Die Zeit - 24.10.2019

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  1. OKTOBER 2019 DIE ZEIT No (^44) FEUILLETON 53
    W
    ie das so ist mit Erlösern:
    Je länger sie ausbleiben,
    desto inniger werden sie
    begehrt. Bis zuletzt hat-
    ten sie ein Plätzchen im
    Louvre freigehalten, nur
    für den Fall, dass der
    Salvator Mundi, das umstrittenste Bild der Gegen-
    wart, doch noch in Paris erscheinen würde. Vor
    zwei Jahren war es für 450 Millionen Dollar ver-
    steigert worden, seither rätselt alle Welt, wer es
    besitzt, wo es lagert und ob es überhaupt von je-
    nem Künstler stammt, ohne dessen Urheberschaft
    das Werk vermutlich in irgendeiner Besenkammer
    stünde. Ein echter Leonardo da Vinci? Oder doch
    nur ein Flop?
    Kein Museum wäre besser geeignet, diese Frage
    zu klären, als der Louvre, wo gerade eine Ausstellung
    beginnt, die etliche Werke des Renaissance-Malers
    zusammenbringt, mehr als er wohl selbst je an ei-
    nem Fleck zu Gesicht bekam. Es ist der Höhepunkt
    der globalen Leonardo-Feiern, 500 Jahre nach sei-
    nem Tod – und zugleich in den Augen vieler eine
    Enttäuschung. Der Erlöser ist nicht angereist, die
    Gegenüberstellung der Christus-Figur mit all den
    anderen Heiligen hier im Louvre bleibt aus.
    Leonardo allerdings, damit kann man sich trösten,
    hätte all das Geraune und Gerätsel sehr genossen, er
    liebte das Spektakel und liebte noch mehr das Ge-
    heimnisvolle – all die Dinge, die nicht offen zutage
    liegen und kaum zu greifen sind.
    Unbestritten war er ein Meister der milden
    Schönheit, dafür wird er in aller Welt gerühmt. Um
    die Mona Lisa im Louvre zu sehen, stehen die Men-
    schen dicht gedrängt wie vor einem Abflugschalter,
    von Sicherheitsbändern mühsam im Zaum gehalten.
    Doch mehr als die Weltberückung interessierte
    Leonardo die Weltdurchdringung. Er war ein Maler,
    dem das Malen nicht so wichtig war. Lieber schnitt
    er Schädel auf, vermaß Flüsse, zerklopfte Steine, um
    sich ein Bild zu machen von dem, was das Leben in
    Schwung setzt.
    Gleich zu Beginn der Ausstellung trifft man auf
    dieses spannungsvolle Gegeneinander von Sicht-
    und Unsichtbarem: In der Mitte des Raums steht
    ein großes Skulpturenpaar, Jesus und der ungläubige
    Thomas, entworfen von Leonardos Lehrer Andrea
    Verrocchio. Begleitend dazu hängen an den Wänden
    viele kleine Zeichnungen, allesamt Gewandfalten,
    die als Vorstudien dienten, sollte man meinen. Doch
    wer die windungsreichen Linien verfolgt, wer sieht,
    wie die Stoffe sich falten und verknoten, wie sie
    fließen, stürzen, sich stauen, wie sie Höhlen bilden
    und geheimnisvolle Ritzen, dem steht überdeutlich
    vor Augen, dass diese Zeichnungen mehr sind als
    nur Hilfsmittel. Sie erzählen etwas von Leonardos
    Gespaltenheit. Einerseits war ihm die Kunst ein lust-
    volles Spiel der Bewegungen. Andererseits lässt sich
    ahnen, wie unzufrieden er gewesen sein muss, weil
    unter den Stofflandschaften das Eigentliche, der
    Körper, nie zu sehen, nur zu ahnen ist.
    Womöglich sah sich Leonardo selbst als Thomas,
    denn er war ein Zweifler, der ungläubig glaubend den
    schönen Schein pflegt und ihm zugleich misstraut.
    Der Oberflächen malt und sie durchstoßen will, mit
    sezierender Erfahrung.
