Blickpunkt Film Magazin - 21.10.2019

(C. Jardin) #1

KINO


sionen nach dem Film gespannt sein.
All diese Filme sind der Grund,
warum wir uns jedes Jahr gerne wieder
auf die Suche nach dem Besonderen und
Neuen machen und freuen uns daher auf
die 53. Filmtage, an denen wir zusammen
auf filmische Entdeckungsreise gehen.

MARTIN SCHEURING
Sichter Kurzfilme

Die Freiheit der
kurzen Form

Seit die sprichwörtlichen »langhaari-
gen Affen aus München« 1967 zum
ersten Mal nach Hof gepilgert sind, um
ihre – damals ausschließlich – Kurzfilme
zu zeigen, sind die Regisseur*innen viel-
leicht etwas weniger rebellisch und ihre
Filme nicht mehr ganz so wild und
provokant. Aber die Hofer Filmtage
haben sich auch 52 Jahre später eine
gewisse Anarchie bewahrt, auf jeden
Fall, wenn es um die Längen der Filme
geht: Sie spielt bei der Auswahl keinerlei
Rolle. Hier darf sich jeder Film die Zeit
nehmen, die er braucht, und so laufen im
diesjährigen Programm Filme zwischen 2
und 162 Minuten.
Über ein Drittel der 141 ausgewählten
Filme sind nach Hofer Definition »kurz«,
also maximal 50 Minuten, rund 20 Filme
fallen in die Kategorie »mittellang«. Alle
kürzeren Filme werden auf gleicher
Augenhöhe gemeinsam mit einem länge-
ren Film präsentiert, das ist bei Festivals
im In- und Ausland fast schon einzigar-
tig. Das Wort »Vorfilm« ist im Filmta-
ge-Team übrigens ein absolutes Tabu.
Kurzfilme sind oft die ersten filmi-
schen Statements junger Talente, hier
gibt es vielversprechende künstlerische
Handschriften besonders früh zu entde-
cken. Im »Home of Films« haben z.B.
Doris Dörrie, Sönke Wortmann, Detlev
Buck, Caroline Link, Maren Ade und
Axel Ranisch mit ihren ersten, kürzeren
Filmen auf sich aufmerksam gemacht,
bevor sie mit ihren Langfilmen eine
breite Öffentlichkeit erreichten. In dieser
Tradition sehen wir auch den 53. Hofer
Kurzfilm-Jahrgang. Der deutsche und

Filmtage finden quasi das ganze Jahr
statt. Wir bauen damit HoF als Film-
marke auf, wo der Zuschauer weiß, dass
er hier Talente und spannende Filme
abseits vom Mainstream entdeckt. Den
Höhepunkt des filmischen HoF Jahres
bilden dann wiederum die Filmtage im
Oktober. Und auf diese freue ich mich
jetzt am allermeisten.

PETER FRÖHLICH,
INGE HAGEDORN und RUDY TIJO,
neben Thorsten Schaumann
Sichter Langfilme

Sorgfältig kuratierte
Sammlung

Jedes Jahr Anfang Oktober steht die
Auswahl für die Internationalen Hofer
Filmtage fest. Das Ergebnis ist eine viel-
fältige Auswahl an Spiel- und Dokumen-
tarfilmen aus aller Welt. Besonders im
Fokus stehen wie immer deutsche Pro-
duktionen, die ihre Weltpremiere in Hof
feiern werden. Ebenso freuen wir uns,
dass internationalen Filmemacherinnen
anreisen, um ihre Produktionen erstmals
einem deutschen Publikum vorzustellen.
Mit der Bekanntgabe des endgültigen
Filmprogramms geht ein spannendes
Jahr für die Sichter zu Ende. Unzählige
Stunden Film wurden gesehen und beur-
teilt. Wir haben diskutiert und gerungen.
Die begrenzten Programmplätze bedeu-
ten leider auch Absagen an interessante
Filmemacher
innen, von denen wir aber
unbedingt wieder hören wollen, damit
sie es in die nächsten Ausgaben der
Filmtage schaffen. Am Ende bleibt eine
besondere Auswahl an Filmen, die wir


aufgrund ihrer individuellen Qualität
dem Publikum zeigen möchten.
Als Teil des Sichtungs-Teams ist es
ein bisschen so, als würde man seine
sorgfältig kuratierte Sammlung Freunden
vorführen und dabei hoffen, sie zu über-
raschen, Debatten anzustoßen und sie zu
begeistern. Denn zu entdecken gibt es
auch dieses Jahr wieder eine ganze Fülle
von Filmen, auf die wir sehr stolz sind.
Dabei unterscheidet sich das Programm
jedes Jahr zu dem des Vorjahres. Man
könnte meinen, immer ein verändertes
Stimmungsbild der verschiedenen Gene-
rationen von Filmemacher*innen vor
sich zu haben. Dieses Jahr fallen mo-
derne Familienkonstellationen und uner-
füllte Kinderwünsche auf, die themati-
siert werden. Der Gangsterfilm scheint
eine Renaissance zu erleben, manchmal
in Form von Eskapismus, als Geschichts-
lektion, oder als Spiegelbild unserer
Gesellschaft. Politisch waren die Filmtage
schon immer. Auch dieses Jahr zeigen
Filme aktuelle Missstände auf und
weisen uns Wege in eine bessere Zukunft.
Und natürlich spielt in diesem Jahr,
30 Jahre nach dem Mauerfall, gerade
die deutsch-deutsche Geschichte eine
besondere Rolle im Programm.
Das alles zeigen uns Filme von lang-
jährigen Wegbegleitern des Festivals und
neue Talente, die ihre Produktionen erst-
mals einem größeren Publikum vorstel-
len. Hof als Startrampe für den Nach-
wuchs war schon immer ein wichtiger
Fokus des Festivals, daher ist es eine be-
sondere Freude, Filmemacher*innen
wieder im Programm zu haben, die in
der Vergangenheit bereits mit einem
Kurzfilm zu Gast waren oder ihr Lang-
filmdebüt in Hof vorgestellt haben.
Gemeinsam Film zu erleben, das
geht besonders gut in Hof, wo sich
Branche, Publikum, Filmemacher*innen
und Mitarbeiter des Festivals in intimer
Atmosphäre austauschen, Emotionen
erleben und neue Freunde machen. Den
idealen Start hierfür bietet Baumbacher
Syndrome, der dritte Spielfilm von Regis-
seur Gregory Kirchhoff, der quasi als
»Anpiff« für das Festival verstanden wer-
den kann. Es ist ein überraschender
Film, der uns bewegt hat und zeigt,
welche innovativen Geschichten das
deutschsprachige Kino derzeit zu bieten
hat. Jetzt schon darf man auf die Diskus-

»Hier darf sich jeder


Film die Zeit nehmen,


die er braucht.«


MARTIN SCHEURING

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