Blickpunkt Film Magazin - 21.10.2019

(C. Jardin) #1

KINO



  • also alles da! Ich denke, es ist ein Fehler,
    immer auf die Oscars zu schielen und zu
    glauben, jeder müsse es so machen. Auch
    das Bestreben vieler Filmemacher/innen
    weltweit, mit Filmen nach Hollywood-
    Machart in den Wettbewerb zu treten,
    halte ich für falsch. Ich denke vielmehr,
    die jeweilige nationale Filmindustrie
    sollte sich auf die Menschen im eigenen
    Land beziehen, die Geschichten erzäh-
    len, die die Realität des eigenen Landes
    der eigenen Kultur reflektieren. Diese
    Geschichten sind meist universell und
    können, weil sie menschlich sind, auch
    im internationalen Kontext funktionie-
    ren. Keine Produktionsfirma, nicht mal in
    China, kann das Budget aufbringen, um
    mit den Visual Effects Hollywoods zu
    konkurrieren. Deshalb: Eine Replik der
    Oscars ist nicht wichtig. Es geht darum,
    die Stärke jeder Film-Community zu
    erkennen. Dies wird mein erster Besuch
    der Verleihung des Hessischen Filmprei-
    ses. Ich finde es interessant, dass Ministe-
    rin Dorn in einer Pressekonferenz bereits
    angekündigt hat, dass sie keine Zeremo-
    nie wie in Hollywood anstrebt, sondern
    die Filmkultur im Fokus stehen soll, und
    zwar die Filmkultur hier, in Frankfurt
    und Hessen. Deshalb bin ich aus Holly-
    wood weggegangen, um hier in einer so
    wichtigen Institution wie dem DFF arbei-
    ten zu können: In einem Umfeld, das
    dynamisch und vital ist, von nationaler
    und internationaler Bedeutung, und das
    versucht, die Liebe zum Film und zu sei-
    ner Geschichte zu erhalten und zugäng-
    lich zu machen als Kunstform, die überle-
    ben wird – neben älteren Kunstformen,
    die große Museen haben. Die öffentliche
    Unterstützung, die wir hier für unsere
    Arbeit erfahren, hat ein ganz anderes
    Level als alles, was in den USA gemacht
    wird. So wird Filmkultur überleben! Das
    ist für mich der Wert der Preisverleihung.
    Nicht, dass möglichst viele Filmstars
    über den roten Teppich laufen, sondern
    zu ehren, was so viele talentierte
    Menschen geschaffen haben.
    MARGA BOEHLE


Es ist ein dynamischer Kampf, der über-
all stattfindet, nicht nur in Deutschland.
Die Frage ist: Funktioniert das System,
kann das Fördergeld sinnvoll den künst-
lerischen Film unterstützen und die
Möglichkeiten, diese Filme zu sehen?
Das Papier fordert die Untersuchung der
Vergabeprozesse und -kriterien. Wie
können Menschen mit Talent, die
Geschichten erzählen wollen, am besten
unterstützt werden? Unser Haus steht
auf dem Standpunkt, dass deutsche
Filme von deutschen Filmemacher/in-
nen ein zentraler Baustein der hiesigen
Kultur sind, sie haben andere Geschich-
ten zu erzählen als ihre Kolleg/innen aus
Hollywood. Wir geben diesen Künstler/
innen und ihren Filmen immer wieder
Gelegenheit, ihre Filme zu zeigen, aber
auch solche, die sie als Künstler/innen
beeinflusst haben. Das ist unsere
Aufgabe: Wir unterstützen immer das
Bestreben, ausreichende Fördermittel
für ureigene deutsche Filmgeschichten
zur Verfügung zu stellen.


Mit der Übernahme des Fassbinder-
Nachlasses haben Sie die Sammlung
bedeutend erweitert, vor allem den
Sammlungs-Schwerpunkt Neuer Deut-
scher Film – was ist weiterhin geplant?
Auch die Volker-Schlöndorff-Sammlung
ist im DFF untergebracht, ebenso wie die
vieler anderer bedeutender Filmema-
cher/innen der Ära. Wir archivieren nicht
nur ihre Filme, sondern auch ihre Texte,
Fotos, Drehbücher etc. – und das auch
digital. Auch da liegt eine neue Heraus-
forderung für uns, Production-Design ist
heute ja überwiegend digital. Wir
machen oft Ausstellungen über deutsche
Künstler, wie in diesem Jahr über die
Kostümbildnerin Barbara Baum. Maxi-
milian Schell – kein Deutscher, aber ein
Künstler aus dem deutschen Sprach-
raum, folgt im Dezember. Mit Hilfe virtu-
eller Ausstellungen können wir mehr
Material zugänglich machen, als in der
Ausstellungsfläche gezeigt werden kann.


Was sind Ihre Pläne für die nächsten
Jahre?
Wir entwickeln weiter Tour-Angebote
wie die Stanley-Kubrick-Ausstellung, die
international von fast zwei Mio. Men-


schen gesehen wurde. Am 27. Oktober
ist UNESCO Welttag des Audiovisuellen
Erbes , dann wird Wim Wenders die res-
taurierte Fassung von Lisbon Story als
DCP zeigen. Wir planen eine Ausstellung
über die Musik und die vielsprachigen
Versionen von Walt Disney Animations-
filmen – ein sehr gutes Thema für Frank-
furt mit seinen vielen Einwohnern mit
Migrationshintergrund. In Partnerschaft
mit dem Senckenberg Museum, einem
der besten Klimaforschungsinstitute der
Welt, widmen wir uns mit KATASTRO-
PHE im Herbst 2020 der Geschichte von
Katastrophenfilmen mit ihren Erdbeben,
Vulkanausbrüchen und Meteoritenein-
schlägen und zeigen so künstlerische
Kommentare zu Naturkatastrophen und
der Klimaveränderung.

Sie haben lange für die Academy of Mo-
tion Picture Arts and Sciences gearbeitet
und viele Oscarverleihungen besucht.
Wenn Sie Preisverleihungen hierzulande
damit vergleichen – fehlt uns manchmal
ein gewisser Glamour-Faktor?
Ich hatte Gelegenheit, die Eröffnung der
Berlinale und den deutschen Filmpreis
mitzuerleben, mit rotem Teppich, tollen
Kleidern und jede Menge Medienrummel

»Die Liebe zum Film


und seiner


Geschichte erhalten.«


Eine Oscar-Statue
in der Dauerausstel-
lung Filmisches
Sehen und Erzählen
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