Die Welt - 19.10.2019

(Nora) #1
Zukunftsvision von 1950: Eine Familie fliegt in den Urlaub. Das könnte bald Realität sein

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/GRAPHICAARTIS

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enn man Sebastian Thrun
fragt, was er dazu sagt, dass
Tesla-Chef Elon Musk nicht
wie er an fliegende Autos,
sondern an autonome Fahr-
zeuge und unterirdische Hyperloops als Fortbe-
wegungsmittel der Zukunft glaubt, dann antwor-
tet er schlicht: „Elon denkt, ich habe unrecht,
aber Larry findet, dass ich recht habe.“

VON PHILIPP VETTER

Larry, das ist Larry Page, einer der beiden
Google-Gründer. Thrun ist einer der bekanntes-
ten Deutschen im Silicon Valley und per Du mit
Leuten wie Larry und Elon. Der Professor an der
Universität Stanford lehrt und forscht nicht nur
zu künstlicher Intelligenz und Robotik, sondern
hat bei Google auch das selbstfahrende Auto
miterfunden. Jahrelang leitete er das Projekt
Google X, in dem allerlei Vorhaben verfolgt wur-
den, die man anfangs für völlige Spinnerei hielt.
So wie das selbstfahrende Auto.
Doch Thrun ist bereits weitergezogen. Wäh-
rend Google das autonome Fahren mit seinem
Tochterunternehmen Waymo immer weiter vo-
rantreibt und in Phoenix im US-Bundesstaat
Arizona bereits einen ersten kommerziellen
Shuttledienst mit selbstfahrenden Autos anbie-
tet, ist Thrun inzwischen Chef von Kitty Hawk.
Das Unternehmen will Geräte entwickeln, die
oft Flugtaxis genannt werden: autonom fliegen-
de, elektrische Drohnen, die Menschen trans-
portieren können.
Thrun will das Geschäftsmodell der am Bo-
den fahrenden autonomen Taxis schon durchei-
nanderwirbeln, bevor es überhaupt existiert.
„Ich denke, dass wir die Disruptoren für das
selbstfahrende Auto sein werden“, sagt Thrun
im Gespräch mit WELT. „Das selbstfliegende
Auto wird sich gegen das selbstfahrende Auto
durchsetzen.“ Thrun war vor wenigen Wochen
zur Internationalen Automobilausstellung
(IAA) in Frankfurt. Denn längst arbeiten auch
die Aussteller der Autoshow an ihren eigenen
selbstfahrenden Autos, die sie anfangs bei
Thrun belächelt hatten.
Mit seinem zweiten Unternehmen Udacity
bildet Thrun zudem in einer Art Fernkurs Mitar-
beiter fast aller großen Autobauer zu Themen
wie künstlicher Intelligenz aus. Einige der Ab-
solventen, die jetzt für deutsche Hersteller an
autonomen Autos basteln, traf Thrun bei der
Messe wieder. Doch geht es nach ihrem Profes-
sor, ist die Technik, an der sie arbeiten, schon
überholt, bevor sie überhaupt bewiesen hat, dass
sie funktioniert. „Das passiert ständig im Silicon
Valley“, sagt Thrun. „Selbstfahrende Autos ver-
suchen, um es in einem Satz zu sagen, nicht mit
irgendetwas zu kollidieren.“ Und die Hindernis-

