Süddeutsche Zeitung - 12.10.2019

(singke) #1
von dorothea baumer

D


ie Highlights, Münchens feine
Kunst- und Antiquitätenmes-
se in der Residenz, ist eine ver-
gleichsweise junge Erschei-
nung. Die Veränderungen der
internationalen Messelandschaft in jüngs-
ter Zeit hat auch sie zu spüren bekommen.
Doch wenn sie jetzt mit einer Jubiläums-
schau auf ihr zehnjähriges Bestehen zu-
rückblickt, gibt es allen Anlass zur Feier.
Den Besucher erwartet eine der schönsten
Messen, das Angebot der 40 Aussteller ist
hervorragend, und dass mit das Staunens-
werteste von den Altkunsthändlern aufge-
boten wird, gehört zu ihrer Signatur.
Nicht, dass es an Werken moderner und
zeitgenössischer Kunst fehlen würde. Sie
sind, im Gegenteil, weit in der Überzahl
und werden gern in spannenden Nachbar-
schaften inszeniert. Die eigentlichen Her-
ausforderungen heute sieht Thole Roter-
mund, ein auf Papierarbeiten expressio-
nistischer Künstler spezialisierter Händ-
ler, wie wohl andere Kollegen auch, in ei-
ner veränderten Sammlerkultur. „Der
stringente Sammler ist passé“, sagt er, „er
ist zum Eklektiker geworden, sehr selektiv
und breit aufgestellt. Dieser neue Samm-
lertypus ist ein Jäger des Außergewöhnli-
chen.“ Darauf versuchen die Händler zu re-
agieren. Eben diesen Sammlern bietet die
Messe ein erstaunlich ergiebiges Terrain.
So findet, wer den Zauber früher Bildta-
feln sucht, Unvergleichliches am Stand
von Senger versammelt: etwa einen male-
risch exquisiten spätgotischen Reisealtar
aus dem Umkreis des Tirolers Michael Pa-
cher mit zentraler „Madonna mit
Kind“-Szene oder auch eine wunderbar
kernige Schilderung einer „Auffindung
des Heiligen Kreuzes“ des in München so
nachhaltig tätigen Jan Polack (480 000,
68 000 Euro).
Einen hochkarätigen Bilderbogen nie-
derländischer Malerei des 17. Jahrhun-
derts spannt dagegen der Altmeisterhänd-
ler De Jonckheere auf. Außerdem bietet er
das seltene, 1538 datierte Lucas-Cranach-
Motiv „Lasset die Kindlein zu mir kom-
men“ (2,5 Millionen). Die fast ins Surreale
tendierende Möbelskulptur eines venezia-

nischen Prunksessels des 18. Jahrhun-
derts schärft bei Christian Eduard Franke-
Landwers den Blick auf eine gerade ein-
mal vier Wochen alte Entdeckung: einen
für Kurfürst Karl Theodor gefertigten
Schreibschrank von Jakob Kieser, bedeu-
tend, weil eines der ganz wenigen Möbel
aus dem Mannheimer Schloss, die sich er-
halten haben (84 000).
Als „extrem selten“ rühmt auch ein am
Stand von Röbbig angetroffener Meißen-
Experte ein Paar Bechervasen von 1735
mit brillantem Löwenfink-Blütendekor
(280000). Und dennoch erscheint all das
Einzigartige als ein bloßes Vorspiel, betritt
man Peter Mühlbauers Stand, der eine sen-
sationelle Fülle an nie gesehenen baro-
cken Elfenbeinarbeiten birgt. Darunter ist
ein Heiliger Sebastian, den der flämische
Barockmeister François Duquesnoy in sei-
ner von Algardi und Bernini inspirierten
römischen Zeit gemalt hat.
Man glaubt es dem Händler gern, wenn
er angesichts mehrerer großer Elfenbein-
Skulpturengruppen Simon Trogers meint:
„So etwas hat es am Markt noch nicht gege-
ben“. Entsprechend ist die Resonanz. Vier
Elfenbeine sicherte sich schon in den ers-
ten Stunden ein Sammler aus Rom, eine
große Troger-Gruppe reist nach Frank-
reich, auch das Diözesanmuseum in Frei-
sing kaufte eine geschnitzte Christopho-
rusfigur der Donauschule.