    Anders als Thomas, der Gewissheit will und des-
    halb in Jesu Wunden greift, suchte Leonardo die
    Wahrheit mit dem Zeichenstift. Er war ein uner-
    müdlicher Kritzler und Krakler, das lässt sich in
    vielen Sälen des Louvre bestens studieren, ein Mann
    des schnellen, fahrigen Strichs, des aufblitzenden,
    eilig hingehuschten Einfalls, der am Ende seines
    Lebens zigtausend Blätter gefüllt hatte, die man wie
    einen Live-Mitschnitt all dessen verstehen kann, was
    er sah und was in ihm an Ideen emporstieg. Da
    finden sich Entwürfe für Kriegsmaschinen neben
    lieblichen Mädchengesichtern oder Drehspießen,
    es gibt daumengroße Skizzen für das Bild einer
    Reiterschlacht neben dem großen Blatt eines häss-
    lichen Alten mit Tripelkinn und der innigen Szene
    einer Mutter, hingetupft, die gerade ihrem Kind die
    Füße wäscht. Es gibt Schnurren, es gibt technische
    Entwürfe, das alles unterbrochen und umspielt von
    Einkaufslisten, schönen Weisheiten und langwierig
    erläuterten Projektideen. Schreiben, zeichnen, rech-
    nen – für Leonardo alles eins.
    Noch die kleinsten Zettelchen konnte er von
    vorn, von hinten und bis an die äußersten Ränder
    mit seinen Eingebungen übersäen, endlos, haltlos,
    vorläufig wie das Leben. Ein
    Durcheinander, das den-
    noch eine tiefere Bedeutung
    in sich trägt. Denn in der
    Renaissance hieß Disegno
    nicht allein Zeichnen, es
    meinte ebenso ein geistiges,
    ja spirituelles Konzept. Gott
    selbst galt als maestro pittore,
    als Meisterkünstler, der in
    der Schöpfung seine Ideen
    »nach außen« aufs Papier
    gebracht, sprich »aus sei-
    nem Geist und aus den
    Händen« in die Welt ge-
    zeichnet habe, wie der Do-
    minikanermönch Girolamo
    Savonarola meinte.
    Nun weiß man nicht, ob
    Leonardo mit seinen uner-
    schöpflichen Schöpfungen
    selbst in die Rolle des Maestro schlüpfen wollte, um
    auf diese Weise endlich zu verstehen, was die Vögel
    fliegen, die Flüsse fließen, das Licht sich brechen lässt.
    Wahrscheinlich kam es ihm, dem Zweifler, weit
    naheliegender vor, statt sich auf Gottes Spuren zu
    begeben, zunächst einmal die Spur des eigenen Geis-
    tes zu verfolgen – gewissermaßen als ungläubiger
    Thomas, der seine Notiz- und Zeichenblätter
    braucht, um sich selbst und der Welt zu glauben.
    Immerzu beobachtet er sich selbst beim Sehen und
    Denken, vergewissert sich seines Ichs. Denn als wäre
    der Vogelflug oder die Verwirbelung einer Locke
    nicht wundersam genug, erscheint es ihm noch
    wunderbarer, wie sich im eigenen Kopf die Vogel-
    und Lockenbilder, die Ideenfetzen und Erinnerungen
    ineinanderdrehen, sich überlagern und etwas Drittes
    dabei entsteht, das manchmal hohe Kunst sein kann,
    manchmal fröhlicher Unsinn.
    Die Ausstellung folgt diesem Prinzip der streu-
    nenden Überlagerung: Sie feiert Leonardo, den
    Maler, von dem sich kaum mehr als 15 Gemälde
    erhalten haben, derer neun nun im Louvre zu sehen
    sind. Ergänzt werden sie um
    etliche Gemälde und Skulp-
    turen anderer Künstler sei-
    ner Zeit, schließlich war
    Leonardo von anderen ge-
    prägt, etwa von flämischen
    Malern mit ihrer Öltechnik
    und den Porträts im Drei-
    viertelprofil. Zudem finden
    sich zwischen den alten
    Werken ganz andere, sehr
    heutige Bilder: Infrarot-
    Fotografien, grau und von
    Leuchtkästen hinterfangen.
    Sie lenken, könnte man
    sagen, Leonardos Durch-
    dringerblick in die Gegen-
    wart, wollen zeigen, was
    hinter den Farbschichten
    seiner Gemälde steckt, wie
    er sich korrigierte und wer
    aus seiner Werkstatt mit Hand anlegte.
    Außerdem gibt es etliche Halb- und Viertel-
    Leonardos zu sehen, man will offenbar erproben,
    wie sich ein Werk wie der Salvator Ganay, ge-
    schminkt wie ein Faschings-Erlöser, neben den sicher
    zugeschriebenen Leonardo-Gemälden ausnimmt.
