Süddeutsche Zeitung - 12.10.2019

(singke) #1

Über Jahre klagten Vertreter kommunaler
Verkehrsbetriebe darüber, dass die Politik
zu wenig Geld bereitstellt, um das Angebot
an Bussen und Bahnen auszubauen. Nun
steht fest: Der Bund führt das Gemeinde-
verkehrsfinanzierungsgesetz, kurz: GVFG,
nicht nur über das laufende Jahr hinaus
weiter, sondern stockt die Mittel für den
Bau neuer U- und Trambahnstrecken so-
gar noch deutlicher auf als bisher geplant.
Dreht sich also der Wind in der Verkehrspo-
litik? Fragen dazu an Ingo Wortmann, den
Präsidenten des Verbands deutscher Ver-
kehrsunternehmen (VDV) und Chef der
Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG).


SZ: Herr Wortmann, hat sich das laute
Jammern über die Jahre also aus Sicht
der Verkehrsunternehmen gelohnt?
Ingo Wortmann: Tatsächlich haben wir
nun mehr Planungssicherheit und die fi-
nanziellen Mittel zur Verfügung, die wir be-
nötigen, um den öffentlichen Personen-
nahverkehr auszubauen. Dazu geführt hat
eine Mischung aus verschiedenen Grün-
den: Ja, wir haben geklagt, dass zu wenig
Geld in Busse und Bahnen fließt. Zum ande-
ren aber hat der Stau in den Städten, die
Luftreinhaltungsdebatte und die Forde-
rung nach mehr Klimaschutz die Politik
zum Handeln gezwungen. Mittlerweile ist
fast allen klar: Ohne einen attraktiven Nah-
verkehr kriegen wir diese grundlegenden
Probleme nicht gelöst.
Und das zugesagte Geld reicht nun aus?


Bisher gab es gut 330 Millionen Euro pro
Jahr. Bereits geplant war eine Aufstockung
auf 665 Millionen im Jahr 2020 und eine
Milliarde Euro ab 2021. Nun werden es von
2025 an sogar zwei Milliarden Euro jähr-
lich sein. Auch wenn wir als VDV es gerne
sähen, wenn die zwei Milliarden bereits ab
2021 zur Verfügung stünden, muss man
klar sagen: Das ist wirklich viel Geld. Und
man muss nun schauen, dass man es auch
verbaut kriegt.

Wo liegen da die Schwierigkeiten?
Zum Beispiel beim Planungsrecht. Bei gro-
ßen Eisenbahnprojekten wurde vom Ge-
setzgeber bereits eine Planungsvereinfa-
chung eingeräumt, dass muss es auch für
kommunale Schienenprojekte geben. Hilf-
reich wäre es beispielsweise, wenn Klagen
gegen ein Projekt keine aufschiebende Wir-
kung mehr hätten. Dann könnten wir viele
Projekte schneller realisieren.
Viele Baufirmen winken jetzt bereits ab
und sagen: Unsere Auftragsbücher sind
voll, wir finden auch keine Fachkräfte.
Ist das auch ein Problem für Sie?
Ein sehr großes sogar, viele unserer Mit-
gliedsunternehmen stellen bei Ausschrei-

bungen fest, dass keine Baufirma oder nur
eine einzige ein Angebot einreicht – und
das dann weit über dem kalkulierten Kos-
tenansatz liegt. Hier muss es uns gelingen,
die Baukapazitäten deutlich zu erhöhen.
Das sagt sich so leicht ...
Stimmt. Wir haben deshalb innerhalb un-
seres Mutterkonzerns, der Stadtwerke
München, auch schon darüber nachge-
dacht, ob wir eine eigene Bauabteilung auf-
ziehen sollen. Bislang allerdings sind das
nur Überlegungen, mehr auch nicht.
Es gab mal Zeiten, da hatten Verkehrsun-
ternehmen und kommunale Planer für
Fälle eines plötzlichen Geldregens Bau-
pläne in der Schublade, die rasch heraus-
geholt und umgesetzt werden konnten.
Da haben Sie recht, das gab es. Noch vor we-
nigen Jahren hieß es aber aus der Bundes-
politik immer, dass das GVFG zum Jahres-
ende 2019 ausläuft. Die Kaufleute in den
Verkehrsunternehmen haben dann ge-
sagt: Wenn ihr von 2020 an eh kein Geld
mehr zum Bauen bekommt, dann müsst
ihr auch nichts planen. Entsprechend wur-
den die Kapazitäten zurückgefahren – üb-
rigens nicht nur in den Unternehmen, son-
dern auch bei den Genehmigungsbehör-
den. Auch da müssen Abteilungen nun wie-
der aufgestockt werden.
Und was macht Sie so sicher, dass sich
die Fehler der Vergangenheit jetzt nicht
wiederholen? Sind die zwei Milliarden
langfristig zugesagt, ohne Befristung?
Ja, das sind sie. Ich habe jedenfalls nichts