Das überwiegende Angebot stammt al-
lerdings aus dem 20. Jahrhundert. Zum ei-
nen sind das die in guten Qualitäten nur
mehr schwer aufzutreibenden Werken ex-
pressionistischer Künstler von Brücke
und Blauem Reiter: Gemälde von Jawlens-
ky, Münter und Nolde finden sich verein-
zelt bei diversen Händlern (die Galerie Tho-
mas als renommierteste Adresse ist erst-
mals nicht dabei). Stärker denn je ist aber
auch die Kunst nach 1945 vertreten.
Eine erfrischende Spezialform des
Expressionismus kann Thole Rotermund
mit einer vorzüglich dokumentierten
Sammlung gezeichneter und gemalter
Künstlerpostkarten von Lionel Feininger,
Ernst Heckel, Otto Mueller oder Karl
Schmidt-Rottluff und anderen präsen-
tieren, die bei Preisen von 14 000 bis
86000 Euro bereits einigen Zuspruch fand.
Programmatisch eigentlich dem


  1. Jahrhundert und dem Münchner Sym-
    bolismus zugetan, zeigt auch Kunkel mit
    Lovis Corinths prächtigem, in einem locke-
    ren Duktus umrissenen Porträt seiner
    Frau Charlotte von 1907, wohin die Reise
    geht (1,2 Millionen). Wien um 1900 mit
    Klimt und Schiele nimmt seinen Platz bei
    Wienerroither & Kohlbacher ein und wird
    ins Zeitgenössische verlängert mit einer
    großen malerischen Ölkreidearbeit, „Pass-
    bild“, von Günther Brus aus den Achtziger-
    jahren (135 000).


Thomas Salis kann mit einer späten
Schwitters-Collage aufwarten und re-
agiert auf die aktuelle Ausstellung von
Markus Lüpertz mit „Melonen Mathema-
tik“, einem Gemälde von 1984/85
(145 000). Eine Gruppe von Willi Baumeis-
ters sogenannten „Eidos“-Bildern, prä-
gend für die deutsche Nachkriegsabstrak-
tion, wenngleich bereits 1940 entstanden,
rückt Schlichtenmaier in den Fokus.
Es herrscht durchaus Vielfalt, auch bei
der Präsentation. Während sich bei
Schwarzer Moderne-Klassiker in unge-
wohnter Nachbarschaft einer verführeri-
schen Sigmar-Polke-Arbeit in giftgrün
schimmernder Interferenzfarbe von 1998
wiederfinden (185 000), probt man bei
Beck& Eggeling die radikale Koexistenz
von spätgotischer Madonnenfigur und ei-
nem kapitalen Nagelbild des Zero-Künst-
lers Günther Uecker (1,85 Millionen).
Mit einer der inspiriertesten Inszenie-
rungen überrascht wie immer Sundhei-
mer. Dort sind nicht nur eine extrem selte-
ne Tusche des École-de-Paris-Künstlers
Kumi Sugai (18 000) und frühe Blätter von
Hermann Glöckner aus den Zwanzigern
(6800) zu entdecken. An seinem Stand
zieht auch eine Raumplastik Norbert Kri-
ckes unter Großformen von Georg Pfahler
ihre Linien (120 000). Nichts als ein klares
Statement liefert dagegen Storms mit
zwei schönen Günther-Fruhtrunk-Arbei-
ten, darunter „Blau gegen Theorie“ von
1958 (80 000).
Ausgesprochen sehenswert ist die Son-
derschau „Orangerie“, eine Reverenz an
die Gründer der Highlights. Anhand ausge-
suchter Objekte – vom exquisiten mittel-
alterlichen Stundenbuch über Kunst-
kammerstücke bis hin zum Art-déco-
Lackrelief – führt die Schau noch einmal
den hohen Standard vor Augen, mit dem
die Messe vor zehn Jahren angetreten ist
und an dem sie bis heute, unter weitaus
schwierigeren Bedingungen, gemessen
wird. Der Auftakt war vielversprechend,
Verkäufe wurden aus allen Bereichen ge-
meldet, und bis Sonntagabend bleibt auch
noch Zeit für Spätentschlossene.

Highlights.München, Residenz. Bis Sonntag.

Rudolf Neumeister
(1925– 2017), Grün-
der des gleichnami-
gen Auktionshauses,
war eine prägende
Figur im Münchner
Kunsthandel. Dass er
den Handel mit Lei-
denschaft betrieb,
weiß man. Wie gern er sich selbst mit
den Dingen umgab, die professionell
durch seine Hände gingen, zeigt ein
Blick in seine private Kunstsammlung,
die jetzt in einer dreitägigen Auktions-
serie vom 22. bis 24. Oktober versteigert
wird. Rund 800 Objekte werden aufgeru-
fen, denen seine persönliche Vorliebe
galt: Kunsthandwerk in erster Linie, vor
allem Fayencen und Silber, herausragen-
den Skulpturen und Malerei des 19. Jahr-
hunderts. Beim Steinzeug ist ein 1662
datierter Creußener Apostelkrug auf
3800 Euro taxiert, beim Augsburger
Silber ein vergoldeter barocker Humpen
mit Diamantbuckeldekor auf 5000 Euro
(FOTO: NEUMEISTER).Glanzstücke unter den
Skulpturen sind eine spätgotische Bewei-
nungsgruppe des Südtirolers Hans Klo-
cker (120000) und eine um 1710/15 datier-
te, äußerst anmutige Statuette der „Flo-
ra“ des Dresdner Hofbildhauers Baltha-
sar Permoser (150 000). Alpenländisches
Genre repräsentiert Heinrich Bürkels
„Rückkehr von der Bärenjagd“ (30 000).
Zu den wenigen Schritten in die Moder-
ne zählt ein Wannseegartenbild von Max
Liebermann (200 000).


