Die Welt - 19.10.2019

(Nora) #1
GijónGijón

AvilésAvilés

Atlantik

ASTURIENASTURIEN

KASTILIEN UND LEÓNKASTILIEN UND LEÓN

SPANIENSPANIENSPANIEN

�� km�� km

OviedoOviedo

Ribadesella
Llanes

ColombresColombresColombresColombresColombresColombres

Cangas
de Onís

Naturschutzpark
Pico de Europa

NaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzparkNaturschutzpark
Pico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de EuropaPico de Europa

EUROPAEUROPAEUROPAEUROPAEUROPAEUROPA

D


as Abendland wurde einst in Astu-
rien gerettet. Sagen zumindest ei-
nige Leute vor der Basilika in Can-
gas de Onís. Da jedoch zahlreiche
auswärtige Besucher Busreisende
asiatischer Provenienz sind, die mit dem hehren
Wort Abendland nicht allzu viel anfangen kön-
nen, setzten sie häufig hinzu: Hierbefindet sich
die Wiege Europas, ja sogar der EU – und diese
Wiege wurde (freilich symbolisch) erbaut wäh-
rend der Schlacht von Covadonga im Jahre 722.
Noch irgendwelche Fragen?

VON MARKO MARTIN

Ja, denn auch Asturienreisende fallen nicht so
einfach vom Himmel, sondern fahren zuvor auf
den wildromantischen Berg- und Talstraßen des
im Sonnenlicht sattgrün leuchtenden Nord-
westspaniens, entdecken am Atlantik die herr-
lich schroffe Küstenlinie, überqueren die Brü-
cken zahlloser Flüsschen, sehen Städt-
chen und urtümliche Dörfer, kurz:
Ehe sie vor der wuchtigen Basili-
ka von Cangas de Onís landen,
haben sie sich im Lande be-
reits etwas umsehen können


  • Zeit genug, um sich aufs
    Angenehmste verblüffen zu
    lassen.
    Erzählt sei deshalb zuerst
    einmal von den „Indianern“,
    auf die bis zum heutigen Tag
    nicht nur deren Nachkom-
    men, Asturiens Oberschicht,
    sondern das ganze Land stolz ist.
    Denn man verdankt ihnen eine groß-
    artige Architektur. Manche der einstigen
    „Indianer“-Domizile dienen inzwischen als sty-
    lishe Herbergen, andere sind zu Museen umge-
    widmet worden, so etwa die wohl schönste „In-
    dianer“-Dependance: die inmitten eines Palmen-
    parks von einem Hügel herab blau und weiß
    leuchtende La Quinta Guadalupe in Colombres,
    die auch das Archiv der „Indianer“ beherbergt.
    Mit dem seltsam anmutenden Namen hat es
    folgende Bewandtnis: Um dem Militärdienst zu
    entgehen oder der Armut zu entkommen, waren
    in der Zeit von 1855 bis 1930 über eine Viertel-
    million Asturier von der Hafenstadt Gijón
    aufgebrochen, um in der Neuen Welt des Chris-
    toph Kolumbus ihr Glück zu suchen. Im Unter-
    schied zum großen Entdecker wussten sie zwar
    sehr wohl, dass sie nach Kuba, Mexiko, Costa
    Rica, Chile oder Venezuela aufbrachen und nicht
    nach Indien, doch hat sich der Name gehalten –
    zumindest für diejenigen, die nicht bereits auf
    der stürmischen Atlantikfahrt gestorben oder in
    den Kolonien pleitegegangen waren, sondern
    dort so erfolgreich gewirtschaftet hatten, dass
    sie irgendwann in die asturische Heimat zurück-
    kehren konnten.
    Doch Ironie der Geschichte: Da diese reich ge-
    wordenen „Indianer“ nur unter sich heirateten
    (das Fachwort dafür heißt Endogamie), die Zahl
    potenzieller Heiratskandidaten mit der Zeit aber
    abnahm, gerieten etliche „Indianer“ nicht nur in