Gegenteiliges gehört. Positiv ist auch, dass
über das GVFG künftig auch Sanierungs-
maßnahmen gefördert werden sollen –
das war dringend erforderlich. Der Politik
ist mittlerweile klar: Wer in Infrastruktur
investiert, braucht einen langen Atem.
Eine neue U- oder Straßenbahntrasse zu
bauen, dafür benötigt man zehn, manch-
mal fünfzehn Jahre – das ist zu lange für
viele Politiker. Die versprechen lieber
ein 365-Euro-Jahresticket, so wie es in
Wien seit einiger Zeit schon gilt.
Das ist aus meiner Sicht die falsche Reihen-
folge. Man muss zuerst das Angebot an
Bussen und Bahnen ausweiten, den Takt
verdichten, neue Strecken bauen und in Be-
trieb nehmen – und dann ein attraktives Ti-
cketangebot schaffen. So haben es die Wie-
ner übrigens gemacht. Andernfalls läuft
man Gefahr, dass Fahrgäste, die wir durch
das 365-Euro-Ticket gewinnen, in ein oh-
nehin schon überlastetes System drängen


  • und dann aus Enttäuschung darüber,


dass sie sich in der U-Bahn wie die Sardi-
nen in der Büchse fühlen, wieder abwan-
dern. Hinzu kommt: Das 365-Euro-Ticket
wird für den Steuerzahler sehr teuer.
Warum?
Weil die Mindereinnahmen, die eine Tarif-
absenkung bedeutet, aus Steuermitteln
ausgeglichen werden müssten. Es sei
denn, man macht es wie die Wiener und er-
schließt alternative Finanzierungsquellen:

Dort wurden die Parkgebühren hochge-
schraubt; die zusätzlichen Einnahmen flie-
ßen in den Nahverkehr. Ebenso die Dienst-
geberabgabe, eine Art U-Bahn-Steuer, die
Unternehmen entrichten müssen, die ih-
ren Sitz in Wien haben. Dieser – sehr wich-
tige – Teil des Wiener Modells wird bei der
Diskussion hierzulande oft ausgeblendet.
Manch einer sagt: Über kurz oder lang
werden wir ohnehin mit Fahrdienstan-
bietern wie Uber oder Lyft fahren – am
Ende sogar im autonom fahrenden Robo-
taxi. Da benötigen wir dann gar keinen
öffentlichen Nahverkehr mehr.
Das glaube ich nicht. Das autonome Fah-
ren wird noch eine ganze Zeit lang auf sich
warten lassen und, wenn überhaupt, zu-

nächst in abgegrenzten Gebieten in den In-
nenstädten kommen. Und was Anbieter
wie Uber und Lyft betrifft, da verweise ich
auf die Erfahrungen in den USA. Die zeigen
nämlich, dass diese Formen der Mobilität
nicht dazu beitragen, unsere Verkehrspro-
bleme zu lösen. Im Gegenteil: Durch die zu-
sätzlichen Fahrzeuge steigt die Belastung.
Dennoch wird aktuell in Berlin an einer
Neufassung des Personenbeförderungs-
gesetzes, kurz: PBefG, gefeilt. Am Ende
könnte die Freigabe des Marktes für die
Mobility-on-demand-Dienste stehen.
Das PBefG wirkt in weiten Teilen wie ein
Verbraucherschutzgesetz, es schreibt den
Betreibern unter anderem eine Betriebs-
und eine Beförderungspflicht vor. Der VDV
plädiert dafür, an diesen Grundsätzen fest-
zuhalten. Wir wollen kein Wildwest auf
den Straßen. Gibt man den Markt frei, kon-
zentrieren sich die kommerziellen Anbie-
ter auf die Innenstädte, picken sich also die
Rosinen raus und nehmen den kommuna-
len Betrieben so Einnahmen weg, die diese
benötigen, um Nahverkehr auch in den
Randgebieten anzubieten. Das würde die
Daseinsvorsorge konterkarieren.
interview: marco völklein