se seien nun mal alle am Boden, ab einer Höhe
von 300 oder 400 Metern gebe es so gut wie kei-
ne mehr. „Es ist sehr viel leichter, ein System zu
bauen, das selbst fliegt, als eines, das selbst
fährt“, sagt Thrun.
Der Professorist überraschenderweise nicht
allein mit dieser Einschätzung. Alejandro Vuko-
tich argumentiert da sehr ähnlich. Vukotich lei-
tet bei BMW ausgerechnet die Entwicklung des
autonomen Autos. „Das autonome Fahren ist ei-
ne extrem komplexe Aufgabe, das ist jetzt auch
von vielen Start-ups erkannt worden“, sagt er
WELT. „Da kommt ein bisschen Realismus rein.“
Tatsächlich ist die Euphorie in großen Teilen
der Autoindustrie verflogen – nicht nur bei
Start-ups. Noch vor wenigen Monaten unterbo-
ten sich die Hersteller mit Prognosen, wann die
ersten selbstfahrenden Autos auf die Straßen
kommen würden. Vom Anfang der nächsten De-
kade war bei Bosch und Daimler die Rede, BMW
sprach von einem autonomen iNext ab 2021. Das
ist in zwei Jahren.
„Es war ein klarer Hype in den vergangenen
Jahren“, sagt Professor Thrun. „Die öffentliche
Meinung bewegt sich immer in Wellen.“ Anfangs
habe niemand seine Arbeit ernst genommen.
„Dann war es plötzlich das heißeste Thema, das
es überhaupt gab.“ Doch die Wellen würden den
Fortschritt nicht aufhalten. „Der Fortschritt ist
nach wie vor da, und zwar sehr, sehr stark“, sagt
Thrun. „Wir sehen inzwischen mehrere Firmen,
die bereits angefangen haben, kommerziell zu
testen. Da können andere Personen mitfahren.“
Nicht nur die Google-Tochter Waymo, son-
dern auch der Zulieferer Aptiv, die General-Mo-
tors-Tochter Cruise, aber auch Start-ups wie
Zoox testen solche Services. „Die haben alle
noch Sicherheitsfahrer an Bord, die haben noch
kein Geschäftsmodell, das funktioniert“, sagt
Thrun. „Aber wenn der Sicherheitsfahrer ir-
gendwann wegfällt, glaube ich, dass die es schaf-
fen können, Mobilitätsdienste unter den Kosten
eines Autos anzubieten.“
Die Frage ist aus seiner Sicht nur: Warum soll-
te man am Boden autonom fahren, wenn man
doch leichter autonom fliegen könnte? Seine Fir-
ma Kitty Hawk arbeitet gleich an mehreren Flug-
taxi-Prototypen, eine Version, „Cora“ genannt,
entwickelt das Start-up zusammen mit dem
Flugzeugbauer Boeing. Das Modell „Flyer“ fliegt
bereits und wird über Wasser getestet. „Wir sind
noch nicht an dem Punkt angekommen, an dem
wir zuversichtlich sind, dass sie wirklich hun-
dertprozentig sicher sind. Deswegen betreiben
wir es über Wasser“, sagt Thrun. Doch in Zu-
kunft sollen die Fluggeräte auch über Städten
schweben.
Die Konkurrenz dürfte auch bei den Taxidroh-
nen groß werden. Einige Konzerne und Start-ups
arbeiten ebenfalls an der Entwicklung. Die be-

