Judith Henke Frankfurt
E
s ist zu dunkel, um die Hand vor Augen
zu sehen. Zwei Meter dicke Außenwän-
de und eine noch dickere Decke erzeu-
gen Schwärze pur. Matthias Rüth schal-
tet das Licht im Weltkriegsbunker im
Frankfurter Osten ein. Sein Knopfdruck gibt den
Blick auf einen zunächst unscheinbaren Schatz frei:
Zu sehen sind nichts als blaue Fässer, Holzkisten
und Kartons. Doch der Inhalt ist wertvoll – so kost-
bar, dass der Zugang zum Gebäude mit einer 4,6
Tonnen schweren Tür geschützt wird.
„In diesem Bunker befinden sich Werte im
achtstelligen Dollar-Bereich“, sagt Rüth. Die etwa
40 Zentimeter hohen Fässer sind gefüllt mit Pul-
ver. Was außen zu lesen ist, damit kann ein Laie
nichts anfangen. Auf den Etiketten stehen Na-
men wie Neodym, Terbium, Dysprosium oder
Praseodym. Es sind Metalle, die zu den soge-
nannten Seltenen Erden zählen. „Nicht alle der
Seltenen Erden sind selten“, klärt Rüth auf. Doch
einige dieser Rohstoffe seien knapp – und das bei
einem steigenden Bedarf: Denn sie sind unver-
zichtbar bei Zukunftstechnologien wie Elektro-
mobilität oder Windkraft. So ist etwa Neodym
extrem magnetisch. Man braucht es in sehr leis-
tungsstarken Magneten für Windturbinen oder
Elektromotoren.
Neben den Fässern mit Seltenen Erden lagern in
dem ehemaligen Bunker noch Industriemetalle
wie Gallium, Indium oder Germanium. Anders als
die Seltenen Erden werden sie nicht pulverförmig
aufbewahrt, sondern liegen als Barren in Kisten.
Gallium ist ein wichtiger Bestandteil für die LED-
Produktion, Indium wird für Smartphone-Bild-
schirme benötigt, Germanium für die Glasfaser-
Produktion. „Das sind gefragte Technologiepro-
dukte, für die der Bedarf in den nächsten Jahren
voraussichtlich steigen wird“, sagt Rüth erfreut.
Der Unternehmer leitet die Firma Tradium und
handelt seit mehr als zwei Jahrzehnten mit Selte-
nen Erden und Industriemetallen, die Firmen für
ihre Produktion benötigen.
Mehrere Millionen investiert
Doch die Industrie ist längst nicht mehr der einzi-
ge Kunde von Tradium. Seit Rüth 2011 den Bunker
bei einer Zwangsversteigerung kaufte und seitdem
mehrere Millionen Euro in Sanierung und Umbau
steckte, wuchs auch das Interesse von Anlegern.
Das hatte einen Grund: Im selben Jahr schossen
auch die Preise für Zukunftsrohstoffe wie Seltene
Erden in die Höhe. Mitverantwortlich für den
Boom war China: Die Volksrepublik hält sowohl
bei den Seltenen Erden als auch bei Spezialmetal-
len wie Gallium einen Marktanteil von 80 bis 90
Prozent und nutzt diese Marktmacht als Druckmit-
tel in Handelskonflikten. Als China 2010 die Ex-
portquoten um zwei Drittel kappte, führte diese
Verknappung zur Panik am Markt. Denn schließ-
lich sind die Rohstoffe unersetzlich für Technolo-
gien von morgen. Das Resultat: Die Preise ver-
zwanzigfachten sich, einige sprangen sogar dop-
pelt so stark nach oben.
Aber rasant fielen die Preise auch, als China sei-
ne Exportschranken wieder öffnete. Nach rund
zwei Jahren war der Hype vorbei. So kostete das
zu den Seltenen Erden gehörige Dysprosium in
der Spitze mehr als 3 000 Dollar je Kilo, nun liegt
der Preis bei rund 350 Dollar. Gallium kostete pro
Kilo rund 1 100 Dollar in der Spitze, mittlerweile
sind es rund 300 Dollar. Beide Rohstoffe waren
noch deutlich günstiger. Mittlerweile bewegt sich
das Gros der Preise seitwärts bis leicht aufwärts.
Die etwa 2 000 Privatanleger, die in Spezialmetalle
investiert haben und diese in dem Bunker lagern,
schreckt das nicht ab. Im Gegenteil. Schließlich
seien die Preise jetzt niedrig – gut für einen Ein-
stieg, wirbt Rüth.
Auch die Deutsche Rohstoffagentur (Dera) – ein
Institut des Bundeswirtschaftsministeriums – prog-
nostiziert, dass der Bedarf für einige der Spezial-
metalle steigen wird. Allein der Bedarf an Germani-
Wette auf
rare Schätze
Seltene Erden sind gefragte Rohstoffe für moderne Technologien.
Der Unternehmer Matthias Rüth hat aus der Lagerung dieser
Rohstoffe ein Geschäftsmodell gemacht. Wer als Privatanleger
auf diesen Sektor spekulieren will, muss sehr risikobereit sein.
Bunker als Lagerstätte:
Tradium-Gründer Rüth
setzt auf Seltene Erden.
Bert Bostelmann für Handelsblatt
Private
Geldanlage
DIENSTAG, 15. OKTOBER 2019, NR. 198
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