Die Welt - 19.10.2019

(Nora) #1

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19.10.19 Samstag, 19. Oktober 2019DWBE-HP


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DWBE-HP

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19.10.1919.10.1919.10.19/1/1/1/1/Gesch1/Gesch1PKRUEGE1 5% 25% 50% 75% 95%

DIE WELT SAMSTAG,19.OKTOBER2019 GESCHICHTE 23


S


aubere Polizeiarbeit zeich-
net sich durch strikte Sach-
lichkeit aus. Professionelle
Ermittler teilen in ihren Be-
richten vor allem Fakten
mit. Vermutungen dagegen werden als
solche gekennzeichnet, Gefühlsäuße-
rungen unterbleiben. Zu einem der
spektakulärsten Kriminalfälle des Zwei-
ten Weltkrieges, zu dem es am 21. und
2 2. Oktober 1944 im ostpreußischen Ort
Nemmersdorf kam, gibt es zahlreiche
Schilderungen echter oder angeblicher
AAAugenzeugen. ugenzeugen.

VON SVEN FELIX KELLERHOFF

Demnach hätten sowjetische Solda-
ten in dem Dorf 110 Kilometer östlich
von Königsberg ein unglaublich grausa-
mes Kriegsverbrechen begangen. In der
NS-Propaganda hieß es zum Beispiel:
„Lebend an die Wand genagelt – bisher
6 1 Opfer des bolschewistischen Mord-
terrors“. Reihenweise seien „geschände-
te und ermordete Mädchen“ gefunden
worden. Die Täter seien „sowjetische
Bestien“ und „Mordbrenner“ gewesen.
Diese Darstellung, ähnlich millionen-
fffach in Blättern wie dem „Völkischen Be-ach in Blättern wie dem „Völkischen Be-

obachter“, der „Preußischen Zeitung“ in
Königsberg, der „Thüringer Gauzeitung“
aus Weimar oder der „Berliner Illus-
trierten Zeitung“ verbreitet, prägten
jahrzehntelang das Bild und führten zur
gängigen Darstellung des „Massakers
von Nemmersdorf“.
Zweifel daran waren stets angebracht,
denn die Berichterstattung in Hitler-
deutschland war zentral angeleitet. Der
Reichspressechef der NSDAP, Otto Die-
trich, wies am 26. Oktober 1944 die Re-
daktionen an, dass die „grauenvollen
bolschewistischen Verbrechen in Ost-
preußen groß und wirkungsvoll heraus-
gestellt und mit äußerster Schärfe kom-
mentiert werden“. In seiner „Tagesparo-
le“ gab Dietrich die Deutung vor, die der
Leserschaft klarzumachen sei: „Ein
planmäßiges grausames Hinmorden je-
des einzelnen würde Platz greifen und
Deutschland in einen einzigen Friedhof
verwandeln“, falls die Rote Armee sie-
gen sollte.
Diese Deutung wirkt seit 75 Jahren
fffort. Selbst ein bekennender Linker wieort. Selbst ein bekennender Linker wie
der Pädagoge Micha Brumlik zitierte
noch 2005 in seinem Buch über die Ver-
treibung der Deutschen aus Ostmittel-
europa die Schilderung eines Volks-

sturmmannes namens Kurt Potrek, der
1 953 in erkennbar voyeuristischer Ab-
sicht von angeblich 72 bestialisch ermor-
deten Frauen und Kindern in Nemmers-
dorf (und einem toten alten Mann) be-
richtet hatte. Außerdem seien sechs
Frauen, teilweise nackt, an einen Leiter-
wagen und an zwei Scheunentore ge-
nagelt worden.
Um solche Berichte einordnen zu
können, sind die Ergebnisse sauberer
Polizeiarbeit nützlich. Am 25. Oktober
1 944 fuhr ein dreiköpfiger Trupp der Ge-
heimen Feldpolizei des in Ostpreußen
zuständigen Armeeoberkommandos
(((AOK) 4 nach Nemmersdorf, geleitetAOK) 4 nach Nemmersdorf, geleitet
von Feldpolizeisekretär Pfeiffer. Die Ge-
heime Feldpolizei, so etwas wie die poli-
tische Abteilung der deutschen Militär-
polizei, der Feldjäger, wird durchaus zu
Recht gewöhnlich als „Gestapo der
WWWehrmacht“ beschrieben. Hitler-Geg-ehrmacht“ beschrieben. Hitler-Geg-
ner, gar Widerstandskämpfer gab es in
ihren Reihen nicht. Aber zumindest
manchmal professionelle Ermittler.
Der Bericht dieses Feldpolizeisekre-
tärs, über den ansonsten nichts bekannt
ist, lag lange übersehen im Politischen
Archiv des Auswärtigen Amtes. Erst vor
einigen Jahren wurde er publiziert. Da-

