Neue Zürcher Zeitung - 22.10.2019

(John Hannent) #1

2INTERNATIONAL Dienstag, 22. Oktober 2019


John Bercowhat eineAbstimmung im Unterhaus am Montag verhindert.PARLIAMENT TV/REUTERS

Das Brexit-Votum verzögert sich


bbu.·Die Entscheidung des briti-
schen Unterhauses über das neue Bre-
xit-Abkommen, das Premierminister
BorisJohnson mit Brüssel ausgehandelt
hat, hat sich weiter verzögert. DerPar-
lamentsvorsitzendeJohn Bercow liess
eine Abstimmung dazu im Unterhaus
am Montag nicht zu. Er begründete dies
damit, dass dieVorlage derRegierung
in ihrem Inhalt die gleiche wie die vom
Samstag sei.Auch die Umstände hätten
sich nicht geändert. Im britischenParla-
ment gilt dieRegel, dass eine Gesetzes-
vorlage nicht zweimal hintereinander auf
dieTagesordnung gesetzt werden kann.
Das Parlament hätte eigentlich schon
am vergangenen Samstag in einer Son-
dersitzung über den Brexit-Vertrag

befinden müssen. Die Abgeordne-
ten votierten aber dafür, die Entschei-
dung über das Abkommen zu verschie-
ben und fügten soJohnson eine Nieder-
lage zu. Ziel derVertagung im Unter-
haus war es, einen vertragslosen Brexit
auszuschliessen. Am Dienstag will die
Regierung nun demParlamentdie soge-
nannteWithdrawal Agreement Bill vor-
legen. Diese enthält alle Gesetzesanpas-
sungen, die durch einen EU-Austritt nö-
tig werden. Ein mehrheitliches Eintreten
der Abgeordneten darauf würde als Zu-
stimmung zumVorgehen derRegierung
und damit auch zum neuen Brexit-Ver-
trag ausgelegt. Diese Abstimmung gilt
deswegen als die entscheidende für den
Brexit-Prozess.

Erneut Grossdemonstration


gegenHaitis Staatschef


(afp)·Im Karibikstaat Haiti sind er-
neutTausendeMenschen gegen die
Regierung auf die Strasse gegangen.
Sie demonstrierten am Sonntag in der
HauptstadtPort-au-Prince gegen Prä-
sident Jovenel Moïse und forderten
dessenRücktritt. Angeführt wurde die
Kundgebung von dem umstrittenen
selbsternannten «Propheten» Macken-
son Dorilas. Nebendessen Anhängern
beteiligten sich andere Demonstranten
mit Gesängen und Gebeten an den Pro-
testen. Die in den vergangenenWochen
wiederholt gewaltsamenKundgebun-
gen waren EndeAugust durch Eng-
pässe in derVersorgung mit Benzin
ausgelöst worden.DerRegierung wer-
den zudem zahlreicheKorruptionsaffä-
ren angelastet, währendein Grossteil
der Bevölkerung Haitis kaum genug
zum Überleben hat.


IN KÜRZE


Kambodschas Machthaber
verhaften Oppositionelle
(dpa)· In Kambodscha geht der Macht-
apparatvonLangzeit-Premierminister
Hun Sen nach Angaben von Menschen-
rechtlern wieder verstärkt gegen die
Opposition vor. Die Menschenrechts-
organisation Human RightsWatch be-
richtete am Montag von Dutzenden
neuenVerhaftungen in den vergangenen
drei Monaten. Gegenwärtigsitzen dem-
nach gegen 60 politische Häftlinge in
dem südostasiatischen Staat im Gefäng-
nis.Hun Sen ist in Kambodscha bereits
seit 34Jahren an der Macht.Nach einer
vorübergehenden Öffnungregierternun
wieder mit harter Hand. Die wichtigste
Oppositionspartei wurde verboten. Die
Verhaftungswelle hängt nach Einschät-

