Blickpunkt Film Magazin - 21.10.2019

(C. Jardin) #1
ZWEI SPÜRNASEN
suchen einen
Giftmörder im
neuen Münsteraner
»Tatort: Lakritz«

AUFTRAGGEBER
WDR
PRODUKTION
Molina Film –
Jutta Müller
REGIE
Randa Chahoud
BUCH
Thorsten Wettcke
REDAKTION
Nina Klamroth
CAST
Axel Prahl, Jan Josef
Liefers, Friederike
Kempter, Annika Kuhl
TERMIN
ARD, 3.11.,
20.15 Uhr

FILM DER WOCHE


Tatort: Lakritz In dem vergnüglichen Krimi


lösen Boerne und Thiel neben einem aktuellen


Fall auch einen 40 Jahre alten Mord.


O


b sich Jan Josef Liefers und
Axel Prahl nach Drehschluss
immer noch gut verstehen,
wissen nur Eingeweihte; vor
der Kamera jedenfalls funktio-
niert das Gespann prächtig. Lakritz ist ein
ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie gut das
Duo auch nach 17 gemeinsamen Tatort-
Jahren noch miteinander harmoniert.
Dieses Kriterium haben die bislang 35
Episoden bislang allerdings ohnehin stets
erfüllt; Schwächen hatten die Krimis immer
dann, wenn die gegenseitigen Frotzeleien
von Hauptkommissar Thiel (Prahl) und
Rechtsmediziner Boerne (Liefers) dem
Selbstzweck dienten und die Mördersuche
bloß ein Vorwand für ihre Wortgefechte
war. Diese Balance zwischen Krimi und Co-
medy ist Drehbuchautor Thorsten Wettcke
ausgezeichnet gelungen. Die Geschichte ist

zudem von eindrucksvoller Komplexität,
weil der Autor zwei Handlungsebenen
miteinander verwebt: Als Thiel und Boerne
nach dem Mörder des Wochenmarktmeis-
ters suchen, wird der Rechtsmediziner
unerwartet mit seiner Vergangenheit kon-
frontiert. Mit 13 war Karl-Friedrich, schon
damals ein unerträglicher Besserwisser, in
die Tochter der Lakritzherstellers Maltritz
verliebt. Die junge Frau hatte jedoch nur
Augen für den doofen Bernhard, der dem
kleinen Boerne außerdem ein Lakritztrauma
verpasst hat.
Als die schöne Monika Karl-Friedrich
auf dem Speicher des Geschäfts trotzdem
einen Moment der Gunst gewährt, wird die
erotische Vorfreude jäh beendet, denn vom
Balken baumelt Frau Maltritz. An dieses Er-
lebnis wird Boerne erinnert, als er rausfin-
det, woran der Marktleiter gestorben ist:

Der Mann wurde mit Zyankali vergiftet, das
einer Portion Lakritz beigemischt war.
Prompt führt die Spur ins Haus von Boernes
Jugendliebe; und weil schon der junge
Karl-Friedrich ein untrügliches Gespür für
rechtsmedizinische Vorgänge hatte, kann er
dank seiner damaligen Aufzeichnungen im
»Detektivtagebuch« rekonstruieren, dass
auch Frau Maltritz vergiftet worden sein
muss.
Wie beim Tatort aus Münster gewohnt,
sorgt Wettcke rechts und links von der
Handlung für amüsante Details. Schon der
kunterbunt gestaltete Titel ist ein erster
Hinweis auf die Tonart, in der die für Ion
Tichy – Raumpilot im Rahmen des Deut-
schen Fernsehpreises 2007 mit dem
Förderpreis ausgezeichnete Regisseurin
Randa Chahoud das Drehbuch umgesetzt
hat. Gerade die Kombination von Gegen-
wart und Vergangenheit ist vorzüglich. Da
in der Lakritzmanufaktur die Zeit stehen
geblieben ist, sind die Übergänge fließend.
Sehr gut ist auch die Arbeit gerade mit den
jungen Schauspielern. Außerdem profitiert
der Film davon, dass sich Thiel und Boerne
diesmal tatsächlich wie Freunde verhalten,
selbst wenn der Kommissar dies umgehend
relativiert (»Freund, Kollege, Nerven-
säge«); das ist zur Abwechslung auch mal
ganz schön.
TILMANN P. GANGLOFF

REVIEW TV-STARTS KW 44

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