Die Welt - 19.10.2019

(Nora) #1
AFP

/ CHRISTOF STACHE

E


inspieler. Musik. Licht an.
Bühne leer. Die Verblüffung
ist den Delegierten des
CSU-Parteitags ins Gesicht
geschrieben. Ja, wo issa
denn? Er, der Generalsekretär, der laut
Programm diesen Parteitag eröffnen
sollte, fehlt. Scheinbar. In einer filmäs-
thetischen Mischung aus „Blair Witch
Project“ und „Wetten, dass..?“ taucht er
plötzlich auf den riesigen Leinwänden
auf. Markus Blume steht hinten auf der
Tribüne, im Gästeblock in der großen
Olympiahalle München, dem Teil eines
Parteitags, der meist links liegen gelas-
sen wird. Wie ein Showmaster befragt
er die geschmeichelten Gäste, was sie
bewogen habe herzukommen. Ihm as-
sistiert Melanie Huml, CSU-Vize und
bayerische Gesundheitsministerin.
Showtime bei der CSU.

VON THOMAS VITZTHUM
AUS MÜNCHEN

Und als hätte die CSU die Gäste vor-
her gecastet, wer die dramaturgisch pas-
sendste Bemerkung abgibt, sagt einer
vom Tegernsee: „Ich bin in Zeiten von
Franz Josef Strauß immer bei allen Par-
teitagen gewesen. Und ich finde, dass wir
jetzt wieder in einer Zeit des Aufbruchs
sind.“ Was Markus Söder in seiner kur-
zen Zeit als Chef geschafft habe, das sei
wirklich großartig. Da war alles nach
CSU-Geschmack drin: Früher, beim
Strauß, war es irgendwie schöner. Heute
ist es vielleicht nicht mehr so schön, aber
wir müssen irgendwohin aufbrechen.
Und wir wissen auch, mit wem. Dem
Markus aus Nürnberg.
Als Söder im Januar zum Parteichef
gewählt wurde, besetzte die CSU die
kleine Olympiahalle nebenan. Neun Mo-
nate später muss es schon die große
sein, und die ist wirklich sehr groß. Die
CSU will damit ein Signal setzen, unter-
streicht ihr neues Selbstbewusstsein.
Unter CSU-Chef Horst Seehofer waren
Parteitage zuletzt vor allem wichtig, um
die Moral der Partei hochzuhalten. Sie
dienten der Selbstvergewisserung. Da-
für brüskierte Seehofer 2015 auch die
Bundeskanzlerin auf offener Bühne, in-
dem er sie wie ein Schulmädchen abkan-

zelte. Er meinte, dies sei nötig, um in der
Flüchtlingskrise die CSU zufriedenzu-
stellen. Söder käme das nicht in den
Sinn. Er ist da pragmatisch. Als er vor
der Halle gefragt wird, ob er denn mit
seinem Modernisierungskurs nicht den
einen oder anderen zurücklasse, ant-
wortet er mit einer Art Anti-Klimax:
„Mitnehmen. Alle mitnehmen. So viele
mitnehmen, wie es geht.“ Wer sich Sö-
ders Erneuerungsbestrebungen nicht
anschließt, bleibt halt zurück. Er will die
CSU weiblicher, jünger machen. Am

Samstag will die CSU dafür eine um-
fangreiche Parteireform beschließen.
Mit seinem Generalsekretär will er
eine digitale Partei schaffen. Der hält
sich dann auch bei seiner Rede lange bei
den digitalen Präsentationsformen der
CSU auf. Das langweilt offenbar viele.
Als Markus Blume stolz verkündet, dass
man die Reaktionen auf die CSU im
Netz um 136 Prozent steigern konnte,
fällt der Applaus spärlich aus. Er er-
mahnt die Anwesenden, bitte alle ihre
Online-Kommunikationsdaten zu über-

mitteln. Nur von der Hälfte der Mitglie-
der habe die CSU diese bisher. Wer
glaubt, Digitalisierung sei für eine Par-
tei wie die CSU nur die Frage eines Auf-
tritts auf mehr Plattformen, verkennt
den Kulturschock, den Digitalisierung
für viele Anhänger bedeutet.
Sie steht für eine Unsicherheit an der
Gegenwart und eben das Gefühl, dass
früher alles schöner war. Es ist Söders
Leistung, seine Partei zu überzeugen,
dass es für Nostalgie keine Meriten
mehr gibt. Seehofer stellte etwa die Ge-

