drei Prozent
geschrumpft. Sie sind nach wie vor
die Haupteinnahmequelle. Die Um-
sätze aus moderner digitaler und per-
sonalisierter Werbung stiegen zwar
um gut ein Viertel. Das aber reichte
nicht aus, um die Schwäche im Kern-
geschäft auszugleichen.
Seit Jahren bemüht sich der im
MDax notierte Konzern, von der Re-
klame unabhängiger zu werden. Zu-
letzt stammte mehr als ein Drittel
des Umsatzes aus den Bereichen
Filmproduktion und E-Commerce.
Diese Divisionen wachsen zwar
kräftig, verdienen aber nur wenig
Geld. Die Börse blickt daher skep-
tisch auf die Sendergruppe. Seit Ja-
nuar haben die Aktien ein Fünftel
an Wert verloren, binnen Jahresfrist
ging es sogar um mehr als 40 Pro-
zent bergab. Damit gehört Pro Sie-
ben Sat 1 zu den schwächsten Wer-
ten im MDax.
Für den vergangenen Sonntag hat-
te sich die Adfactory auch etwas Be-
sonderes einfallen lassen. Bei der Ge-
sangsshow „The Voice of Germany“
auf Sat 1 blendete der Süßwarenher-
steller Storck Werbung ein. Für zehn
Sekunden erschien bei jedem der
Künstler eine Packung des Schokorie-
gels „Merci“ auf dem Bildschirm mit
einem persönlichen Dankeschön für
die „grandiose Performance“. Solch
pfiffige Werbung will Adfactory-Chef
Schwarz künftig noch viel häufiger
produzieren: „Wir kratzen erst an der
Oberfläche. Denn bei vielen Kunden
stehen noch immer nur unmittelbar
messbare Formate im Vordergrund.“
Fahri Yardim (links)
und Christian Ulmen:
Die TV-Stars sind auf
den Keks gekommen.
Pro Sieben Sat1
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DIENSTAG, 15. OKTOBER 2019, NR. 198
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