kanntesten sind die Neugründungen Lilium so-
wie Volocopter, an dem Daimler beteiligt ist. Au-
di hat ein gemeinsames Projekt mit Airbus wie-
der eingestellt, dafür wird die Entwicklung der
Fluggeräte im Volkswagen-Konzern nun bei Por-
schegebündelt, wo man dafür ebenfalls mit Bo-
eing kooperiert. Auch Airbus arbeitet an Flugta-
xis. Sogar erste Strecken wie in Singapur oder
Dubai haben einige der Unternehmen bereits an-
gekündigt – allerdings alle mit Piloten an Bord
und nicht autonom.
So unterscheiden sich die angeblichen Flugta-
xis jedoch kaum von Helikoptern. Und die sind
nicht nur laut, sondern vor allem deutlich teurer
als jedes Auto. Die Technologie, die Thrun für so
überlegen hält, ist viel radikaler: „Wir haben Sys-
teme, die energietechnisch besser sind als Autos,
die deutlich schneller sind und auch deutlich si-
cherer sein werden, wenn wir mit unserer Arbeit
fertig sind“, sagt er. „Die Energie, die man ein-
spart, weil man eine gerade Linie zum Ziel fliegt
und nicht mehr an Ampeln anhalten muss, ist
wesentlich größer als die, die man aufwenden
muss, um in der Luft zu bleiben“, behauptet der
Professor. Man spare zudem beim Kraftstoff,
weil Strom billiger ist als Kerosin. Die Wartung
sei billiger, und auch das Gehalt des Piloten falle
weg, wenn der autonome Flug gelingt.
Und noch ein Problem wird gelöst, das aller-
dings bislang vor allem die Milliardärsnachbarn
von Thrun betrifft: „Die neuen Systeme, die wir
bauen, sind auch sehr viel leiser als Helikopter“,
sagt er. „In Nappa, nördlich von San Francisco,
wo ich wohne, hat die Stadt gerade beschlossen,
dass keine privaten Helikopterflüge mehr statt-
finden dürfen wegen des Lärms.“ Das Problem
beschäftigt Normalverdiener bislang wenig.
Doch Thrun ist sich sicher: „Am Ende werden
autonome Fluggeräte – oder wie manche sagen:
fliegende Autos – die bessere Alternative sein –
auch für den täglichen Stadtverkehr.“
Thrun glaubt auch nicht, dass die Technolo-
gie daran scheitern könnte, dass die Menschen
nicht in ein Flugobjekt ohne Pilot einsteigen
wwwürden. „Am Anfang wird die psychologischeürden. „Am Anfang wird die psychologische
Hürde hoch sein, aber wir werden uns daran ge-
wöhnen“, sagt er. „Wir haben lange Zeit ge-
glaubt, dass ein Mensch stirbt, der sich schnel-
ler bewegt, als er rennen kann, heute steigen
wir gern in einen Jet ein, der uns über den
AAAtlantik bringt.“tlantik bringt.“
Immerhin geht Thrun trotz aller Euphorie
über die selbstfliegenden Drohnen nicht davon
aus, dass sie alle anderen Verkehrsmittel erset-
zen werden. Auch autonome Autos bekommen
so eine Chance. „Es wird nie nur eine Modalität
geben, heute gibt es ja auch Motorräder und Bus-
se“, sagt Thrun. „Und es gibt Menschen, die
nach wie vor mit dem Schiff über den Atlantik
fahren.“

AUTONOM


fffliegen ist das liegen ist das liegen ist das


neue Fahren


Sebastian Thrun hat bei Google das selbstfahrende Auto miterfunden. Doch inzwischen arbeitet er an Geräten, die das Geschäftsmodell


durcheinanderwirbeln, bevor es überhaupt richtig existiert. Den deutschen Stanford-Professor zieht es in die Luft. Und damit ist er nicht allein


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19.10.19 Samstag, 19. Oktober 2019DWBE-HP


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WIRTSCHAFT


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Politiker genießen auf


Facebook Narrenfreiheit Seite 12


Mark Zuckerberg


Der für Sonntagangekündigte Warnstreik
bei der Lufthansa-Gruppe könnte weit mehr
Passagiere treffen als bislang angenommen.
Die Kabinengewerkschaft Ufo hat am Frei-
tag ihren Streikaufruf auf die übrigen deut-
schen Flugbetriebe des Lufthansa-Konzerns
ausgeweitet. Nun sollen am Sonntag zwi-
schen 5.00 und 11.00 Uhrbundesweit auch
sämtliche Starts der Töchter Eurowings,
Germanwings, Lufthansa Cityline und Sun-
Express bestreikt werden, wie die Gewerk-
schaft mitteilte. Die Androhung von Streiks
gegen die Kerngesellschaft Lufthansa in

Frankfurt und München wurde dagegen
zurückgenommen. Mit dieser Drohung sind
nun rund 3 00 statt der bislang bekannten
1 60 Abflüge im Streikzeitraum gefährdet.
Zehntausende Passagiere müssen um ihre
Verbindung bangen. Ufo zeigte sich unbe-
eindruckt von der kurzfristigen Ankündigung
des Konzerns, die Gehälter für die Beschäf-
tigten der Kernmarke freiwillig um 2,0 Pro-
zent zu erhöhen und damit die Forderung
von 1,8 Prozent überzuerfüllen. Damit sei
zunächst nur die Forderung für eine von fünf
Gesellschaften erfüllt, erklärte ein Sprecher.

Gewerkschaft Ufo weitet Warnstreiks bei der Lufthansa aus


Das Flugtaxi „Cora“ entwickelt die Firma Kitty Hawk zusammen mit dem Flugzeugbauer Boeing

KITTY HAWK AERO

Das Modell „Flyer“ von Kitty Hawk ist über Wasser bereits im Einsatz

KITTY HAWK AERO

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