Süddeutsche Zeitung - 12.10.2019

(singke) #1
von sabine richter

W


enn ein großes Möbelhaus
wie Ikea eine neue Filiale
eröffnet, ist das üblicher-
weise normale Expansions-
Routine. Ganz anders vor
gut fünf Jahren, als der schwedische Mö-
belhersteller ein Geschäft in Hamburg er-
öffnete. Ikea hatte sich nämlich nicht wie
üblich eine große grüne Wiese am Stadt-
rand für den neuen Standort ausgesucht,
sondern baute die Filiale in der Fußgänger-
zone, mitten in Altona, einem eng bebau-
ten Szenestadtteil. Möbelbranche, Städte
und Käufer fragten sich: Sollte das einen
Paradigmenwechsel bedeuten? Werden
die Menschen ihre Möbel in Zukunft nicht
mehr vor, sondern wieder vor allem in der
Stadt kaufen? Ikea scheint nach fünf Jah-
ren mit dem Standort in der Innenstadt je-
denfalls sehr zufrieden zu sein. Auch ande-
re Unternehmen drängen in die Zentren.


Die Entscheidung für die Hamburger In-
nenstadt-Filiale war für Ikea ein grundle-
gender Bruch mit der bisherigen Strategie



  • für den auch unternehmensintern viel
    Überzeugungsarbeit geleistet werden
    musste, wie Property Manager Johannes
    Ferber berichtet. Mehr als 40 Jahre setzte
    Ikea schließlich vor allem auf den autofah-
    renden Kunden. Die blauen Häuser stehen
    zumeist dort, wo jeder schnell mit dem Wa-
    gen hinkommt, bequem parken und seine
    Einkäufe direkt abtransportieren kann.
    Das Grundstück in Hamburg-Altona dage-
    gen ist nur 10 000 Quadratmeter groß –
    statt der sonst üblichen 40 000 bis 80 000
    Quadratmeter. Das Sortiment auf 18 000
    Quadratmeter Verkaufsfläche wurde aber
    kaum verändert, nur die Aufteilung in Mö-
    belabteilung und Markthalle ist aufgeho-
    ben. Fünf Jahre nach der Eröffnung macht
    das Modell Schule – und zwar weltweit.
    Um näher am Verbraucher zu sein, zieht es
    Ikea künftig in Innenstädte und Einkaufs-
    zentren. Andere Projekte werden einge-
    stampft.
    „Die Bedürfnisse der Verbraucher müs-
    sen auf neuen Wegen erreicht werden, des-
    halb suchen wir nach neuen innerstädti-
    schen Konzepten für unsere Einrichtungs-