Bang ladeshwill Rohingya
auf Insel unterbri ngen
(dpa)·Bangladesh will ab demkom-
menden Monat 10 0000 Rohingya-
Flüchtlinge auf einer Insel unterbrin-
gen, die Menschenrechtsorganisatio-
nen als überschwemmungsgefährdet
ansehen. Der Chef vonBangladeshs
Flüchtlingsbehörde,Mahbub AalmTa -
lukder, sagte der Deutschen Presse-
Agentur am Montag, viele Angehörige
der muslimischen Minderheit hätten be-
reits zugestimmt,ihre überfülltenLager
mit rund einer Million Bewohnern auf
demFestlandBangladeshs zu verlassen
und umzuziehen. Mehrkönnten sich
noch freiwillig melden. Sie würdenspä-
testens ab der zweiten Novemberwoche
umgesiedelt. Die rund 40 Quadratkilo-
meter grosse Insel Bhasan Char be-
findet sich rund eine Bootsstunde von
derKüste entfernt. Mehr als 70 0000
Rohingya waren vor zweiJahren inner-
halb kurzer Zeit vor Militärgewalt aus
dem Nachbarland Myanmar nachBan-
gladesh geflohen. Uno-Ermittler spre-
chen von einem «anhaltendenVöl-

Indonesischer Präsident holt
Widersacher ins Kabine tt
(dpa)·Indonesiens wiedergewählter
StaatschefJokoWidodo holt seinen hef-
tigstenWidersacher Prabowo Subianto,
der ihm bei der Präsidentenwahl unter-
legen war, in sein Kabinett. Der Ex-Ge-
neral übernimmt vermutlich das Amt
desVerteidigungsministers. Jokohatte
bei derWahl im April Prabowo mit 55,
Prozent klar geschlagen. Am Sonntag
wurde er für seine zweiteAmtszeit ver-
eidigt. Die Zusammensetzung des Kabi-
netts wird vermutlich am Mittwoch be-
kanntgegeben. ImWahlkampf hatten
sich beidePolitiker eine heftigeAusein-
andersetzung geliefert. Die beiden stan-
den sich auch schon in der Präsidenten-
wahl 20 14 gegenüber.

AUFGEFALLEN


Auch Hacker sind


im Cyberspace nicht sicher


Marie-Astrid Langer, SanFrancisco· Iran gilt nicht nur als Schur-
kenstaat, sondern auch als versiert im Cyberspace.Als jüngst
bei Angriffen aufRegierungs-, Militär- und Bildungseinrich-
tungen in 35 Staaten Schadsoftware verwendet wurde, die man
von einer Gruppe kannte,die der iranischenRegierung nahe-
stehen soll,schien klar:Teheran hatte wieder zugeschlagen.
Tatsächlich steckten hinter den Angriffen aber russische
Hacker, die um den schlechtenRuf Irans wussten undTr ittbrett
fuhren.Wie die britischen und amerikanischen Nachrichten-
dienste am Montag mitteilten, haben russische Hacker in den
vergangenen 18 Monaten die Methoden von iranischen Hackern
kopiertund so in mindestens 20Fällen erfolgreich Cyberangriffe
gestartet – vor allem im Nahen Osten,aber auch in Grossbri-
tannien. Die Gruppe, dievon Geheimdiensten«Turla» getauft
wurde, soll dem russischen Spionagedienst nahestehen. Offen-
bar drangen dieRussen in dieSysteme der iranischen Hacker
ein und beobachteten, auf welcheWeise diese fremdeSysteme
angriffen.Wie Bankräuber, die sich durch den gleichenTunnel
einschleichen wie einevorherige Bande, folgten sie ihren ira-
nischen «Kollegen» dann. Später lancierten dieRussen eigen-
ständig Angriffe mit dem iranischen Modus Operandi.«Turla
erlangte so haufenweise Informationen und Zugänge, die ihnen
sonst verwehrt geblieben wären», sagte ein britischer Beamter.
Russen, die sich im Cyberspace für jemand anders aus-
geben, wecken Erinnerungen an die US-Präsidentschafts-
wahlen 2016. Damals säten russische Akteure erfolgreich
Falschinformationen aufFacebook.Auch versuchten russische
Hacker, die Olympischen Spiele 20 18 in Südkorea zu stören,
indem sie Schadsoftware verwendeten, die der nordkoreani-
schen Gruppe «Lazarus» zugeschrieben wird. Die Zuordnung
ist im Cyberspace bekanntlich schwierig, und Hacker setzen
gerne falscheFährten. Doch der jetzigeVorfall zeuge von einer
nie gesehenen Qualität, schrieben die westlichen Nachrich-
tendienste. Für die iranischen Hacker ist derVorfall höchst
peinlich, offenbar bemerkten sie ihre Doppelgänger gar nicht.
Doch auch Hacker sind im Cyberspace nicht sicher.