    Die Mona Lisa fehlt im Miteinander der Heiligen
    und Schönen, sie muss weiter oben im Louvre ihren
    Schalterdienst versehen, ein Jammer.
    Doch so anspielungsreich und wissenschaftlich
    akribisch es in der Leonardo-Schau auch zugeht – am
    eindrücklichsten bleiben die vielen Notizbüchlein
    mit ihren Alltäglichkeiten, dem Wandel der geistigen
    Bilder und Ideenschnipsel. Tief senkt man die Nase
    über die Vitrinen, hätte am liebsten eine Lupe,
    besser ein Mikroskop, um diesen anderen Leonardo
    zu studieren, der nichts einrahmen, nichts festhalten
    will. Er zeichnet Maria mit dem Kind auf dem
    Schoß, doch interessieren ihn Gesicht, Haare, Hän-
    de höchstens am Rand; was ihn begeistert, sind die
    Beine des Kleinen, wie sie strampeln und hampeln,
    sodass sich das Zeichenblatt mit den wildesten Li-
    nien füllt, auf und ab und durcheinander. Das Leben
    selbst scheint hier zu zappeln: vor seinen Augen, in
    seinen Händen, auf dem Papier. Und Leonardo
    überlässt sich ganz seiner componimento inculto, wie
    er es nannte, einer intuitiven Bildfindung.
    Natürlich treibt er es nicht immer so wild: Es gibt
    ungeheuer akribische Bewegungsstudien, penibel
    zeichnet er wirbelnde Gewässer, wirbelnde Haare,
    wirbelnde Blattrosetten, alles, was aus sich heraus
    kreist. Nicht selten jedoch drängen die widerstreben-
    den Kräfte dicht und unaufhaltsam aufs Papier,
    kollidieren regelrecht, sodass sich am Ende nichts als
    ein schier undurchdringlicher, fast schwarzer Knoten
    abzeichnet. Leonardo verliert zeichnend die Beherr-
    schung. Denn nur so gewinnt er ein Bild von dem,
    was er im Tiefsten erkunden will: einer Welt, die nie
    ist, sondern wird.
    Auf Gemälden waren solche Abenteuer, eine
    Mischung aus Kontrolle und Kontrollverlust,
    undenkbar. Sie hatten perfekt zu sein, mussten
    abschließen, was doch unabgeschlossen bleiben
    sollte – weshalb Leonardo die Fertigstellung oft
    jahrelang hinauszögerte und manchmal nie zum
    Abschluss brachte. Zudem hinterließ er gelegent-
    lich ein paar Zeichen jenes Freigeists, der seine
    Notizhefte durchweht. Auf den Studien für sein
    Wandgemälde der Schlacht von Anghiari ver-
    knäulen sich die Leiber aufs Heftigste; aber auch
    in der berühmten Szene der Anna selbdritt ver-
    schmelzen die Arme, Schultern, Beine der Figu-
    ren derart innig, dass man kaum mehr sagen
    kann, mit was für einem Wesen man es hier zu
    tun hat. Leonardo lebte in einer Zeit der Ent-
    grenzung – und trieb sie in seiner Kunst voran.
    In der Renaissance erschien die Welt plötzlich
    größer als gedacht (Entdeckungen), die Vergangen-
    heit näher (Antikenliebe), der heilige Himmel leerer
    als vermutet (weshalb die Kunst zur Sinnstifterin
    aufstieg). Dieser neuen Unübersichtlichkeit nicht mit
    einem Verlangen nach Klarheit zu begegnen ist ver-
    mutlich Leonardos größte Leistung. Er feiert das
    Uneindeutige, er findet darin seine Freiheit. Er
    schenkt der Mona Lisa ein Lächeln, von dem man
    nicht recht weiß, ob es fröhlich oder gequält wirken
    soll oder überhaupt ein Lächeln ist. Er stellt seine
    Felsengrottenmadonna in eine Landschaft, die derart
    zerklüftet und wild aussieht, als wollte der Maler die
    traute Szene des Vordergrunds ins Bedrohte kippen.
    Und nicht zuletzt in Leonardos Maltechnik, im
    Sfumato, das jede klare Kontur verschwimmen lässt,
    zeigt sich, dass für ihn das Geheimnis des Lebens in
    der Verschmelzung lag: von Innen und Außen, Vor-
    der- und Hintergrund, fester und luftiger Sphäre.
