Bulle & Bär
Potenzial für
eine positive
Überraschung
p
Z
um Wochenausklang trieb die Aus-
sicht auf eine Einigung im Handels-
konflikt zwischen den USA und Chi-
na die Kurse regelrecht nach oben. Auch
wenn längst nicht klar ist, ob es über-
haupt zu einer Unterschrift zwischen bei-
den Seiten kommen wird und wie die kon-
kreten Vereinbarungen dann konkret aus-
sehen werden.
In dieser Woche werden nun die Quar-
talszahlen von JP Morgan über Netflix bis
hin zu Coca-Cola die Kurse beeinflussen.
Dass da ebenfalls Potenzial für positive
Nachrichten besteht, ist für Analysten un-
bestritten. Die US-Märkte könnten sich so
wieder einmal zum Treiber für den Rest
der Börsenwelt erweisen.
Erst recht, wenn der Blick weiter in die
Zukunft gerichtet ist. In gut einem Jahr ist
die nächste Präsidentschaftswahl in den
USA. Unabhängig vom Ausgang steht
schon jetzt fest, dass es der amerikani-
schen Wirtschaft dann nicht schlecht ge-
hen wird. Niemals in der Geschichte kam
es in einem Wahljahr zu einer Rezession.
Das wäre für den Amtsbewerber der re-
gierenden Partei schließlich das schlech-
teste Bewerberzeugnis überhaupt.
Für den Rest der Welt lässt das hoffen.
Beinahe überall trübt sich momentan das
wirtschaftliche Klima ein. Wobei auch hier
die Einschätzungen weit auseinanderlie-
gen. Neben Nordamerika sind auch die
Menschen in Mittel- und Südamerika laut
dem Datenanbieter Statista mit ihrer wirt-
schaftlichen Situation ganz zufrieden. Das
gilt auch für Asien.
Vor allem aber in Europa sieht es an-
ders aus. Gerade hier sehen die Menschen
ihre Zukunft sehr pessimistisch. Das deckt
sich mit den Einschätzungen der Wirt-
schaft und der Unternehmen. Überall
werden derzeit die Prognosen reduziert.
Die Suche nach Einsparmöglichkeiten
steht im Vordergrund. Arbeitskräfte wer-
den so sehr eingespart, dass Arbeitsrecht-
ler im Moment bereits von einer Sonder-
konjunktur für ihre Branche sprechen.
Negativ überrascht wie zu Zeiten der Fi-
nanzkrise vor zehn Jahren werden börsen-
notierte Unternehmen hierzulande wohl
diesmal kaum. Dafür steigt mit jedem Tag
die Wahrscheinlichkeit, dass die Zukunft
womöglich doch nicht so trübe ausfällt
wie bisher gedacht. Für den Aktienmarkt
bietet das durchaus Potenzial für positive
Überraschungen.
Der tägliche Kommentar
des Handelsblatts analysiert
die Entwicklung
an den Finanzmärkten.
Von Christian Schnell
um für den Glasfaserausbau wird mehr als 80
Pr ozent der gesamten Primärproduktion des Roh-
stoffs im Jahr 2013 ausmachen, so eine Dera-Studie.
Der Bedarf an Dysprosium für Zukunftstechnolo-
gien werde die Produktion von 2013 sogar um das
Doppelte übersteigen.
Starke Preisschwankungen
Gleichwohl hält Rohstoffagentur-Leiter Peter
Buchholz eine Geldanlage in Spezialmetallen und
Seltenen Erden für eher kritisch. Die Preise die-
ser Rohstoffe seien starken Schwankungen unter-
worfen, was auch der geringen Produktions- und
Handelsmenge dieser Metalle zuzuordnen sei. So
würden jährlich rund 20 Millionen Tonnen Kup-
fer produziert, aber nur 100 000 bis 200 000
Tonnen Seltene Erden. „Wenn bei diesen Rohstof-
fen auch nur eine Raffinerie etwa wegen Umwelt-
bedenken oder einer Havarie plötzlich schließt,
kommt es zu einer Knappheit, und die
Preise schießen nach oben“, sagt
Buchholz. Grundsätzlich sei es
schwer, solche Schwankungen
vorherzusehen.
Auch Tradium-Chef Rüth
gibt zu, wegen des Auf und
Abs der Preise schon
schlecht geschlafen zu ha-
ben. Er selbst investiere al-
lerdings schon längst nicht
mehr in Aktien. „Ich schät-
ze es, sehen und fühlen zu
können, worin ich mein Geld
anlege.“ Zudem würden Tech-
nologiemetalle nicht zu den Fi-
nanzanlagen zählen – wer seine Roh-
stoffe nach einem Jahr also gewinnbrin-
gend verkauft, zahlt weder Abgeltungsteuer noch
Solidaritätszuschlag. Bei einer Haltedauer von
mehr als einem Jahr entfalle auch die Einkommen-
steuer. Sowohl der Bunker im Osten der Stadt als
auch die Lagerhalle hinter den Büroräumen von
Tradium in Frankfurt-Niederrad sind außerdem
Zolllager. Aus diesem Grund entfielen auch Zollge-
bühren und Mehrwertsteuer.