Ein herausragend schönes,bislang
unbekanntes Madonnenbild der Zeit um
1504 steht als Starlos im Dorotheum im
Mittelpunkt der Altmeisterofferte am



  1. Oktober(ABB.: DOROTHEUM).Der Komposi-
    tion wird nicht weniger als eine „bemer-
    kenswerte stilistische Verwandtschaft“
    mit Werken des jungen Raffael aus des-
    sen umbrischer Zeit attestiert, besonders
    mit der „Madonna von Northbrook“ und
    der „Cowper-Madonna“. Das Wiener
    Haus behauptet zwar nicht die Autor-
    schaft des großen Renaissancekünstlers,
    stellt sie als Möglichkeit aber dennoch in
    den Raum. Das aus dem einstigen Besitz
    der Herzogin von Castiglione-Colonna
    stammende Gemälde ist mit 300000 bis
    400000 Euro geschätzt. Man darf ge-
    spannt sein, wie der Markt reagiert. Eine
    teure Rarität, frühe türkische Malerei in
    westlichem Stil, findet sich im 19. Jahr-
    hundert: das ganzfigurige Porträt einer
    türkischen Dame von Osman Hamdi Bey
    (1842 – 1910), angesetzt mit 1,5 Millionen
    Euro. d.b.


Der Münchner Kunst-Herbst ist nun wohl
endgültig um eine weitere Messe reicher:
die Positions Munich Art Fair, die an die-
sem Wochenende in der Reithalle stattfin-
det. Sie ist ein Ableger der 2014 von Kristi-
an Jarmuschek und Heinrich Carstens in
Berlin gegründeten Positions, die mittler-
weile alljährlich als Teil der Berliner Art
Week im September im Flughafen Tem-
pelhof stattfindet. Ergänzt wird das Mes-
seformat in München um die Paper Positi-
ons, einer Spezialmesse für Papierarbei-
ten, die aus dem gleichen Stall stammt
und 2016 im Salonformat im Berliner Biki-
nihaus startete. Bereits 2017 kam die Pa-
per Positions erstmals nach München,
2018 expandierte sie nach Basel und fin-
det seither parallel zur Art Basel im Acker-
mannshof statt. In diesem Jahr testete die
Paper Positions im September außerdem
den Markt in Frankfurt.
In München war die Paper Positions ge-
rade dabei sich zu etablieren, musste sich
aber nach zwei Ausgaben eine neue Loca-
tion suchen. Von der Alten Bayerischen
Staatsbank in der Innenstadt ist man
nach Norden in die Reithalle gezogen. Die
ehemalige Exerzierhalle verfügt über
1200 Quadratmeter Ausstellungsfläche.
Dass Positions und Paper Positions hier
nun erstmals verschmolzen wurden,
könnte darauf hindeuten, dass es für die
Spezialmesse nicht genügend kauffreudi-
ges Publikum gibt. Dem widersprechen
die Gründer der Paper Positions aber. Sie
schmieden offensichtlich weitere Expan-
sionspläne. Heinrich Carstens, einer von
ihnen, erklärt: „Wir haben mit der Paper
Positions noch viele Städte im Auge. Da
wird es auf jeden Fall noch neue Standor-
te geben.“

In München habe man aber gerne
auch andere jüngere Galerien aufgenom-
men, die nicht auf Papier spezialisiert sei-
en. Zudem gibt es eine kleine Sektion „Pa-
per Positions“ mit sieben Ausstellern, wo
beispielsweise Quittenbaum Gallery die
ungewöhnlichen Objekte von Alexandra
Hendrikoff zeigt. Und die Messeleitung
präsentiert in einer kuratierten Sonder-
ausstellung Papierarbeiten, darunter
Wiederentdeckungen wie Wojciech Fan-
gor (von der polnischen Galerie Szydlow-
ski), aber auch Werke von jungen Münch-
ner Akademieabsolventen wie Hell Gette
oder Milen Till (Galerie The Curve, Ber-
lin). evelyn vogel

Positions Munich Art Fair.Reithalle. Bis 20. Okto-
ber. http://www.positionsmunich.de.

Wo Sammler


jagen


Mehr Moderne, mehr Zeitgenossen,


mehr Eklektizismus: die zehnte Ausgabe


der Münchner „Highlights“


Die Humpen


hoch!


Mojé Assefjah, „o.T.“ (2019). ABB. GALERIE
NANNA PREUSSNERS

Papier ist


geduldig


Die junge Messe „Positions“
etabliert sich auch in München

Hard Edge auf deutsch: Günter Fruhtrunk: „Blau gegen Theorie“ (1958). ABB.: WALTERSTORMS GALERIE, VG BILD-KUNST, BONN 2019

DEFGH Nr. 242, Samstag/Sonntag, 19./20. Oktober 2019 HF2 FEUILLETON KUNSTMARKT 23


RADAR


Abschied nehmen von einem geliebten Menschen
ist schmerzlich und braucht Zeit.

Das Trauerportal der Süddeutschen Zeitung,
SZ Gedenken, hilft Ihnen dabei und bietet die
Möglichkeit, Ihre Trauer zum Ausdruck zu bringen.

Alle Traueranzeigen aus der Zeitung erscheinen
zugleich in einer persönlichen Gedenkseite.
Die Gedenkseite hilft, das Andenken an den
Verstorbenen zu bewahren. Hier können Sie
virtuelle Gedenkkerzen anzünden, kondolieren
und persönliche Fotos und Erinnerungen mit
Verwandten, Freunden und Bekannten teilen.

Zudem können Sie im Trauerportal nach den
Traueranzeigen aus der Süddeutschen Zeitung suchen.

Kontakt:
[email protected] oder http://www.sz-gedenken.de

Trauer bewältigen


Ein Trauerfall stellt Hin terbliebene vor schwere Aufgaben.
Wir gehen gern gemeinsam mit Ihnen die ersten Schritte
in dieser schwersten Zeit.

Wir helfen Ihnen weiter.


089 - 620 10 50
http://www.trauerhilfe-denk.de

„Vielen Dank,


dass Sie mir in dieser
schweren Zeit geholfen haben.“

Olli Leeb


von Deinen
Kindern, Enkelinnen und Enkeln,

Freundinnen und Freunden.


Für


Zum 100. Geburtstag


am 19. 10. 2019


ein großer Strauß aus Dank,


Genuss und guten Erinnerungen


Wir nehmen Abschied von unserer lieben Frau,
Mutter, Schwiegermutter und Oma

Monika Wein


In Trauer und Dankbarkeit
Peter Wein
Roman und Anja Wein mit Carolina

Die Urnentrauerfeier findet statt am Dienstag, 5.11.2019,
um 10.30 Uhr im Münchner Westfriedhof

* 15.10.1947

staatl. gepr. Sanitärtechnikerin
† 28.9.2019

Professor, Dr. med.

Detlef Olaf Wolfgang


Schlöndorff





    1. 1942 – 16. 10. 2019
      Wiesbaden New York




Trauerfeier: 22. Oktober 2019, 11.30 Uhr,
Riverside Memorial Chapel, New York City.
Anstelle von Blumen und Kränzen wird um eine Spende zugunsten des
Fördervereins ASN Foundation for Kidney Research gebeten.
Traueranschrift: 165 W. 66 St #20 A, New York, NY 10023, USA

Wie bald, ach wie bald kommt die stille Zeit,
Da ruhe ich auch, und über mir
Rauscht die schöne Waldeinsamkeit,
Und keiner kennt mich mehr hier.
Joseph von Eichendorff

In Liebe:
Barbara Schlöndorff
Johannes Schlöndorff und Pari mit Dhruva und Noah
Sophie Schlöndorff und Andrea mit Clara
Volker Schlöndorff mit Elena

Herrn Dipl.-Ing. Rudolf Bittl
* 26. September 1937 † 15. Oktober 2019

Wir nehmen Abschied von

In unendlicher Dankbarkeit:
Familie Bittl
und seine Freunde, Nachbarn,
Weggefährten und Weggefährtinnen
Trauergottesdienst am Mittwoch, den 23. Oktober 2019, um 13.30 Uhr in
der evangelischen Emmauskirche, Feldkirchen-Westerham mit anschließender
Beerdigung im Friedhof Feldkirchen-Westerham.

Herrn Josef Münichsdorfer
* 10. 7. 1930 † 17. 9. 2019

Wir trauern um

In stiller Trauer:
München Monika Koterba
im Namen aller Angehörigen
Die Trauerfeier mit anschließender Urnenbeisetzung fndet am Dienstag, dem


  1. November 2019, um 10.30 Uhr im Krematorium München im Ostfriedhof statt.

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