Handelsblatt - 15.10.2019

(やまだぃちぅ) #1
E

in Schauspielstar hat mit
seinem Start-up andere
Probleme als gewöhnli-
che Gründer. Werbebud-
get brauchte Jessica Alba
erst mal nicht. Ihre Fans kaufen ihr
ihre Produkte auch so ab. Doch ihr
Hollywood-Glitzer macht PR-Team
und Rechtsabteilung auch viel Arbeit.
Denn immer wieder gibt es Zweifel,
wie viel Schauspielerei in dem Busi-
ness steckt.

Frau Alba, Sie sind als Schauspielerin
weltbekannt geworden. Dann grün-
deten Sie vor einigen Jahren eine
Marke für Ökokosmetik und Baby-
produkte. Sind Sie heute mehr
Schauspielerin oder Unternehmerin?
Ich bin beides. Zum Glück musste ich
mich nie für eins von beidem ent-
scheiden.

Womit verbringen Sie mehr Zeit?
Etwa 60 bis 70 Prozent meiner Zeit
kümmere ich mich um das Tagesge-
schäft bei The Honest.

Wie kam es überhaupt zu der Ent-
scheidung, ein Unternehmen zu
gründen?
Als ich mit meiner ersten Tochter
schwanger war, habe ich mich plötz-
lich gefragt: Womit behandle ich ei-
gentlich meinen Körper? Was esse
ich? Wie gestalte ich mein Zuhause?
Und wie könnte sich das auf die Ge-
sundheit des Kindes auswirken, das
da in mir wächst. Und da habe ich
angefangen zu recherchieren.

Was war das Problem mit Ihren
Cremes und Schminkartikeln?
Ich musste immer Abstriche machen


  • entweder haben die Produkte funk-
    tioniert, oder sie waren sauber. Au-
    ßerdem waren die natürlichen Pro-
    dukte immer vier- bis fünfmal teurer.
    So viel kann nur ein Bruchteil der Ge-
    sellschaft für Kosmetik ausgeben.


„Entweder es funktioniert, oder es ist
gut für dich“ ist einer von Albas Werbe-
sprüchen. Sie beschreibt ihre Produkte
als „sauber“ und „sicher“, will aber kei-
ne Beispiele für „unsichere“ Produkte
nennen. Besorgte Eltern erreicht sie mit
ihrer eigenen Geschichte: wie sie als
Kind unter Asthma litt, als Erwachsene
allergisch auf ein Waschmittel reagierte
und Angst um ihr Baby bekam. Allein
auf Instagram hat sie 16,5 Millionen
Abonnenten. Eltern, die Alba vertrauen,
zahlen dann doch etwas mehr als im
Supermarkt: Im großen Paket kostet die
Windel für die Kleinsten umgerechnet
etwa 38 Cent. Beim deutschen Discoun-
ter bekommt man sie für elf.

Sie haben Ihre Firma „ehrlich“ ge-
nannt, „Honest“. Was bedeutet das
für Sie als Unternehmerin?
Ich will transparent und offen sein, das
ist meine Mission. Deshalb habe ich
von Anfang an direkt mit den Kunden
kommuniziert, habe meine Produkte
über das Internet direkt vertrieben –
und nicht über Einzelhändler. Wahr-
scheinlich war ich die erste Marke, die
in sozialen Medien eine eigene Com-
munity hatte. In dieser Gemeinschaft
wird über das Produkt, die Verpa-
ckung und vieles andere geredet – und
ich lasse diese Diskussionen bei Über-
legungen in neue Produkte einfließen.

Sie versprechen, dass Ihre Produkte
kein Gift enthalten. Wie kann ein an-
fangs kleines Unternehmen die gan-
ze Lieferkette überwachen? Das ist
ja nicht immer gut gegangen ...
Das geht. Man braucht erfahrene und
ehrgeizige Mitarbeiter in der For-
schung und Entwicklung, die sich
mit seltenen Rohstoffen auskennen,
mit Chemikalien und mit klinischen
Vorschriften. Das ist viel Arbeit, aber
wir nehmen nicht einfach ein Pro-
dukt aus dem Regal eines Vertrags-
partners. Wir haben strenge Regeln,
und die halten wir auch ein.

