Kürzlich saß ich mit einer befreundeten
Galeristin beim Mittagessen. Die Sinn
krise, die sie spürte, kam nicht daher,
dass sie inzwischen ein mittelständi
sches Unternehmen führt und wie
ferngesteuert von einer Museumsaus
stellungseröffnung zur nächsten fliegt,
wenn sie nicht gerade selbst Ausstel
lungen an verschiedenen GalerieStand
orten eröffnen muss. Auch nicht die
vielen stumpfen Stunden in den Kojen
internationaler Messehallen waren
der Auslöser.
Es war das Werk einer ihrer
bekanntesten Künstlerinnen, oder bes
ser die Kiste, in der sich die Arbeit
befand, eine Kiste, die über und über
von Aufklebern diverser Flughäfen,
Zollstationen und Museen beklebt war,
und die ihr nun völlig zu Recht das
Bild vermittelte, sie sei bereits dreimal
rund um die Erde geflogen.
Wenn schon ein einziges Kunst
werk so viele Flugmeilen ansammeln
konnte, wie stand es dann um die un
gezählten anderen Werke, die sie
weltweit mit ungezählten Mitarbeitern
zu ungezählten Messen und Biennalen
entsandte?
Hatte man sich nicht all die Jahre
auf der richtigen Seite der Geschichte
gefühlt, hatte man nicht kritische, femi
nistische, globalisierungsskeptische
Kunst promotet – nur um jetzt aufzu
wachen und festzustellen, dass man
mit seinem einst gut gemeinten und
jetzt gut geölten Unternehmen fast
so viel CO 2 produzierte wie ein kleines
Braunkohlekraftwerk?
Daran, bei aller criticalitycriticalitycriticality längst zum längst zum
Dienstleister der Superreichen ge
worden zu sein, hatte sie sich bereits
gewöhnt. Daran, im Zuge dessen die
Welt in Grund und Boden zu fliegen,
noch nicht.
Was Kinder und ein paar freitäg
liche Demonstrationen alles verän
dern können, sagte sie und schob ihren
knusprig gebratenen Oktopus von
sich weg. Morgen gehe es nach London
zur Frieze, der Appetit sei ihr heute
schon vergangen.
Zurück im Büro bekomme ich
eine letzte Kolumne für diese Ausgabe
geschickt. Und siehe da: Plötzlich zeigt
sich auch Ulf Poschardt ganz Greta
inspiriert. Sind seine Schnellsten Skulpturen
der Weltder Weltder Welt immer wieder Anlass zu immer wieder Anlass zu
Hymnen auf kraftstrotzende Verbren
nungsmotoren, so widmet er sich
diesmal dem Goggomobil. Die Gog
gos, schreibt er, wirken wie Boten
aus der Zukunft. „Weil alles kleiner
werden soll. Weil klein ganz groß ist.
Und groß böse ist.“ Ein Plädoyer fürs
Downsizing? Es geschehen Zeichen
und Wunder.
„Daran, bei aller
criticalitycriticalitycriticality längst zum längst zum
Dienstleister der
Superreichen geworden
zu sein, hatte sie
sich bereits gewöhnt.
Daran, im Zuge
dessen die Welt in Grund
und Boden zu fliegen,
noch nicht“
AUFTAKT
CORNELIUS TITTEL
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