bei handelt es sich um ein entscheiden-
des Dokument, um die Vorgänge in
Nemmersdorf am dritten Oktoberwo-
chenende 1944 aufzuklären.
WWWarum ist dieser Bericht vertrauens-arum ist dieser Bericht vertrauens-
wwwürdiger als die NS-Propaganda oderürdiger als die NS-Propaganda oder
Schilderungen wie die von Kurt Potrek?
Es gibt mehrere Gründe dafür: Erstens
ist der Bericht noch am Abend des Besu-
ches in Nemmersdorf geschrieben wor-
den, am 25. Oktober 1944. Er ist daher
nicht beeinflusst etwa von der Weisung
des Reichspressechefs vom 26. oder
selbst dem allerersten Zeitungsbericht
vom 27. Oktober. Zweitens handelte es
sich um einen rein internen Bericht für
den Nachrichtenoffizier (Ic) des AOK 4.
Es gab keinen Grund, in einem solchen
Bericht irgendetwas anders darzustel-
len, als es Pfeiffer und seine Kollegen
tatsächlich vorgefunden hatten. Drit-
tens fand sich dieser Bericht in einer
noch 1944 angelegten Akte des Auswärti-
gen Amtes. Es handelt sich zweifellos
um den Originalbericht, nicht um eine
später manipulierte Version.
Der Bericht zeigt, was tatsächlich am
dritten Oktoberwochenende 1944 in
Nemmersdorf geschah – und das war
schlimm genug. Es entspricht auch be-

legten ähnlichen Ereignissen an anderen
Stellen Ostpreußens, die von Truppen
der Roten Armee eingenommen wur-
den. Am Morgen des 21. Oktober 1944
waren T-34 der 25. Panzerbrigade in den
Ort vorgestoßen. Es habe sich um einen
„befestigten Knotenpunkt“ gehandelt.
Das ist glaubwürdig, lag Nemmersdorf
doch genau westlich des hier schnell
fffließenden Flusses Angerapp. Bei Nem-ließenden Flusses Angerapp. Bei Nem-
mersdorf befand sich zudem die einzige
Brücke in Ost-West-Richtung auf einer
Breite von rund 25 Kilometern.
Die sowjetischen Panzer rollten über
die Brücke, die demnach eine Last von
mindestens 35 Tonnen tragen konnte,
und drangen in Nemmersdorf ein. Es
wwwurde westlich des Ortes heftig ge-urde westlich des Ortes heftig ge-
kämpft, bis sich die letzten deutschen
Einheiten etwas weiter zurückzogen.
Doch schon anderthalb Tag später muss-
ten das 2. Panzerbataillon und ein
Schützenbataillon der 25. Panzerbrigade
wieder über die Angerapp ausweichen –
die deutsche 5. Panzer- und die 61. Infan-
teriedivision hatten einen Gegenstoß
begonnen, und von Süden her drängte
die Führer-Begleit-Brigade, eine aus der
WWWachmannschaft des Führerhauptquar-achmannschaft des Führerhauptquar-
tiers hervorgegangene Grenadiereinheit