häuser und neue digitale Lösungen“, sagt
Dennis Balslev, Geschäftsführer Ikea
Deutschland. Das Möbelhaus auf der grü-
nen Wiese wird, zumindest was neue
Standorte betrifft, zum Auslaufmodell.
„Eine Entscheidung, die von der ganzen
Möbelbranche mit großem Interesse beob-
achtet wird“, sagt Markus Wotruba, Leiter
Standortforschung bei der BBE Handelsbe-
ratung. Sie werde als „sicheres Zeichen ge-
wertet, dass sich Rahmenbedingungen
grundsätzlich verändert haben“. In
Deutschland etwa sucht Ikea derzeit nach
neuen Standorten. „Wir werden uns in den
nächsten Jahren allein auf die Hauptstadt
konzentrieren“, erklärt Ikea-Sprecherin Si-
mone Settergren. Warum Berlin? Für die
Konzernleitung und auch die globalen Kol-
legen sei Berlin in Deutschland der Hot
Spot. „Wir wollen näher an möglichst viele
Menschen heranrücken, da ist eine lebendi-
ge, spannende Stadt mit fast vier Millio-
nen Einwohnern interessant für uns“, so
Settergren.
Wie die neuen Filialen genau aussehen
sollen, steht noch nicht fest. Ganz sicher
wird es keine klassischen Standard-Ikea-
Einrichtungshäuser mehr geben, wie man
sie bisher kennt, sondern etwas grundle-
gend Neues. Wesentlich kleiner, individuel-
ler und flexibler sollen die Formate wer-
den. Vorstellbar sei theoretisch aber so
ziemlich alles, Ikea-Geschäfte in der Fuß-
gängerzone, in einem Warenhaus oder ei-
nem Einkaufszentrum. Vorstellbar seien
auch City-Stores mit dem gesamten Sorti-
ment, aber ohne Möbellager. Dort kann
der Kunde kleinere Produkte gleich mit-
nehmen, größere Möbelstücke werden
nach Hause geliefert. Bei neuen Projekten
in den Innenstädten kann sich das schwedi-
sche Unternehmen auch Büros oder Woh-
nungen auf dem Dach eines Ikea-Hauses
vorstellen. Eine Strategie, die auch der Es-
sener Discounter Aldi Nord angekündigt
hatte. „Wir trauen uns zu, solche Modelle
zu entwickeln. Umgesetzt werden sollten
sie dann mit lokalen Partnern“, erklärt Fer-
ber.
„Die Strategie, die Ware da zu präsentie-
ren, wo die Menschen sind, ist der Kernge-
danke des Einzelhandels, da geht jetzt
auch Ikea hin“, sagt Dirk Wichner, Leiter
Einzelhandelsvermietung beim Immobili-
endienstleister JLL. Die heutige Generati-
on gehe anders einkaufen, große Märkte
auf der grünen Wiese funktionierten auch
im Lebensmittel-Einzelhandel nicht mehr.
Natürlich werde es auch weiterhin Geschäf-
te an den Stadträndern geben, so Wichner.
Ikea werde ja auch seine Standorte in den
Gewerbegebieten behalten.
„Der Kunde hat akzeptiert, dass Kaufen
und Inbesitznahme des Möbelstücks zwei
getrennte Prozesse sind und Lieferfristen
zwölf Wochen dauern können. Deshalb er-
gibt es für den Kunden keinen Sinn, auf die
grüne Wiese zu fahren, der Händler kann
sich das teure Lager sparen. Damit wird

die Innenstadt erschwinglicher für ihn“,
sagt Wichner.
Für Ikea sei nun statt vieler Parkplätze
eine gute Anbindung an den öffentlichen
Nahverkehr oberste Maxime, sagt Proper-
ty Manager Ferber. Das ist auch der Fall
beim 54. Möbelhaus, das im kommenden
Sommer in Karlsruhe eröffnen wird. „Zwei
Straßenbahn- und zwei S-Bahnlinien auch
mit überregionaler Anbindung halten di-
rekt vor dem Einrichtungshaus, das gibt es
nirgendwo sonst in Deutschland“, sagte
der Karlsruher Oberbürgermeister Frank
Mentrup beim Richtfest im September.
Von Hamburg-Altona, dem dritten Ham-
burger Haus, hat Ikea gelernt, dass es auch
ohne Auto geht. Die 730 Parkplätze im neu-
en Parkhaus bleiben meist leer. „Bei dem
nächsten Innenstadtbau würden wir nicht
noch einmal so viele Parkplätze planen“,
sagte der Leiter des Einrichtungshauses,
Christian Mollerus. So ist auch das befürch-
tete Verkehrschaos, das die Anwohner be-
fürchtet hatten, weitgehend ausgeblieben.
Etwa 80 Prozent der Besucher kommen
mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu
Fuß, die Einkäufe werden in Einkaufstrol-
leys oder mit Lastenfahrrädern, die man
günstig leihen kann, nach Hause gebracht.
Zum Serviceangebot gehören auch Leih-

transporter und –anhänger, auf einem
Parkdeck stehen Möbeltaxis und Car-Sha-
ring-Autos. Die urbane Lage bringt so viele
Besucher wie kaum kein anderes Geschäft
von Ikea, im Schnitt zwischen 10 000 und
15 000 Menschen am Tag. Das sei viel, so
Settergren. „Unsere Erfahrung ist, dass die

Kunden in Hamburg-Altona zwar pro Be-
such im Schnitt etwas weniger ausgeben
als es in unseren anderen Einrichtungshäu-
sern der Fall ist, dafür jedoch häufiger wie-
derkommen.“ Hoch ist der Umsatz pro Kun-
de im Restaurant und Cafe, genaue Zahlen

nennt das Unternehmen aber nicht. Vor al-
lem in den Innenstadtlagen spielt die Gas-
tronomie für den Einzelhandel eine immer
größere Rolle. „Die Aufenthaltsqualität
soll höher werden“, sagt Settergren. Die
Restaurants sind ein großer Umsatzbrin-
ger. 239,5 Millionen Euro Foodservice-Um-
satz in Deutschland vermeldet Ikea für das
Geschäftsjahr 2018. Damit zählt der Kon-
zern zu den größten Gastronomie-Unter-
nehmen in Deutschland.
Von der Ansiedlung der Möbelhäuser
können auch die Innenstädte profitieren.
Nach dem Ansiedlungsbeschluss von Ikea
in Hamburg-Altona gab es nahezu für alle
Nachbargrundstücke Bauanträge zur Auf-
stockung oder zum Umbau. Straßen und
Plätze wurden umgestaltet, neue Wohn-
und Geschäftshäuser geplant.
Möbel kaufen in den Innenstädten –
ganz neu ist dieser Trend freilich nicht.
„Stores in der City sind für Marken wichti-
ge Berührungspunkte mit Konsumenten“,
sagt Peter Schönhofen, Mitgründer und
Geschäftsführer von Kare Design. Welt-
weit hat das Möbelunternehmen mehr als
hundert Geschäfte, eines davon auf vier
Etagen in der Münchner Innenstadt. Der
Vorteil der zentralen Lagen sei die Fre-
quenz, sagt Schönhofen, „beim Bummeln

fällt es Kunden leicht, sich in einem Möbel-
Showroom inspirieren zu lassen“.
Ein wichtiger Treiber der Entwicklung
ist das Internet. Im gesamten Einzelhan-
del verschieben sich die Funktionen der Lä-
den. „Kunden recherchieren online und
kaufen im Shop – und umgekehrt“, sagt
Schönhofen. „Showrooms“ dienen der
Markenbildung und geben Kunden die
Möglichkeit, ein Produkt auch tatsächlich
zu sehen oder auszuprobieren. „Es hat sich
gezeigt, dass in der Möbelbranche das hap-
tische Erlebnis, das sinnliche Fühlen beim
Kaufentscheid eine wichtige Rolle spielt“,
sagt Schönhofen.
Manche Marken, die ursprünglich nur
im Internet aktiv waren, haben in den ver-
gangenen Jahren Läden eröffnet. Der On-
linehändler Ambientedirect zum Beispiel
startete 1998 sein Geschäft im Internet –
und hat vor einem Jahr eine Filiale im
Münchner Zentrum eröffnet. „Wenn der
Möbelhändler nur online bleibt, benimmt
er sich vieler Möglichkeiten, den Men-
schen zu einer Kaufentscheidung zu bewe-
gen“, sagt Handelsexperte Wotruba. Gera-
de bei Möbeln sei anfassen, fühlen, rie-
chen für viele Käufer unverzichtbar, be-
tont auch Dirk Wichner. Und das funktio-
niert am besten in den Innenstädten.

Das Onlinegeschäft wächst,
stößtbeim Möbelkauf aber
schnell an Grenzen

Autogerecht einkaufen: Jahrzehntelang setzte Ikea vor allem auf Standorte in der Nähe von Autobahnen. Nun denkt das Unternehmen um. FOTO: MARIO AURICH / IMAGO

Bahn, Bus, Straßenbahn:
Viele Kunden kommen mit
öffentlichen Verkehrsmitteln

Weg von


der Wiese


EinenTisch oder ein Sofa kaufen?


Das ist immer öfter auch in den


Innenstädten möglich.


Warum Ikea und andere Möbelhändler


in die Zentren drängen


DEFGH Nr. 242, Samstag/Sonntag, 19./20. Oktober 2019 49


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