Für das 365-Euro-Jahresticket
wurdenin Wien neue
Finanzquellen angezapft

„Wir wollen
keinWildwest auf
den Straßen.“

von joachim becker

D


ie Zukunft fällt erst einmal
aus. „Im Modelljahr 2019 ist
der Audi A4 Avant g-tron aus-
verkauft und daher nicht
mehr individuell konfigurier-
bar“, steht auf der leer geräumten Websei-
te, „Informationen zum Einsatztermin im
Modelljahr 2020 erhalten Sie bei Ihrem Au-
di-Partner.“ Ein Autohersteller, der keine
Fahrzeuge liefern kann: Erinnerungen an
das WLTP-Chaos vor einem Jahr werden
wach. Alle Modelle mussten neu zertifi-
ziert werden. Audi, Porsche und VW ka-
men bei der Umstellung auf die neue Ab-
gasnorm nicht nach. Die exotischen Erd-
gasmodelle hatten sich ganz hinten einzu-
reihen. Jetzt ist es wieder so weit. Wenig
verwunderlich bei rund 2800 g-tron-Fahr-
zeugen, die Audi im Jahr 2019 bislang ver-
kauft hat.
Sieht so die Zukunft von Gas als Kraft-
stoff aus – abgeschlagen auf den hinters-
ten Rängen der Zulassungsstatistik? Auf
der IAA in Frankfurt gingen die Drucktank-
Autos (CNG: Compressed Natural Gas) in
der allgemeinen Elektro-Euphorie jeden-
falls unter. Während die Stromer dank
Fortschritten bei den Batteriezellen durch-
starten, scheinen die Gasbrenner ihren Ze-
nit überschritten zu haben. Zumal Erdgas
als fossile Energiequelle bei Umweltver-
bänden auf dem Index steht: „Die energie-
bedingten CO 2 -Emissionen aus Gas betru-
gen im Jahr 2017 in Deutschland rund
176 Millionen Tonnen CO 2 “, so die Deut-
sche Umwelthilfe (DUH): „Diese und alle
weiteren Emissionen müssen spätestens
2050 vollständig vermieden werden.“


Der ADAC hat Erdgasautos dagegen als
besonders umweltfreundlich eingestuft:
„Die Auswertungen zeigen, dass aktuell in
der Golfklasse das Erdgasfahrzeug eine
sehr gute Bilanz aufweist. Sein Treibhaus-
gas-Ausstoß liegt über den gesamten Le-
benszyklus unter dem des Elektroautos –
bei Nutzung des deutschen Strommixes.“
Das Problem ist der hohe Kohleanteil bei
der Energieerzeugung. Werden zur Her-
stellung der Antriebsbatterien und zum
Fahren „Grünstrom“ verwendet, sieht die
Rechnung anders aus. Fakt ist, dass die
Kunden durch immer neue Studien über
die Antriebsalternativen und ihren Um-
weltbilanzen verunsichert werden. Kauf-
zurückhaltung ist die logische Folge.
Die Kunden erwarten Investitionssi-
cherheit beim Autokauf, niemand will
Wertverluste wie bei Dieselfahrzeugen er-
leben. Viele Autofahrer fragen sich zudem,
wie lange CNG noch von einem Steuerbo-
nus an der Tankstelle profitiert. Gas-Lob-
byisten feiern es deshalb als Erfolg, dass
der Absatzrückgang in Deutschland bei
knapp 100 000 Bestandsfahrzeugen ge-
stoppt werden konnte. Unbeeindruckt von
dieser Stagnation verbreitet die Bundesre-
gierung in jüngster Zeit Gas-Optimismus.
Die Steuererleichterung für CNG als Kraft-
stoff wurde bis zum Jahr 2026 verlängert.
Und das Bundeswirtschaftsministerium
(BMWi) lässt in den ersten Eckpunkten ei-
ner Antriebsstrategie durchblicken, dass
gasförmige Kraftstoffe künftig eine wichti-
ge Rolle spielen: Wer den neuen Zwischen-
bericht zum „Dialogprozess Gas 2030“
liest, hält einen Steuerbonus bis 2030 und
darüber hinaus für durchaus realistisch.
„Im Rahmen der Nationalen Plattform
Zukunft der Mobilität (NPM) haben sich
Politik und Wirtschaft dazu bekannt, dass


bereits bis 2030 eine erhebliche Anzahl
gasbetriebener Fahrzeuge erforderlich
sein wird, um das Klimaschutzziel 2030
im Verkehrssektor zu erreichen – als Po-
tenzial werden bis zu drei Millionen Gas-
sowie bis zu 1,8 Millionen Brennstoffzel-
len-Pkw genannt“, heißt es in dem Eck-
punktepapier des BMWi. Diesen Zahlen zu-
folge hätte der Gasantrieb seine besten
Jahre noch vor sich.
Ist das der Grund, warum Volkswagen-
Konzernchef Herbert Diess, der einen radi-
kalen „Systemwechsel“ hin zur Elektromo-
bilität fordert, der kommenden achten
Golf-Generation einen CNG-Motor spen-
diert? Audi, Skoda, Seat und VW haben ih-
re Palette auf 19 verschiedene Gasmodelle
ausgebaut. Im November wird auch der Au-
di A4 g-tron wieder als Neufahrzeug be-
stellbar sein. Nach den WLTP-Verzögerun-
gen soll es im nächsten Jahr mit Vollgas
vorangehen. „Erdgas ist sofort verfügba-
rer, nachhaltiger und kostengünstiger Kli-
maschutz!“, wirbt der Wolfsburger Kon-
zernbeauftragte Stephen Neumann. Mit
Industrie-Partnern will Volkswagen die
Zahl der Erdgastankstellen in den nächs-
ten Jahren auf 2000 in Deutschland mehr
als verdoppeln. Für einen Nachruf scheint
es definitiv zu früh zu sein.
Eigentlich müssten jetzt mehr Autoher-
steller in neue CNG-Modelle investieren.
Doch das Gegenteil ist der Fall. Außer Fiat
und den Marken des Volkswagen-Kon-
zerns haben sich fast alle anderen Pkw-
Marken von Erdgas als Kraftstoff verab-
schiedet. Angesichts der aktuellen Wirt-

schaftsflaute ist der Appetit auf ein derarti-
ges Nischengeschäft gering. Entwick-
lungsetats für Pkw-Gasmotoren der nächs-
ten Generation (Gasdirekteinblasung) las-
sen sich angesichts der schlechten Nach-
frage nur schwer rechtfertigen. Selbst die
Marken des Volkswagen-Konzerns haben
im vergangenen Jahr gerade einmal
50 000 CNG-Fahrzeuge in ganz Europa
verkauft. Man braucht Mut zum Risiko,
viel Marktmacht und Durchhaltevermö-
gen, um sich momentan für diese Antriebs-
alternative zu entscheiden. Und es schadet
auch nichts, viel Vertrauen in die „techno-
logieoffene“ Position des Bundeswirt-
schaftsministeriums zu haben.
Gasantriebe sind zwischen die Fronten
der Klimadiskussion geraten. Niemand be-
streitet, dass sie etwa 25 Prozent weniger
Kohlendioxid als Benziner ausstoßen und
fast 15 Prozent weniger CO 2 als Diesel. In-
klusive des zwanzigprozentigen Biome-
than-Anteils im deutschen Tankstellen-
gas sind die CO 2 -Emissionen schon heute
um 40 Prozent niedriger als bei Ottomoto-
ren und 30 Prozent geringer als bei Selbst-

zündern. Aus dem Auspuff kommen so gut
wie keine Rußpartikel, kein Schwefel und
viel weniger Stickoxide als beim Diesel. Zu-
dem werden in Deutschland zehn Tera-
wattstunden Biomethan produziert – ge-
nug, um den gesamten deutschen Gasfahr-
zeugbestand zu versorgen, sagen die Lob-
byisten.
Biomethan mag gut für das Klima sein,
die anderen Autohersteller bleiben trotz-
dem kühl: Die EU-Richtlinie schreibt per-
spektivisch eine Mindestquote von 14 Pro-
zent CO 2 -neutralen Kraftstoffen in den
Flotten vor. Was darüber hinaus geht, ist
ein freiwilliger Obolus, der nicht auf die
EU-Flottenziele angerechnet wird. „Für
die zukünftige Rolle der Methanmobilität
(inklusive Biomethan) dürfte insbesonde-
re dem Review der Lkw-Flottenziele im