    Wohl am allerschönsten tritt einem diese Fähig-
    keit, alle Gegensätze zu mobilisieren, fast am Ende
    der Pariser Ausstellung entgegen. La Scapiliata, ein
    Frauengesicht, das aussieht, als würde es gerade erst,
    im Augenblick der Betrachtung, entstehen, würde
    aus dem bräunlichen Hintergrund hervortreten, sich
    selbst erschaffend. Haarsträhnen umzüngeln den
    Kopf, und von den Augen könnte man meinen, sie
    seien leer, denn wenn sie etwas erblicken, dann liegt
    es im Inneren, gut verborgen. Eine Gelöstheit spricht
    aus diesem Bild, eine heitere Freiheit. Hier, so scheint
    es, ist Leonardo ganz bei sich selbst.
    Übrigens wollen die beiden Kuratoren der Aus-
    stellung, Vincent Delieuvin und Louis Frank, auch
    weiterhin nicht ausschließen, dass der Erlöser noch
    eintreffen wird. Nur dann jedoch, wenn er im Louvre
    hängt, wollen sie sich äußern, ob sie das Bild für echt
    halten oder für einen Fake. Sie halten sich die Sache
    offen. Sie halten es wie Leonardo.
    Die Ausstellung im Louvre läuft bis zum 24. Februar;
    sie ist nur nach Vorbuchung zu besichtigen
    A http://www.zeit.deeaudio
    E
    s ist eine elegante Idee, in der gerade eröff-
    neten Vincent-van-Gogh-Ausstellung im
    Frankfurter Städel die Rezeption des Ma-
    lers in den Mittelpunkt zu rücken. Kaum je-
    mand verkörpert bis heute das Klischee einer
    unverstandenen Künstlernatur so sehr wie van
    Gogh. Dass er psychisch labil war, sexuell un-
    erlöst, dass er unter Geldnot litt und erst am
    frühen Lebensabend größere Anerkennung
    fand, all dies ist natürlich keine Erfindung. Die
    Stilisierung zum modernen, kaputten Genie
    schlechthin aber erfolgte nachträglich und
    interessanterweise vor allem in Deutschland:
    durch die Veröffentlichung seiner Briefwechsel
    und biografischen Werke zum Beispiel, die halb
    ausgedacht waren, um die Legendenbildung
    eines »Christus der Moderne« ordentlich zu
    verstärken.
    Widerstände gegen den Van-Gogh-Rummel
    gab es damals reichlich. Es war um die Jahr-
    hundertwende keineswegs selbstverständlich,
    die Museen international auszurichten. Im
    Städel wird an die großen Auseinandersetzun-
    gen zwischen völkisch-deutschem und kosmo-
    politischem Kunstverständnis erinnert, die sich
    zuverlässig an Ankäufen von van Goghs Wer-
    ken entzündeten. Innerhalb kurzer Zeit waren
    diese, der Polemiken zu Trotz, in zahlreichen
    Ausstellungen und Sammlungen zu bewun-
    dern. Und dass heute nur noch ein Bruchteil
    von ihnen im Land ist, liegt bekanntermaßen
    an den Nationalsozialisten. Das weltberühmte
    Porträt des Dr. Gachet hatte sich das Städel früh
    gesichert, es wurde aber schon bald als »ent-
    artete Kunst« konfisziert und von Hermann
    Göring verkauft – für neue Renaissance-Nackt-
    heiten in Carinhall. Der Van-Gogh-Boom war
    an ein frühes Ende gelangt. Nur den Rahmen
    hat man vom Porträt des Dr. Gachet in Frank-
    furt noch, er ist ausgestellt und erinnert an den
    Verlust.
    Mehr als 50 Werke van Goghs sind zu be-
    sichtigen und noch einmal etwa 70 anderer
    Künstler, zumeist Expressionisten, um van
    Goghs Einfluss anschaulich zu machen. In drei
    Kapiteln – Mythos, Wirkung, Malweise – ist
    die umfangreiche Ausstellung unterteilt. Hier
    wird nicht einfach nur ein Best-of präsentiert,
    sie zählt nicht zu den so oft naseberümpften
    Blockbuster-Ausstellungen, dafür ist das Kon-
    zept viel zu ambitioniert. Mit entsprechendem
    Budget könnten viele Museen Die Hafenarbei-
    ter in Arles aus Madrid heranschaffen oder Die
    Arlesienne aus Paris oder Das Selbstbildnis von
    1887 aus Chicago. Hier aber werden diese
    Werke mit intellektuellem Gewinn in einen
    Kontext gesetzt. Kuratiert wurde die Ausstel-
    lung von Felix Krämer und Alexander Eiling.
