Handelsblatt - 15.10.2019

(やまだぃちぅ) #1
Bloomberg

Andrea Cünnen Frankfurt


A

uf den ersten Blick
könnte man denken,
dass Mick Dillon und
Bertie Thomson ein ru-
higes Leben haben. Die
Manager des Fonds „Global Leaders“
des US-Asset-Managers Brown Advi-
sory haben zuletzt im August 2018
ein neues Unternehmen ins Portfolio
aufgenommen. Das war der chinesi-
sche Technologieriese Tencent – und
die Anlageprofis engagierten sich in-
mitten eines Kurseinbruchs.
Der Kursverfall hatte damals vor al-
lem mit einer Umstrukturierung chi-
nesischer Behörden zu tun: Sie ver-
gaben über Monate keine Lizenzen
für Onlinespiele. Ohne Lizenzen
konnte Tencent die Spiele nicht zu
Geld machen. „Wir waren überzeugt:
Das ist ein Problem auf Zeit“, sagt
Fondsmanager Thomson. „Tencent
ist in China nicht nur Marktführer bei
Onlinespielen, sondern auch in sozia-
len Netzwerken, Sofortnachrichten-
diensten und Onlinemedien.“ Dazu
komme: „Der Konzern wächst unab-
hängig von der Konjunkturentwick-
lung und verdient auch nach Abzug
der Investitionskosten viel Geld.“

Auf der Rangliste weit vorn
Genau solche Unternehmen suchen
Dillon und Thomson für ihren Fonds


  • und sind damit bislang erfolgreich.
    In den vergangenen drei Jahren hat
    der Fonds nach Daten des Research-
    hauses Scope Analysis im Schnitt ei-
    ne jährliche Rendite von 16,8 Prozent
    gemacht. Damit liegt er in der Kate-
    gorie „Aktien Welt“ auf Platz sechs
    von 680 Mitbewerbern (siehe Grafik).
    In der Rangliste taucht allerdings
    nur die seit Mai 2015 existierende
    Fonds-Tranche für institutionelle In-
    vestoren mit einer jährlichen Gebühr
    von nur einem halben Prozent auf.
    „Bei der für hiesige Privatanleger erst
    vor einem Jahr aufgelegten gesicher-
    ten Tranche in Euro ist die Gebühr
    mit 1,75 Prozent deutlich höher. Sie
    zehrt von daher etwas an der Rendi-
    te, doch die Gebühr liegt noch im
    Rahmen“, meint Ali Marsawah,
    Fondsanalyst bei Morningstar (siehe
    Kennzahlen). Mit knapp 260 Millio-


nen Dollar ist der Fonds selbst nicht
sonderlich groß. Nach der Global-
Leader-Strategie verwaltet Brown Ad-
visory indes insgesamt Kundengelder
von immerhin 700 Millionen Dollar.
Was Marsawah an dem Fonds be-
eindruckt, ist: „Die Fondsmanager
halten lange an ihren Investments
fest. Das zeigt, dass sie von ihrer Stra-
tegie überzeugt sind.“ Langfristige In-
vestments seien oft vielversprechen-
der als Versuche, auf kurzfristige Be-
wegungen zu setzen, meint der
Analyst. Das sieht auch Thomson so:
„Kurzfristig sind Märkte oft nicht effi-
zient, es kommt auf die langfristige
Betrachtung an.“

Umfangreiches Research


Um allerdings diesen langfristigen
Eindruck zu bekommen, müssen die
Vermögensverwalter großen Auf-
wand betreiben. Die Fondsmanager
und Analysten sehen sich eben nicht
nur die Zahlen der Unternehmen
und ihre Aktienmarktbewertungen
über viele Jahre an. Sie sprechen
auch nicht nur mit den Unternehmen
selbst. „Das Wichtigste für uns ist es,
einen Eindruck von den Kunden der
Unternehmen zu bekommen. Sie
sind das wichtigste Asset“, sagt
Thomson. Um die Meinung der Kun-
den über ein Unternehmen zu erfah-
ren, macht die Fondsgesellschaft ei-
gene Umfragen, verfolgt die Meinung
über die Unternehmen in den sozia-
len Medien und beschäftigt sogar ein
kleines Investigativ-Team.
Diese genaue Analyse kostet viel
Zeit. Bevor die Fondsmanager zum
Beispiel im Januar 2015 die Aktie
des US-Medizintechnikkonzerns Ed-
wards Lifesciences kauften, spra-
chen die Investigativ-Kollegen
monatelang mit Kardiologen und
Herzchirurgen über dessen Herz-
schrittmacher „Sapien 3“. „Wir woll-
ten herausfinden, warum dieser
Herzschrittmacher so hohe Markt-
anteile gewonnen hat und ob das so
bleibt“, erzählt Thomson. Das Er-
gebnis: „Der Herzschrittmacher ließ
sich nach Aussagen der Ärzte leich-
ter und schneller einsetzen, die
Krankenhäuser konnten mehr Pa-

Fonds unter der Lupe


Innovativen


Marktführern


auf der Spur


Der Fonds „Global Leaders“


der Gesellschaft Brown Advisory


investiert in Firmen, die in ihren


jeweiligen Branchen Maßstäbe


setzen.