familiäre, sondern auch in wirtschaftliche Not.
In der Folge verkauften sie ihre architektoni-
schen Herrlichkeiten oder öffneten sie der Öf-
fentlichkeit. So können heutige Besucher in aller
Ruhe schauen und staunen. Sie laufen über la-
ckierte Holzböden, befinden sich in detailgetreu
gestalteten Museumsecken plötzlich auf einem
Schiffsdeck oder auf einer lateinamerikanischen
Hazienda-Terrasse wieder, entdecken in Vitri-
nen Krinolinen, Sonnenschirme und Sepiafoto-
grafien der asturischen Auswanderer in den Sa-
lons von Havanna oder Valparaíso, streichen
über kühle marmorne Balkonbalustraden.
Von der schönen Quinta Guadalupe in die für
viele schönste Stadt Asturiens, Llanes, zu fah-
ren, ist eine Sache von wenigen Minuten – für
Filmregisseure ist dieser Perspektivwechsel
nicht mehr als ein kurzer Kameraschwenk. Un-
zählige Filme wurden und werden in den asturi-
schen Häuschen innerhalb der aus dem 13. Jahr-
hundert stammenden Altstadtmauern von Lla-
nes gedreht oder in den ebenso
fotogenen, von Wind und son-
nenbeglänzten Wellen ge-
peitschten Strandbuchten
nahe der Stadt. Da hinter Lla-
nes – nicht minder kamera-
tauglich – die 2000 Meter
hohen Berggipfel von Spa-
niens ältestem Naturschutz-
park Pico de Europa zu se-
hen sind, nennen die Einhei-
mischen ihre Gegend gerne
„Schweiz am Meer“. Was auch
am Käse liegen dürfte: 70 Sorten
gibt es hier, zählt der Chef von Lla-
nes’ legendärem Restaurant „La Mari-
na“ auf.
Doch es sind vor allem die maritimen Köst-
lichkeiten von Seeteufel über Seespinne bis See-
igel, die in diesem Hafenstädtchen am besten
munden. Wobei das Wort Hafenstädtchen einge-
denk der prallen Geschichte tief stapelt. Immer-
hin war Llanes mit 65 Seeleuten an der Spani-
schen Armada beteiligt, die 1588 gen England se-
gelte; die Klosterruinen in der Nähe der Stadt
zeugen vom Furor des Spanischen Bürgerkriegs
(und der Unduldsamkeit manch atheistischer
Republikaner). Selbst der heutige Golfplatz ist
historisch aufgeladen, wurde er doch 1937 von
der Legion Condor, einem Luftwaffenverband
der deutschen Wehrmacht, der im Spanischen
Bürgerkrieg die putschenden Falangisten unter
General Francisco Franco unterstützte, als Flug-
platz genutzt.
Um von Llanes in das mehr als 100 Kilometer
entfernte Avilés zu gelangen, müssen Reisende
zwar etwas Zeit einplanen, doch der Aufwand
lohnt sich. Schon allein wegen des im blenden-
den Weiß gehaltenen futuristisch anmutenden
Kulturzentrums, das der brasilianische Architekt
Oscar Niemeyer noch kurz vor seinem Tod ent-
warf. Besonders eindrucksvoll ist die 18 Meter
hohe Kuppel, unter der mehr als 1000 Menschen
Platz finden. Eine breite Wendeltreppe schraubt
sich hinauf zu einem Panoramarestaurant mit
weitem Blick auf das Zentrum, die Hafenanlagen

Costa Verde, grüne Küste – so nennen die Spanier den 300 Kilometer langen atlantischen Meeressaum, der zur Region Asturien gehört

GETTY IMAGES

/RAMÓN ESPELT PHOTOGRAPHY

Spaniens GRÜNE KKKüste üste


Traumhafte Strände, eindrucksvolle


Gebirgslandschaften, filmreife Hafenstädte –


Asturien am Golf von Biskaya zählt zu den


unterschätzten Ecken auf der Iberischen Halbinsel


Bombastisch: Basilika de Santa María inin
Cangas de Onís

GETTY IMAGES/500PX

/MIGUEL DIAS / 500PX

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19.10.19 Samstag, 19. Oktober 2019DWBE-VP1


  • Belichterfreigabe: ----Zeit:Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Zeit:-Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Zeit:-Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: ---Zeit:---Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe:
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DIE WELT SAMSTAG,19.OKTOBER2019 SEITE 37

Multikulti-Küche in Kapstadts


Spitzenrestaurants Seite 44


Südafrika


REISEN


AnreiseBeispielsweise mit Lufthansa
(lufthansa.com) oder Eurowings
(eurowings.com) ab mehreren deutschen
Städten nach Bilbao, weiter mit Bus oder
Mietwagen nach Asturien. Oder mit Iberia
(iberia.com) via Madrid nach Oviedo in
Asturien.