Ermittlungenzu Pariser
Anschlägen abgeschlossen
(dpa)·Knapp vier Jahre nach den
schweren islamistischenTerroranschlä-
gen inParis mit 130Todesopfern haben
diefranzösischen Ermittlungsrichter ihre
Arbeit abgeschlossen. Gegen vierzehn
Verdächtige laufen Ermittlungsverfah-
ren, sechs weitere Menschen werden per
Haftbefehl gesucht.Dasteiltedie Anti-
Terror-Staatsanwaltschaft am Montag in
Paris mit. Über einen möglichen Prozess
wurde noch nicht entschieden. Unter
denVerdächtigen ist laut Medien der be-
reits in Belgien verurteilte SalahAbdes-
lam. Er hatte 20 18 eine Haftstrafevon 20
Jahren wegen einer Schiesserei kurz vor
seinerFestnahme in Brüssel erhalten.

Anklagennach Mord an
slowakis chem Journalisten
(dpa)·20 Monate nach dem Mord am
JournalistenJanKuciak und an seiner
Verlobten hat die slowakische Staats-
anwaltschaft Anklage gegen vierTatver-
dächtige erhoben.Dabei handle es sich
um einen Unternehmer als mutmass-
lichenAuftraggeber sowie drei weitere
Personen, denen vorgeworfen werde,
den Mord organisiert und ausgeführt
zu haben, sagte eine Sprecherin der Be-
hörde am Montag der Nachrichtenagen-
turTASR.Darüber hinaus empfahl die
Staatsanwaltschaft mit einem geständigen
mutmasslichen Mittäter eine gesonderte
Einigung,der jedoch das Gericht zustim-
men muss. Der Investigativ-Journalist
Jan Kuciak und seineVerlobte Martina
Kusnirova waren am 21.Februar 20 18 in
ihrem Haus erschossen worden.Kuciak
hatte über dieVerfilzung vonPolitik und
Geschäftemacherei recherchiert. Seine
nach seinemTod veröffentlichteRepor-
tage über Verbindungen italienischer
Mafia-Clans zu slowakischenRegierungs-
mitarbeitern löste Massendemonstratio-
nen gegen den Missbrauch von EU-För-
derungen aus. In derFolge tratLangzeit-
RegierungschefRobertFico zurück.

Verurteilter Banker wird
Chef der Istanbuler Börse
(dpa)·Der in den USA wegenVer-
stosses gegen die Iran-Sanktionen ver-
urteilte türkischeBanker Hakan Atilla
ist neuer Direktor der Börse Istanbul.
Der frühereVizechef der Halkbank sei
am Montag zumVorstandsmitglied und
neuen Chef gewählt worden, teilte die
IstanbulerBörse mit. Atilla war in New
York wegenBankbetrugs sowie derVer-
schwörung zur Geldwäsche und zur Um-
ge hung von Sanktionen gegen Iran ver-
urteilt worden. Er erhielt eine Strafe von
32 Monaten Haft und wurde imJuli in die
Türkei abgeschoben. Im Prozess gegen
Atilla hätte eigentlich dertürkisch-ira-
nische GoldhändlerReza Zarrab auf der
Anklagebank sitzen sollen. Er bekannte
sich dann aber überraschend für schuldig
undtrat als Belastungszeuge auf. ImVer-
fahren sagte er aus, dass Erdogan in sei-
ner Zeit als Ministerpräsident den illega-
le n Geschäften 2012 zugestimmt habe.

zung von Beobachtern mit der angekün-
digtenRückkehr des früheren Opposi-
tionsführers SamRainsy zusammen. Die-
ser liess verlauten, dass er am 9. Novem-
ber aus seinem französischen Exil zurück
nach Kambodschakommen werde.

kermord». Die Angehörigen der mus-
limischen Minderheit werden in ihrem
Heimatland seitJahrzehnten diskrimi-
niert.Viele von ihnen verloren durch
ein1983 erlassenes Gesetz die Staats-
bürgerschaft.

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