schlossenheit nie infrage. „Die CSU ist
wieder da, die CSU ist geschlossen, bä-
renstark“, das waren seine über die Jah-
re immer wiederkehrenden Worte. Sö-
der sieht das anders: „Unsere Stamm-
wähler werden jeden Tag etwas weniger,
junge Menschen, junge Frauen kommen
nicht ohne Weiteres dazu. Wir haben in
den Städten bedenkliche Entwicklun-
gen.“ Es werde nicht reichen, einfach
nur weiterzumachen wie bisher, sagt er
in seiner Rede. „Es reicht nicht, nur die
glorreichen alten Zeiten zu beschwören.
Es bleibt uns nichts anderes übrig: Wir
müssen uns entwickeln, wir müssen vo-
rangehen.“ Dabei bestimme nicht die
Partei und auch nicht das einzelne Mit-
glied das Tempo. „Das Tempo bestimmt
die Gesellschaft.“ Die CSU müsse ver-
lässlich und modern sein. „Ich möchte,
dass wir Pioniere der Zukunft sind.“
Einige treffen Söders Worte hart. Ein
Mitglied der Jungen Union und ein älte-
rer Herr machen sich im Anschluss
Luft. „Wir müssen die Meinungen der
Menschen in unserem Interesse än-
dern“, fordert der junge Mann. Es ist ei-
ne Haltung der CSU von gestern. Und
der Parteitag teilt sie nicht. Er gibt Sö-
der mit respektablen 91,34 Prozent Rü-
ckendeckung für seinen Kurs. Im Januar
bekam er 87,4 Prozent. Söder hat es ge-
schafft, seine Mahnungen motivierend
rüberzubringen. „Wir können Laptop
und Lederhose. Wir können Dirndl und
Digitales. Wir können Sushi und
Schweinsbraten. Wir können auch Ber-
lin und Bayerischer Wald.“
Söder hat natürlich den großen Vor-
teil, dass – anders als zu Seehofers Zei-
ten, da Söder selbst für viele die Alter-
native war – er derzeit keinerlei Kon-
kurrenz hat. Es zählt nur sein Wort. Er
schneidet die CSU ganz auf sich zu. Und
die folgt ihm. Söder hat es im bayeri-
schen Wahlkampf gespürt, dass es au-
ßerhalb einer Partei aber nicht leichter
wird, wenn man keinen richtigen Geg-
ner hat, sondern schwieriger. Also bläst
er die Grünen zur kommenden Kanzler-
partei auf, die SPD spielt für ihn da kei-
ne Rolle mehr. Die CSU will nicht auf
schwarz-grünen Kurs gehen, sie will
Schwarz klar gegen Grün in Stellung
bringen.

SHOWTIME


bei der CSU


Markus Söder hat seiner Partei neues Selbstbewusstsein gegeben,


gerade weil er ihr die ungeschönte Wahrheit ins Gesicht sagt


Versteht bitte und Tanke.


Fortschritt in seiner schönsten Form: der neue Audi A4 mit natürlicher Sprachsteuerung*.


*Optionale Zusatzausstattung.

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19.10.19 Samstag, 19. Oktober 2019DWBE-HP


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DIE WELT SAMSTAG,19.OKTOBER2019** POLITIK 5


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ie Proteste der katalanischen Un-
abhängigkeitsbewegung gegen die
Haftstrafen für neun Separatistenfüh-
rer haben am Freitag den Verkehr in der
Region Katalonien teilweise lahmgelegt.
Wegen eines Generalstreiks strichen
die Fluggesellschaften Iberia und Vu-
eling Dutzende Flüge. Auch der Zugver-
kehr war beeinträchtigt. Demonstran-
ten blockierten mehrere Straßen, Ange-
stellte der VW-Tochter Seat legten die
Arbeit ebenso nieder wie die Beleg-
schaft der katalanischen Supermarkt-
kette Bonpreu. Zahlreiche Universitäts-
Hörsäle blieben leer.
„Picknick für die Republik“, lautete
das Motto des Generalstreiks, bei der
die Teilnehmer lautstark die Freilas-
sung der Separatistenführer forderten
und die Flagge der katalanischen Unab-
hängigkeitsbewegung schwenkten. Es
blieb dabei friedlich. In den vergange-
nen Tagen und vor allem Nächten war
es in verschiedenen Teilen Kataloniens
zu teils heftigen Ausschreitungen und
Zusammenstößen mit der Polizei ge-
kommen.
Die Aktionen sind eine Reaktion auf
die Urteile des Obersten Gerichts in
Madrid, das am Montag sieben ehemali-
ge Spitzenpolitiker der abtrünnigen Re-
gion und zwei Anführer ziviler Organi-
sationen des Aufruhrs für schuldig be-
funden hatte. Wegen ihrer Rolle bei
dem Abspaltungsreferendum vom Ok-
tober 2017 wurden sie zu Gefängnisstra-
fen von bis zu 13 Jahren verurteilt.
Auch die Sagrada Familia, eines der
Wahrzeichen Barcelonas, wurde am
Freitag vom dem Generalstreik erfasst.
Das weltberühmte Gotteshaus schloss
vorübergehend seine Pforten, „um die
Sicherheit von Besuchern, Arbeitern
und Belegschaft zu garantieren“. dpa

KKKatalonien: atalonien:


Chaos und Gewalt


kehren zurück


Flüge und Züge fallen aus,


Sagrada Familia schließt


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