Unterkunft„Gran Hotel Espana Atiram“,
Oviedo, DZ ab 50 Euro, atiramhotels.com;
„Hotel La Hacienda de Don Juan“, Llanes,
DZ ab 65 Euro, haciendadedonjuan.com

Auskunft spain.info/de

Tipps und Informationen


VVViel fotografiert: Die Brücke bei Cangas deiel fotografiert: Die Brücke bei Cangas de
Onís ist ein Wahrzeichen Asturiens

GETTY IMAGES/500PX PLUS

/KONSTANTIN IAGOUDINE

und die Altstadt von Avilés. Obwohl Besucher-
gruppen das Gelände durchstreifen und das Res-
taurant sowie die Cafeteria besucht sind, er-
scheint das Centro isoliert und von den Astu-
riern nicht richtig angenommen zu sein.
Auf dem Weg von Llanes nach Avilés liegt das
idyllische Hafenstädtchen Ribadesella; es wird
von der breiten Mündung des Río Sella zweige-
teilt – in eine beschauliche Altstadt und ein
mondänes Seebad mit zahlreichen „Indianer“-
Villen. Letztere haben Strandblick, doch nicht
nur das spricht für einen Zwischenstopp. Was
Ribadesella noch so besonders macht, ist ein
uralter Kultort. Denn was da am Ortseingang als
eine gigantische, 700 Meter ins Karstgestein ge-
triebene Höhlenkathedrale beworben wird, ent-
puppt sich als einstiger Treffpunkt von Cro-
Magnon-Menschen – in der Cueva de Tito Bu-
stillo haben sie vor mehreren Zehntausend Jah-
ren die Wände mit Tiergestalten und weiblichen
Fruchtbarkeitssymbolen bemalt und vermutlich
Riten zelebriert. Es gibt eine „Galerie der Pfer-
de“ ebenso wie eine „Galerie der Vulven“, wobei
Letzteres ein Indiz für die offenbar matriarcha-
lisch organisierte Struktur dieser frühmenschli-
chen Gesellschaft ist. Der Guide benennt die
Epoche als „das Magdalenische Zeitalter“ und
genießt für einen Augenblick im Schein der dif-
fus flimmernden Höhlenbeleuchtung die Ver-
blüffung der Besucher. Nein, mit der Jesu-Ge-
fährtin Maria Magdalena habe dies nichts zu tun,
gemeint sei vielmehr eine Kulturstufe am Ende
der Eiszeit, deren Namensgebung auf die Höhle
La Madeleine in der französischen Dordogne
verweist, die ebenso wie die asturische Höhle in-
zwischen Teil des Unesco-Weltkulturerbes sei.
Und dann: Im Kranze morgendlicher Sonnen-
strahlen taucht himmelwärts strebender rot-
brauner Zierrat aus Backstein auf, flankiert vom
Grün der Baumkronen – es ist die berühmte
Basilika de Santa María la Real in Cangas de
Onís, der ersten Hauptstadt Asturiens – „seit
722, nach dem Sieg über die Mauren in der
Schlacht von Covadonga“, sagt der lokale Guide.
Nahezu Identisches erzählen seine vielsprachi-
gen Kollegen, als wäre es eine Art A-capella-
Singsang für die hergeströmten Gäste aus aller
Welt, damit diese nicht nur die atemberaubende
Landschaft bewundern. Denn hier, so die Bot-
schaft, habe mit dem Sieg der christlichen
Truppen des Don Pelayo über die aus Cordoba
gekommenen Mauren die Reconquista, die
christliche Wiedereroberung Spaniens, begon-
nen – und damit Europa.
Eine Schulklasse aus Oviedo, der heutigen
Hauptstadt Asturiens, hört andächtig zu; am
meisten scheint die Jugendlichen zu freuen,
dass sie nun etwas mehr über jenen Pelayo er-
fahren, nach dem schließlich in fast jedem Ort
Spaniens eine Straße benannt ist. Ihr Ge-
schichtslehrer aber flüstert vernehmlich einige
jener Korrekturen, die längst historisches Stan-
dardwissen sind: Bei der damaligen Schlacht hat
es sich wohl eher um ein überschaubares Schar-
mützel gehandelt, und so wenig wie die Mauren
nachhaltig am bergigen Asturien interessiert
waren, so wenig dachte der Lokalfürst Don

