„DAS HATTE VIEL
MIT MIR ZU TUN“
Der Design-Entrepreneur ANDREAS MURKUDIS fotografiert von INA NIEHOFF
BLITZSCHLAG
MICHAEL SCHMIDT
Triptychon I (Triptychon I (Triptychon I (ausaus Waffenruhe), 1985–1987
Es ist ein Augenblick
der Gewissheit:
Dieses Kunstwerk
trifft mich im Kern.
Andreas Murkudis
über Waffenruhe von
Michael Schmidt
I
ch war 26 Jahre alt, als ich im
Gropiusbau die Ausstellung
WaffenruheWaffenruheWaffenruhe von Michael Schmidt von Michael Schmidt
sah, das war 1987. Mein Büro
lag direkt neben dem Raum der
Berlinischen Galerie, in dem
der Fotokurator Janos Frecot die
Schau installiert hatte. Ich selbst
arbeitete seit zwei – von insgesamt
15 – Jahren im Museum der
Dinge, das hier ebenso wie das
Jüdische Museum untergebracht
war. Mein Ausblick ging auf
den Potsdamer Platz und auf das
Schild „Sie verlassen jetzt den
Amerikanischen Sektor“. Damals
lag der Haupteingang des Mu-
seums auf der Rückseite, weil auf
der anderen die Mauer langlief,
das sieht man heute noch an
dem Metallstreifen. Jeden Mor-
gen begrüßte man die Grenz-
polizisten, die hier mit ihrenMa-
schinengewehren standen, mit
Blicken. Für mich waren Schmidts
Fotos der Serie WaffenruheWaffenruheWaffenruhe also also
tägliche Routine. Das dunkle, de-
primierende Berlin und die Punks
haben mich immer umgeben.
Ich bin aufgewachsen im
Wedding und in der Pallasstraße,
wo der Bunker steht, zur Schu-
le gegangen. Ende der Siebziger-
jahre war ich oft im Sound, wo
auch Christiane F. hinging. Später
war ich Punk und ging ins Punk-
haus bei der Schaubühne, danach
in den Dschungel, wo Marc
Brandenburg Türsteher war. Zum
Gropiusbau fuhr ich immer
am Reichstag und am Potsdamer
Platz vorbei. WaffenruheWaffenruheWaffenruhe hat also hat also
viel mit mir zu tun. Sie ist eine
der emotionalsten Serien von
Schmidt. Man sieht Wasser oder
jemanden, der sich mal die Puls-
adern aufgeschnitten hat. Seine
Stadtlandschaften sind dagegen
sehr sachlich und distanziert.
WaffenruheWaffenruheWaffenruhe hat mich lange verfolgt, hat mich lange verfolgt,
bis ich ein Triptychon bei der
Galerie Nordenhake kaufen
konnte. Und das Buch zur Aus-
stellung fand ich so toll, dass
ich es 2003 in meinem ersten La-
den anbot – in der Berlinischen
Galerie kaufte es keiner. Einer
meiner besten Kunden war
Hedi Slimane, der damals in den
Kunst-Werken wohnte und
Schwarz-Weiß-Fotos machte, die
an Schmidt erinnern.
Ein anderes Wahnsinnsfoto
von Schmidt ist übrigens das
von dem kleinen Mädchen mit
Kassenbrille aus den Sechziger-
jahren, das wie aufgebahrt auf
einem Tisch liegt, Blut läuft
ihr aus der Nase. Das ist sehr be-
eindruckend, weil man nicht
weiß, ob sie lebt oder tot ist. Sie
waraber nur ohnmächtig. Das
Foto gab es für unter 1.000 Mark
von Eleni Koroneou zu kau -
fen, aber so viel verdiente ich nicht
mal im Monat. Seitdem jage
ich der Arbeit nach, aber immer
ist jemand schneller als ich.
© WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung DIE WELT -2019-10-19-ab-22 2dd4ee8fe593fed5467e953d1e57646c
UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws