Süddeutsche Zeitung - 12.10.2019

(singke) #1
von jan kedves

D


eutsches Design zu feiern,
fällt nicht immer leicht. Weil
es so viel schlechtes deutsches
Design gibt. Und weil ein posi-
tiver Bezug auf deutsche Kul-
turleistungen überhaupt Überwindung
kosten mag – in Zeiten, in denen deutsche
Kultur und Identität wieder stark von
rechts instrumentalisiert werden. Er-
scheint es da nicht, wenn man einmal ein
paar Euro für ein hochwertiges Designpro-
dukt übrig hat, viel lohnender, gleich über
den nationalen Tellerrand zu schauen,
nach Paris oder Italien, und so noch etwas
Savoir-vivre oder Grandezza mit einzukau-
fen – statt der befürchteten hiesigen Piefig-
keit und Tümelei? Sharon Berkal findet
das falsch: „Warum hat in Deutschland
nicht jeder mindestens eine Tasse von
Meissen in seiner Wohnung stehen?“, fragt
sie. „Das ist Unternehmenshistorie, die
uns über die Jahrhunderte geprägt hat.
Meissen, gegründet 1710, ist die älteste Lu-
xusmarke Europas – das muss man sich
einmal vorstellen!“


Sharon Berkal ist Initiatorin und Sorti-
ment-Gestalterin von Haus Glanz, einem –
schnöde gesagt – Onlineshop für qualita-
tiv hochwertige Designprodukte aus
Deutschland, oder, das klingt gleich verlo-
ckender, einem „Heim für die schönen Sei-
ten Deutschlands“. Deutsche Designpro-
dukte in einem Rahmen anzubieten, der
modern und unpiefig ist, selbstbewusst,
vielleicht sogar ein bisschen stolz, aber
nicht im übertrieben nationalistischen
Sinn: Das ist ihr Ziel. Im Sortiment von
Haus Glanz gibt es die wunderschönen,
perlenkettenartigen Leuchtobjekte der Fir-
ma Formagenda aus München, die im
Schlaf wirkenden Beautyprodukte der
Hamburger Kosmetikmarke Bynacht, die
luxuriös-lässigen Ledertaschen der Marke
PB 0110, entworfen von Ayzit Bostan. Und
vieles mehr.
Wie wird man zur Unternehmerin, die
mit ihrem Shopkonzept auch an komple-
xen Fragen des nationalen Selbstverständ-
nisses rührt? Nicht auf direktem Weg. Ber-
kal stammt aus München, studierte Mode-
journalismus am Royal College of Fashion
in London. 1999 kam sie nach Berlin und ar-
beitete zunächst als Musikvideo-Regisseu-
rin. Eines ihrer Videos, für die BandBeat-
steaks, war 2008 für einen Echo nominiert.
Danach wurde sie Mitarbeiterin der Deut-
schen Welle, produzierte Beiträge für de-
ren Lifestyle-Format „Euromaxx“. Design,
Mode, Reisen: „Ein netter Job, da habe ich


Europa auf Staatskosten kennengelernt“,
schmunzelt sie. Und eben dort, im Aus-
land, fiel ihr auf, was für einen exzellenten
Ruf deutsches Design und deutsche Mar-
ken außerhalb Deutschlands genießen. Bei
Weitem nicht nur das Bauhaus. Auch
Meissner Porzellan. KPM. Die Füllfederhal-
ter der Nürnberger Firma Kaweco, gegrün-
det 1883. „Da dachte ich: Es fehlt jemand,
der sagt: Das ist auch schön, guck dir das
an, das ist toll. Jemand, der das immer wie-
der – steter Tropfen höhlt den Stein – den
Leuten zeigt.“
Dieser Jemand ist nun sie selbst. Sharon
Berkal bettet die Produkte auf haus-
glanz.com in einen magazinartigen Rah-
men ein, sie führt Interviews mit Desig-
nern und Firmeninhabern. Im Gespräch
mit den Modedesignern Jörg Ehrlich und
Otto Drögsler, die vor zwei Jahren die Krea-
tivdirektion bei der Meissener Porzellan-
Manufaktur übernommen haben, geht es
zum Beispiel um „das Gefühl, dass die
Wertschätzung für diese Art von kreati-
vem Erbe in Deutschland sehr verhalten
ist“. Wobei die Designer meinen, dass die
Wertschätzung für Porzellan durchaus
schon vorhanden sei, „aber leider gleichzei-
tig auch die Meinung, das es etwas Altba-
ckenes ist“.
Sicher könnte man sich fragen, ob es,
wenn man nun das Vorurteil der Altbacken-
heit loswerden und so auch eine jüngere
Zielgruppe erreichen will, ausgerechnet so
schlau ist, die deutsche Herkunft stärker
zu betonen. Aber wer mit positiv gewende-
tem, ästhetischem Nationaldenken wenig
anfangen kann, der könnte sich ja stattdes-
sen auf den Gedanken konzentrieren, dass
in Zeiten der Klimakrise nachhaltiger Kon-
sum gefordert ist, ein deutlich kleinerer
ökologischer Fußabdruck.

„Buy local“ ist eines der Schlagworte
der Zeit, gemeint ist: Am besten kauft man
keine Produkte mehr, die, bevor der Ver-
sandbote sie vor der Haustür abwirft,
schon dreimal um die Welt geschifft wor-
den und immer noch verdächtig billig sind.
Zwar müssen Produkte, die Sharon Berkal
ins Sortiment nimmt, nicht unbedingt in
Deutschland hergestellt sein. „Das wäre
päpstlicher als der Papst. Chanel und Co.
stellen auch in Rumänien her, und trotz-
dem sind es französische Marken“, sagt
sie. Entscheidend sei für sie, dass das De-
sign und die Kreativität made in Germany
seien. Dennoch sind die meisten Produkte
im Haus-Glanz-Shop auch in Deutschland
hergestellt. Die Vasen aus der „Ritz“-Serie
der legendären Keramikdesignerin Hed-
wig Bollhagen (1907–2001), immer noch

handgefertigt im brandenburgischen Mar-
witz. Die mit klarer Linie designten Vor
Shoes aus München, sozusagen die Bau-
haus-Version von Sneakers: handgenäht in
Deutschland.
Die Idee wäre noch ausbaufähig. Könn-
te aus dem virtuellen Haus Glanz, wenn ge-
nügend Kundinnen und Kunden mitma-
chen, irgendwann ein richtiges Haus wer-
den? Berkal hat diesbezüglich keine aktuel-
len Pläne, aber wenn sie der Fantasie frei-
en Lauf lässt, denkt sie „an den Postdamer
Platz im Jahr 1922. Es wäre ein bisschen

Neue Sachlichkeit mit reingemischt, die
Materialien wären sehr fein, mit geraderen
Linien oder mit leichtem Schwung drin.“
Es gäbe ein Restaurant, mit moderner deut-
scher Küche, und es würden auch Lesun-
gen und Ausstellungen stattfinden. Und:
Es gäbe, so wie im Haus Glanz online, kei-
nen Sale. Denn das ist Berkal auch wichtig:
„Heute gibt es ja diesen Druck, ein Produkt
schnell zu kaufen, weil man Angst hat,
dass es sonst gleich schon wieder weg ist.“
Designklassiker gehören nicht in den Aus-
verkauf, davon ist Berkal fest überzeugt.
Sie sind ja Klassiker, weil es sie immer gibt,
das heißt: Sie sind auch noch da, wenn man
schon zum dritten und vierten Mal wieder-
kommt und immer noch überlegt. Ob man
sich das leisten kann, zum Beispiel. Haus
Glanz, geboren im hyperbeschleunigten
Raum des Internets, ist so gesehen auch
ein Ort der Entschleunigung.
Wobei: Berkal könnte sich auch einen
Souvenirshop im Frankfurter Flughafen
vorstellen. Da würde man sich schon
schnell entscheiden müssen, im Vorbeige-
hen quasi. Denn warum sollte „die interna-
tionale Klientel“, die nach dem Germany-
Trip wieder in sämtliche Himmelsrichtun-
gen nach Hause fliegt, immer nur blöden
Nippes mitnehmen, der sowieso gleich in
der Tonne landet? „Die wollen ja vielleicht
auch mal eine Vase von KPM und nicht im-
mer nur das Ampelmännchen“, sagt Ber-
kal. Wie sich an Deutschland erinnern? Die
Antwort würde hier eben lauten: nur mit
schönen Dingen.

DEFGH Nr. 242, Samstag/Sonntag, 19./20. Oktober 2019 STIL 63


Initiatorin und Sortiment-
Gestalterin: Sharon Berkal.

Designklassiker gehören nicht
in denAusverkauf, davon ist
Berkal fest überzeugt

Meissener Porzellan ist die


älteste Luxusmarke Europas,


aber ist sie auch zeitgemäß?


Moderne Eleganz: eine Pendelleuchte von Formagenda. FOTOS: JULES VILLBRANDT, KILIAN BLEES

German


Style


Sharon Berkal will mit der


Plattform „Haus Glanz“


an die Bauhaus-Tradition


anknüpfen: Sie verkauft


gutes Design aus Deutschland


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