Profi-Anlageempfehlung


ist Chefanlagestratege Wealth Management &
Private Banking der Hypo-Vereinsbank.

Aktienquote


vorsichtig aufstocken


„Politische Börsen haben kur-
ze Beine“, lautet eine alte Bör-
senweisheit. Beim Blick auf die
Entwicklungen der vergange-
nen Jahre könnte man an die-
ser Weisheit (ver)zweifeln:
Denn politische Themen wie
der Handelskonflikt zwischen
den USA und China oder der
Brexit-Irrsinn haben die Bör-
sen zuletzt erheblich beein-
flusst. Die erhöhte Sensitivität
bezüglich politischer Themen
liegt aber weniger daran, dass
die Börsen „politischer“ ge-
worden sind, sondern daran,
dass die politischen Themen
erhebliche ökonomische Kon-
sequenzen nach sich ziehen.
Und bei den Auswirkungen po-
litischer Entscheidungen auf
Unternehmen und die Wirt-
schaft versteht die Börse kei-
nen Spaß. So gab es beim
wichtigen Stimmungsindikator
Ifo-Index jüngst einen weite-
ren Rückgang der wichtigen
Erwartungskomponente. Und
als ob das nicht schon genug
Belastung wäre: Mit den Ein-
kaufsmanagerindizes deutet
ein weiterer Indikator an, dass
sich die schlechte Stimmung
im verarbeitenden Gewerbe
auf den Dienstleistungssektor
überträgt.
Beim Blick ins Detail zeigen
sich aber auch erste Anzeichen
für eine mögliche Stabilisie-
rung: So hat sich im Septem-
ber die Lage exportabhängiger
Sektoren (inklusive der Auto-
mobilbranche) wieder gebes-
sert, wie der Ifo-Index zeigt.
Als weiteres positives Zeichen
stabilisieren sich die Unterneh-
mensgewinnschätzungen für
2019 und 2020. Diese waren
bis Mitte des Jahres rückläufig.
Sollten die zuletzt wieder posi-

tiver gestimmten Analysten
mit ihrer Einschätzung recht
behalten und sich die Gewinn-
situation der Unternehmen
nun stabilisieren, wäre das ein
wichtiger Unterstützungsfak-
tor für die Aktienmärkte. Und
dies, zumal die Dividenden-
und Gewinnrenditen – Letzte-
res ist der Kehrwert des Kurs-
Gewinn-Verhältnisses mit den
Unternehmensgewinnen im
Verhältnis zum Aktienkurs –
Aktien im Vergleich zu Anlei-
hen interessant erscheinen las-
sen. Im aktuellen Zinsumfeld
weisen ein Drittel aller Unter-
nehmensanleihen mit Invest-
ment-Grade-Rating negative
Renditen aus. Halten Anleger
solche Papiere bis zur Endfäl-
ligkeit, ist ein Verlust garan-
tiert – erst recht in realer Rech-
nung.
In unserer Portfoliostrate-
gie waren wir zuletzt bei Ak-
tien im neutralen Bereich mit
einer leicht defensiveren Po-
sitionierung aufgestellt. Der
Fokus auf Branchen mit soli-
dem Gewinntrend, nahe am
Konsumenten, hat sich posi-
tiv ausgewirkt. Wir planen
nun, die Aktienquote wieder
aufzustocken. Dabei steht
Europa im Vordergrund. Bei
den Überlegungen zur Ge-
wichtung kommen auch wie-
der die eher zyklischen Bran-
chen ins Spiel. Nach der lan-
ge anhaltenden Schwäche im
verarbeitenden Gewerbe
könnten sich Chancen für ei-
ne Positionierung bieten. Ein
Übergewicht auf der Aktien-
seite erscheint uns derzeit je-
doch noch nicht angebracht.

Die Anlage-Empfehlung ist
eine Einschätzung des Autors.

Hypo-Vereinsbank

Kurzfristig


sind Märkte


oft nicht


effizient, es


kommt auf


die langfristige


Betrachtung


an.


Bertie Thomson
Fondsmanager bei
Brown Advisory

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Private Geldanlage
DIENSTAG, 15. OKTOBER 2019, NR. 198

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