Als Anlagehorizont empfiehlt Rüth einen Zeit-
raum von fünf bis zehn Jahren. Denn von kleinen
Preissteigerungen können Privatanleger nicht pro-
fitieren, wie er einräumt – dafür ist die Preisspan-
ne zwischen An- und Verkauf viel zu hoch. Diese
liegt je nach Menge zwischen zehn und 15 Pro-
zent. Grund dafür ist die geringe Liquidität des
Markts. Anders als beim elektronisierten Wertpa-
pierhandel an der Börse, wo sich für Aktien im-
mer genug Abnehmer finden, gestaltet sich der
Verkauf von speziellen Rohstoffen deutlich
schwieriger. Tradium selbst verkauft die Rohstoffe
direkt an die Industrie.
Wer in diese Rohstoffe investieren möchte, sollte
allerdings starke Nerven besitzen. Von solchen Spe-
zialmetallen werden nur sehr geringe Mengen ge-
handelt, ist die Erfahrung von Dera-Chef Buchholz.
Dadurch ist der Markt besonders anfällig für Preis-
schwankungen. „Wer bei einem hohen Preis einge-
stiegen ist, kann Probleme bekommen, die Ware
zum gleichen Preis zu veräußern“, so Buchholz.
Welche Folgen die geringe Liquidität des Markts ha-
ben kann, zeigt ein Fall in China. Dort verloren An-
leger große Teile ihres Vermögens, weil sie an der
Fanya Metal Exchange Spezialmetalle und Seltene
Erden kauften. Die hohen Renditen, mit denen
F anya geworben hatte, konnte die Metallbörse nur
mit den Geldern neuer Investoren decken, weshalb
sie die Rohstoffpreise erhöhte – obwohl die Nach-
frage nach den entsprechenden Metallen gering
war. Dadurch konnte Liquidität nicht mehr ge-
währleistet werden, und geschätzte 6,4 Milliarden
Dollar an Investorengeldern wurden einge-
froren, wie Medien berichten.
Der Fanya-Finanzskandal in Chi-
na ist ein Extremfall. Doch er
zeigt, wie intransparent der
Handel mit Spezialmetallen
und Seltenen Erden für Pri-
vatanleger ist, die keine
Rohstoffexperten sind. Offi-
zielle Preise gibt es für die
Industrierohstoffe nämlich
nicht. Selbst Tradium gibt
auf der Website keine konkre-
ten Preise an, sondern veröf-
fentlicht nur Preischarts. „Anle-
ger werden nie in der Tageszeitung
die aktuellen Kurse von Industrieme-
tallen lesen“, räumt Rüth ein. Exakte Prei-
se könne man schwer abbilden, Grund sind seiner
Ansicht nach die Preisunterschiede der Rohstoffe
je nach Lieferform und Reinheit.
In der mangelnden Preistransparenz sieht Frank
Schallenberger, leitender Anlagestratege für Rohstof-
fe bei der LBBW, ein großes Risiko für Investoren.
„Der Handel mit Spezialmetallen und Seltenen Er-
den ist kein gängiger Markt.“ Angebot und Nachfra-
ge und damit die Preise würden unvorhersehbaren
Faktoren unterliegen, sagt der Experte und verweist
auf die Monopolstellung Chinas bei der Förderung
sowie den E-Mobilitätsboom. „Hypes wie die Elek-
tromobilität können die Preise kurzfristig steigen las-
sen, wenn etwa für die Batterien ein bestimmter
Rohstoff stärker nachgefragt wird.“
Wenig transparenter Markt
Einfacher lässt sich dagegen in Wertpapiere inves-
tieren, die wiederum auf diese Rohstoffe setzen.
Während der Euphorie vor rund einem Jahrzehnt
legten Banken Zertifikate auf Seltene Erden auf.
Mittlerweile lassen sich allerdings nur noch wenige
finden, einzelne Zertifikate werden an den Börsen
Stuttgart und Frankfurt gehandelt.
Auch Aktien der Unternehmen, die weltweit
Seltene Erden abbauen, gelten als heiße Wette.
Deren Kurse haben ebenso das Auf und Ab der
vergangenen Jahre mitgemacht (siehe Grafik). Ak-
tuell notieren einige der namhafteren Unterneh-
men aus dem Spartenindex „MVIS Global Rare
Earth Strategic Metals“ wie der chinesische Kon-
zern Xiamen Tungsten oder der australische För-
derer Lynas bei einem Bruchteil ihres Börsen-
werts des Jahres 2011. Generell sollten Anleger in
diesem wenig transparenten und risikoreichen
Markt allerhöchstens einen geringen Teil ihres Ka-
pitals zum Spekulieren investieren.
Erst ab einer Summe von 50 000 Euro können
Anleger bei Tradium Rohstoffe erwerben. Tradi-
um-Chef Rüth jedenfalls rechnet fest damit, dass
der Bedarf der Industrie an Seltenen Erden wie er-
wartet zunimmt – und auch das Interesse der Anle-
ger steigt. Als nächsten Schritt will Rüth den Bun-
ker mit einem Anbau vergrößern. Die neuen
Grundstücksmauern stehen schon.
2 000
PRIVATANLEGER
haben in die gelagerten Spezialme-
talle im Tradium-Bunker investiert.
Quelle: Unternehmen
Starker Rückgang
Aktienindex MVIS Global Rare Earth Strategic
Metals des Segments Seltene Erden in Punkten
234 Pkt.
HANDELSBLATT
1.1.2009 14.10.2019
Quelle: Bloomberg
1 800
1 500
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Private Geldanlage
DIENSTAG, 15. OKTOBER 2019, NR. 198
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