Das „Wall Street Journal“ hatte 2016 bei
Tests einen Stoff in Albas Waschmittel
gefunden, der auf der firmeneigenen
Ausschlussliste steht. Die Firma berief
sich daraufhin auf die Zulieferer, denen
man vertraut habe. Alba schrieb auf der
Honest-Homepage, sie sei „extrem ent-
täuscht“ von dem Artikel, der voll von
„Falschdarstellungen“ sei. Fest steht:
Werbeversprechen einer Firma, die sich
„ehrlich“ nennt, werden besonders kri-
tisch geprüft. Schon mehrfach wurde
The Honest wegen irreführender Rekla-
me verklagt. Die Fälle landeten aber nie

Sie hatten einen ziemlichen Kaltstart
als Unternehmerin. Gibt es über-
haupt Gemeinsamkeiten zwischen
Schauspiel und Unternehmertum?
Praktisch nicht. Als Schauspielerin
versetzt man sich in eine andere Per-
son und taucht in ihre Welt ein. Un-
ternehmerin zu sein ist eher, wie ei-
nen Haushalt zu führen: Du verdienst
Geld, du hast Lebenshaltungskosten,
du musst Rechnungen bezahlen. Am
Ende hast du hoffentlich genug üb-
rig, um für schlechte Tage vorzusor-
gen. Nur die Zurückweisung ist in
Schauspiel und Business gleich.

Was meinen Sie damit?
Als Schauspielerin bekommt man vor
einer Zusage 3 000 Absagen. Wenn
man Investoren, Partner und Fach-
kräfte sucht, ist das ganz ähnlich. Ich
habe als Schauspielerin eine gewisse
Resilienz entwickelt, die mir als Un-
ternehmerin sehr geholfen hat. Man
muss möglichst schnell aus seinen
Fehlern lernen.

Inzwischen sind Sie mit Ihren Kos-
metikartikeln auch in Europa vertre-
ten. Wie läuft das Geschäft?

Jessica Alba


„Ich habe teure


Fehler gemacht“


Hollywood-Star Jessica Alba spricht über ihre Rollen – als


Schauspielerin, Produzentin und Gründerin.


Jessica Alba:
„Unternehmerin zu
sein ist, wie einen
Haushalt zu führen.“

dpa

Ich habe


als Schau -


spielerin eine


gewisse


Resilienz


entwickelt,


die mir als


Unternehme -


rin sehr


geholfen hat.


vor Gericht, weil die Firma viel Geld für
Vergleiche zahlte. In einem Fall waren es
1,55 Millionen Dollar.

Heute ist sogenanntes Influencer-
Marketing eine verbreitete Werbestra-
tegie. Irgendein Promi hält sein Ge-
sicht in die Kamera und sagt, das ist
ein tolles Produkt, und schon kaufen
seine Fans es. War das auch Ihre Idee?
Ich hatte einfach keine andere Mög-
lichkeit. Wir hatten kein Geld für Wer-
bung. Also musste ich erzählen, wofür
wir stehen und warum es uns gibt. El-
tern haben das sofort verstanden.

Aber Jessica Alba hätte sich doch
klassische Werbung leisten können?
Sie stellen sich das so einfach vor. Ich
habe anfangs zahlreiche teure Fehler
gemacht. Ich habe zuerst viel Geld in-
vestiert, dann dreieinhalb Jahre mit
unterschiedlichen Partnern versucht,
das Geschäft aufzubauen. Zwei Füh-
rungskräfte musste ich wieder raus-
werfen, weil es mit ihnen nicht ging.
Wir haben immer neue Businessplä-
ne erstellt. All das war teuer. Im Übri-
gen hatte ich keine Ahnung, wie das
Werbegeschäft funktioniert.

Unternehmen & Märkte
DIENSTAG, 15. OKTOBER 2019, NR. 198

22

Free download pdf