Pelayo an ein unter christlichem Regiment wie-
dervereinigtes Spanien. „Und die Basilika wurde
erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts einge-
weiht“, erklärt der freundliche Geschichts-weiht“, erklärt der freundliche Geschichts-
kenner halblaut, „ein paar Jahre nach den Krie-
gen von 1898, als Spanien mit Kuba und den
Philippinen die letzten bedeutenden Kolonien
an die USA verloren hatte. Da musste Kompen-
sation her, und so baute man das Gotteshaus
und erinnerte sich plötzlich der Schlacht von
Covadonga.“
Also alles nur ein Fake? Nein. Denn die An-
dacht der Gläubigen in der winzigen Kapelle
der nahe gelegenen Höhle Cueva Santa ist zwei-
fellos real und verdient Respekt. Zumal die
Schönheit des Ortes Fragen nach seiner Histo-
rizität beinahe zweitrangig macht: Anmutig
rauscht ein Wasserfall, melodisch murmeln die
Pilger vor dem Bildnis der Muttergottes, wäh-
rend auf der anderen Seite des tiefgrünen Tals
die über den Bergen unaufhaltsam höher stei-
gende Sonne die Basilika nun in ein beinahe
überirdisches Licht taucht. Kein Wunder, denkt
der ästhetisch ergriffene Besucher, dass sich
nicht nur Galicien, sondern auch Asturien am
Jakobsweg befindet.
Auf dem Weg nach Oviedo liegt am Stadtrand
von Cangas de Onís eine romanische, mit einem
Victoria-Kreuz geschmückte Brücke; ob ihres
scheinbaren Schwebens zwischen dem Blau des
Flußwassers und dem Himmelsazur ist sie eine
der meistfotografierten Sehenswürdigkeiten
Spaniens. Oviedo wiederum lässt seit einiger
Zeit die Herzen von Feministen höher schlagen –
und das mit dem Segen des Madrider Königs-
palastes. Wofür die Stadt auf dem Hügel nämlich
weltweit berühmt ist, sind nicht nur ihre be-
eindruckende spätgotische Kathedrale und die
beiden Weltkulturerbe-Kirchlein auf dem Na-
ranco-Berg, sondern auch ein Preis, der dem No-
belpreis ebenbürtig ist – der renommierte Prinz-
von-Asturien-Preis. Die von keinem Geringeren
als Joan Miró entworfene Skulptur wurde (nebst
50.000 Euro) im Laufe der Jahre so illustren Per-
sönlichkeiten überreicht wie Joanne K. Rowling,
Plácido Domingo, José Carreras, Günter Grass,
Helmut Kohl, Leonard Cohen, Bob Dylan, Jür-
gen Habermas, Francis Ford Coppola, Annie Lei-
bovitz sowie Woody Allen, der in Oviedo einen
seiner Filme gedreht hatte.
Vor einiger Zeit aber kam es Spaniens König
Felipe in den Sinn, den Preis, der jedes Jahr nicht
nur die Ausgezeichneten, sondern auch zahlrei-
che ihrer Fans in die Stadt lockt, gendergerecht
zu modernisieren. Ergo wird seit nunmehr fünf
Jahren der Prinzessin-von-Asturien-Preis verlie-
hen. Und zwar – schöne Pointe – nach einer
zweitägigen Jurytagung im Hotel „Reconquista“.
So gesehen hat sich das Scharmützel von Cova-
donga im Jahre 722 vielleicht doch gelohnt.

TDie Teilnahme an der Reise wurde
unterstützt von Lufthansa und dem Spanischen
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EElegant: Das Centro Niemeyer in Aviléslegant: Das Centro Niemeyer in Avilés
lockt Architekturfans an

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/VIEW PICTURES

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