der Wehrmacht. Die sowjetischen Trup-
pen in Nemmersdorf gerieten so in die
Gefahr, eingekesselt zu werden.
AAAls am Morgen des 23. Oktober 1944ls am Morgen des 23. Oktober 1944
wieder deutsche Einheiten Nemmers-
dorf besetzten, fanden sie getötete Zivi-
listen vor. Meldungen darüber an das
AOK 4 führten zum Einsatz der Gehei-
men Feldpolizei. Laut seinem Bericht
fffand Pfeiffer, der formal einem Leutnantand Pfeiffer, der formal einem Leutnant
der Wehrmacht gleichgestellt war, in
Nemmersdorf 26 tote Zivilisten vor, 13
Frauen, acht Männer und fünf Kinder.
Zehn von ihnen konnten, vor allem dank
der Aussage einer aus
Nemmersdorf stammen-
den Nachrichtenhelferin,
identifiziert werden.
Die meisten toten Zi-
vilisten hatten Kopf-
schüsse – sie waren also
eindeutig ermordet wor-
den. Einige waren in die
Brust getroffen worden,
vermutlich ebenfalls
rechtswidrig hingerichtet. Bei einer Lei-
che war der Schädel „mittels eines
scharfen Gegenstandes“ zertrümmert
worden. Eine knapp 19-jährige junge
Frau war mit Sicherheit vergewaltigt
worden, eine weitere, nicht identifizier-
te wahrscheinlich.
Pfeiffer und seine beiden Kollegen
nahmen auch Zeugenaussagen von
Überlebenden auf. Der Volkssturmmann
Emil Radüns berichtete, was er gesehen
hatte: „Eine erschossene Frau hockte
auf den Knien am Straßenrand.“ Eine
andere Frau saß tot „mit gefalteten Hän-
den in der Stube auf dem Stuhl“. Radüns
brachte zwölf Leichen zum Friedhof, wo
sie zusammen mit 14 anderen noch am
2 3. Oktober 1944 in eine Grube gelegt
wwwurden.urden.
Die knapp 24-jährige Überlebende
Charlotte Müller bezeugte, dass sie am
VVVormittag des 21. Oktober von zweiormittag des 21. Oktober von zwei
Sowjetsoldaten vergewaltigt worden
war. Die etwas ältere Marianne Stum-
penhorst wurde von einem Rotarmisten
in ein dunkles Zimmer gezerrt, der je-
doch von ihr abließ, bevor es zur Verge-
waltigung kam.
Die Leichen wurden erst auf Weisung
von Pfeiffer aus der offenen Grube ge-
holt und untersucht. Erst danach kön-
nen also die Bilder entstanden sein, mit
denen die NS-Propaganda später ihre
Schilderungen illustrierte. Auf diesen
Bildern waren fast alle Frauen teilweise
ausgezogen, und die Opfer hatten mehr
VVVerletzungen, als im Bericht für daserletzungen, als im Bericht für das
AOK 4 beschrieben. Der Feldpolizei-
trupp hielt auch fest, dass sich während
seiner Ermittlungen in Nemmersdorf
auch der Leibarzt von SS-Chef Heinrich
Himmler, Karl Gebhardt, und der Propa-
gandaleiter des NSDAP-Gaus Ostpreu-
ßen sowie mindestens fünf SS-Vertreter
aufhielten. Für Gebhardts Anwesenheit
muss es einen Grund gegeben haben.
Der Bericht von Feldpolizeisekretär
Pfeiffer belegt, dass Sowjetsoldaten in
Nemmersdorf schlimme Kriegsverbre-
chen begangen hatten: 26 deutsche Zivi-
listen wurden hingerichtet. Mindestens
zzzwei, vielleicht auch drei junge Frauenwei, vielleicht auch drei junge Frauen
wwwurden vergewaltigt. Doch die Schilde-urden vergewaltigt. Doch die Schilde-
rungen der NS-Propaganda und solche
Behauptungen wie die von Kurt Potrek
waren weit übertrieben. Es gab in Nem-
mersdorf weder 61 noch 73 Opfer, son-
dern 26. Keines von ihnen wurde ange-
nagelt, schon gar nicht nackt an ein
Scheunentor. Hierbei handelt es sich
entweder um bewusst gestreute Lügen
oder um Gerüchte, die sich aus Sensati-
onsgier verbreiteten.

TTTote Zivilistenote Zivilisten
auf dem Friedhof
von Nemmers-
dorf am 25. Ok-
tober 1944|. Of-
fffenbar wurdenenbar wurden
die Opfer für das
FFFoto „herge-oto „herge-
richtet“

PICTURE ALLIANCE/ AKG-IMAGES

WWWas 1944 in Nemmersdorf wirklich geschahas 1944 in Nemmersdorf wirklich geschah


Das Dorf in Ostpreußen steht für sowjetische Verbrechen an Deutschen. Es gab sie tatsächlich, aber sie wurden übertrieben


K


önig Wilhelm I. von Preußen
amtierte erst ein Jahr als deut-
scher Kaiser, als er hochrangigen
Besuch aus Großbritannien und den
USA erhielt. Beide Staaten baten das
Oberhaupt des Deutschen Reiches, ei-
nen Streit zu schlichten, der fast in ei-
nen heißen Krieg gemündet hätte. Wil-
helm war hocherfreut, bedeutete das
Ansinnen beider Großmächte doch eine
Anerkennung des deutschen National-
staats, der 1871 am Ende des Deutsch-
Französischen Krieges gegründet wor-
den war.

VON BERTHOLD SEEWALD

Der Konflikt, der dem Kaiser vorge-
tragen wurde, reichte bis ins Jahr 1859
zurück. Damals hatte der amerikanische
Farmer Lyman Cutlar einen Eber er-
schossen, der sich mit großem Appetit
üüüber seine Kartoffeln hermachte. Wasber seine Kartoffeln hermachte. Was
fffolgte, ging als „Pig War“ (Schweine-olgte, ging als „Pig War“ (Schweine-
krieg) in die Geschichte ein. US-Trup-
pen zogen auf und eine Flotte der Royal
Navy. Denn der Showdown zwischen
Farmer und Eber hatte auf einer Insel