    Zahlreiche der Bilder waren bereits um
    1900 in Deutschland zu sehen, was mit groß
    präsentierten Ausstellungsfotografien belegt
    wird. Man begreift hier also, wie van Gogh, der
    damals noch weitgehend Unbekannte, durch
    Ausstellungen überhaupt erst zu van Gogh,
    dem Kunstdruck-Bestseller unserer Zeit, wer-
    den konnte.
    Man wandelt in der Ausstellung überhaupt
    beständig durch die Jahrhunderte. Unterhaltsam
    ist ein Raum, der sich dem ersten großen Fäl-
    schungsskandal Deutschlands widmet. Der hüb-
    sche Galerist und frühere Bartänzer Otto Wacker
    hatte seinen Vater und Bruder Bilder van Goghs
    erfinden lassen und sie dann verkauft, angeblich
    entstammten sie einer russischen Sammlung. Eine
    Erfindung, die den kleinen Nachteil hatte, dass
    der Van-Gogh-Familie nie ein russischer Sammler
    untergekommen war, weshalb der Schwindel bald
    aufflog. Man muss schon besser lügen. Der Pro-
    zess wurde von der Presse mit herrlichem Spott
    begleitet.
    Bedeutender sind natürlich echte künstlerische
    Imitationen, vor allem von den Brücke-Malern,
    die sich von van Gogh inspirieren ließen: Ernst
    Ludwig Kirchner mit seinen Fehmarn-Häusern
    zum Beispiel oder Erich Heckel mit seinem We i-
    ßen Haus in Dangast. Die deutschen Expressio-
    nisten ließen sich vor allem von van Goghs Son-
    nenbildern anregen, gezeigt wird dessen Gemälde
    Weiden bei Sonnenuntergang. Wo die Sonne bei
    van Gogh aber etwas Prachtvolles und Lebens-
    spendendes hat, gerät sie in der Adaption der
    deutschen Künstler zum apokalyptischen Fixstern,
    der am Vorabend des Ersten Weltkriegs alles Le-
    bende verdörren lässt.
    Natürlich kann jeder Besucher diese im besten
    Sinne des Wortes belehrende Konzeption der Aus-
    stellung ignorieren und sich nur an den Werken
    van Goghs erfreuen. Je näher man herantritt,
    umso stärker gerät das Abstrakte der Bilder in den
    Blick, die pastose Malweise verdrängt das Sujet,
    die rhythmische Struktur jeden Inhalt. Man kann
    sich diesem knallig bunten Spiel aus purer Form
    und Figürlichkeit, sinnlicher Leere und sinnlicher
    Fülle kaum entziehen und kehrt mit bester Laune
    und leicht entrückt aus dem Museum in den
    Herbstregen zurück.
    Die Ausstellung im Frankfurter Städel Museum
    läuft bis zum 16. Februar. Außerdem werden in
    Potsdam, im Museum Barberini, Stillleben Vincent
    van Goghs gezeigt, bis zum 2. Februar
    A http://www.zeit.deeaudio
    War van Gogh etwa ein deutscher
    Maler? VON ADAM SOBOCZYNSKI
    Hier scheint
    die Sonne
    Und wo bleibt das Hirn? Leonardos Rötelskizze eines Kriegers der Anghiari-Schlacht, um 1505
    Wunder des Geistes
    Viele halten Leonardo da Vinci für einen genialen Maler. Doch seine wahren Stärken liegen ganz
    woanders, wie jetzt die große Jubiläums-Ausstellung im Pariser Louvre zeigt VON HANNO RAUTERBERG
    Wild gelockt: »Scapiliata«, um 1500
    Abb.: »Étude de figure pour la Bataille d‹Anghiari« / © Szépmüvészeti Múzeum - Museum of Fine Arts Budapest, 2019 (o.); »Tête de femme dite La Scapigliata«/ © Licensed by Ministero dei Beni e delle Attività culturali - Complesso Monumentale della Pilotta-Galleria Nazionale

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