im äußersten Westen der USA stattge-
fffunden, wo bis 1846 das mit England ge-unden, wo bis 1846 das mit England ge-
meinsam verwaltete Oregon-Territori-
um lag. Die britisch-kanadische Hud-
son’s Bay Company verstand die dünn
besiedelte Gegend als Jagdreservoir für
ihren Pelztierhandel. Doch zunehmend
entdeckten amerikanische Siedler das
Land, was schon in den 1840er-Jahren
beinahe in einen Krieg gemündet hätte.
Der wurde durch den Oregon-Kom-
promiss von 1846 abgewendet. Der 49.
Breitengrad wurde zur Grenze, aller-
dings mit einer Ausnahme: Die San Juan
Islands zwischen dem Festland und dem
kanadischen Vancouver Island blieben
ausgespart. Auf der Hauptinsel San Juan
lebten 1859 einige Mitarbeiter der Hud-
son’s Bay Company, 18 amerikanische
Siedler, zahllose Schafe und einige
Schweine. Einige davon gehörten dem
Iren Charles Griffin, einem Mitarbeiter
der Hudson’s Bay Company, darunter
der Eber, der sein Frühstück in Lyman
Cutlars Garten nicht überlebt hatte.
Schon im Vorfeld waren Cutlar und
Griffin wiederholt aneinandergeraten.
Cutlar beschwerte sich über den Mund-

raub an seinem Gemüse, während Grif-
fffin auf dem Gewohnheitsrecht beharrte,in auf dem Gewohnheitsrecht beharrte,
wonach die Insel der Company gehören
wwwürde. Cutlar bot zehn Dollar Entschä-ürde. Cutlar bot zehn Dollar Entschä-
digung, die Griffin als völlig unzurei-
chend zurückwies. Bei seinem Tier habe
es sich um einen wahren Zuchteber ge-
handelt, der 100 Dollar wert sei. Beide
Seiten machten sich daraufhin auf die
Suche nach Verbündeten.
Griffin fand sie in den britischen Be-
hörden, die dem Schweinemörder mit
Gefängnis drohten und sich sogar zu der
Drohung verstiegen, die Inseln von
Siedlern zu räumen. Cutlar und seine
Nachbarn riefen daraufhin die US Army
zu Hilfe, die umgehend 66 Soldaten auf
die Insel schickte.
Inzwischen hatte der Gouverneur von
VVVancouver Island die Royal Navy alar-ancouver Island die Royal Navy alar-
miert. Fünf Kriegsschiffe mit 2100 Mann
an Bord erschienen vor den San-Juan-
Inseln und bereiteten sich auf die Lan-
dung vor. Daraufhin verstärkte die US
Army ihre Garnison. Bald standen 460
Soldaten mit Geschützen bereit, Cutlar
und seine Nachbarn bis zum Letzten zu
verteidigen.

US-Präsident James Buchanan, der
angeblich aus der Zeitung von dem eska-
lierenden Grenzkonflikt erfuhr, soll ent-
setzt gewesen sein. Längst tobten in Tei-
len der Vereinigten Staaten bürger-

kriegsähnliche Unruhen zwischen Nord-
und Südstaatlern, Sklavereigegnern und
Sklavenhaltern. Mit dem Aufstieg der
Republikanischen Partei im Norden
schien ein großer Bürgerkrieg immer

wahrscheinlicher. In dieser Situation
wollte Buchanan nicht auch noch in ei-
nen blutigen Konflikt mit Großbritan-
nien gezogen werden. Umgehend wurde
Winfield Scott, der Oberbefehlshaber
der US-Streitkräfte, an den Pazifik beor-
dert, der zusammen mit dem britischen
Gouverneur James Douglas einen Kom-
promiss aushandelte: Die Briten richte-
ten sich im Norden der Insel San Juan
ein, die Amerikaner im Süden, die Trup-
pen wurden weitgehend abgezogen.
1872 erreichte der Streitfall schließ-
lich Berlin. Wilhelm I. beauftragte drei
Juristen mit einer Expertise. Am 21. Ok-
tober verkündete der Kaiser seine Ent-
scheidung: Die Inseln gehörten den
USA. Zähneknirschend zogen die Bri-
ten ab. Lyman Cutlar hatte die Inseln
schon vorher verlassen. Als er 1874
starb, wurde sein Gewehr eine begehrte
Trophäe, war damit doch der einzige
tödliche Schuss in diesem Konflikt ab-
gegeben worden.

TNeue Geschichten aus der
Geschichte lesen Sie täglich auf:
http://www.welt.de/geschichte

Als die USA fast für ein Schwein in den Krieg gezogen wären


1 872 baten Briten und Amerikaner Kaiser Wilhelm I. um ein Urteil: Er sollte den Grenzkonflikt lösen, der sich seit 1859 zwischen beiden Staaten zuspitzte


Vancouver IslandVancouver Island KANADA

Seattle

Schweinekrieg
Endgültige Grenze zwischen
USA und Kanada

USAUSAUSAUSAUSAUSAUSA

KANADA

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