Jahr 2022 entscheidende Bedeutung zu-
kommen“, schreibt das Bundeswirtschafts-
ministerium in seinem Eckpunkte-Pa-
pier: Ob CO 2 -neutrale Kraftstoffe für die
Erreichung der Flottengrenzwerte berück-
sichtigt werden können, sei eine zentrale
Frage. Damit steht die gesamte „technolo-
gieoffene“ Antriebsstrategie der Bundesre-
gierung auf tönernen Füßen.
Bislang will die EU-Politik konsequent
in Richtung Elektromobilität umsteuern.
Deshalb gibt es keinen CO 2 -Bonus für al-

ternative Kraftstoffe. Doch die Verkehrs-
wende könnte zäher werden als gedacht:
„Die Zahl der in Deutschland zugelasse-
nen Elektroautos ist in wenigen Jahren auf
mittlerweile zirka 200 000 gestiegen, was
einem Anteil von etwa 0,5 Prozent ent-
spricht“, erklärt das BMWi zurückhaltend:
„Selbst bei einem über den derzeitigen Er-
wartungen liegenden Erfolg des Markt-
hochlaufs wird der Beitrag der E-Mobilität
allein nicht genügen, um die Klimaschutz-
ziele 2030 zu erreichen.“
Erd- und Biogas sollen also die Energie-
joker sein, wenn die Kunden nicht so wol-
len wie die Politik. Doch dieser Plan G setzt
eine Modelloffensive bei Erdgasautos vor-
aus. Um die Hersteller ins Boot zu holen,
sollen sie mit einem CO 2 -Bonus für alterna-
tive Kraftstoffe geködert werden. Als Zei-
chen an die Umweltverbände soll zudem
der Methan-Schlupf bekämpft werden,
der dazu beiträgt, dass Erdgas für 20 Pro-
zent der globalen Treibhausgase verant-
wortlich ist. In einem gerade veröffentlich-
ten „Fahrplan für erneuerbares Gas“ zei-
gen sich diese nicht prinzipiell abgeneigt:
„Für eine vollständige Treibhausgas-Re-
duktion braucht es mehr erneuerbaren
Strom, mehr Netze, mehr Speicher und
auch erneuerbares Gas. Konkret bedeutet
das: Mehr Bio-Gas und mehr nachhaltig
produziertes Methan, das aus Strom herge-
stellt werden kann (Power-to-Gas-Verfah-
ren).“ Das könnte aus der Feder des Wirt-
schaftsministeriums stammen. Ob die
neue EU-Kommission in Brüssel die Gas-
strategie mitträgt, ist indes völlig offen.

Wie viel Auto braucht es eigentlich noch?
Diese Frage kommt in der aktuellen Kli-
madebatte immer wieder auf. Muss es
das große SUV sein, weil es sich darin so
schön dahin gleiten lässt und man auch
in puncto Sicherheitssystemen auf dem
neuesten Stand ist? Oder ist man in ei-
nem modernen Kleinwagen nicht genau-
so bequem und sicher unterwegs? Der
neue Renault Clio ist ein gutes Beispiel da-
für, wohin sich Autos im Kleinwagen-Seg-
ment entwickeln können – und dass man
auch bei Preisen von unter 20 000 Euro
auf wenig verzichten muss, was es in Mit-
telklasse- oder Premiumwagen gibt.
Von außen sieht die neue Generation
des französischen Kleinwagens nicht
wirklich futuristisch aus. Wer kein echter
Clio-Kenner ist, der wird kaum bemer-
ken, welches Modell er gerade vor sich
hat. Was aber sofort auffällt, wenn man
den Kleinwagen in einer normal großen
Parklücke sieht: So wirklich „klein“ ist
auch der Clio nicht mehr. Gegenüber der
ersten Generation aus dem Jahr 1990 hat
der Franzose um fast 20 Zentimeter in
der Breite zugelegt, in der Länge sind es
sogar 35 Zentimeter. Damit folgt der Wa-
gen natürlich auch dem allgemeinen
Trend, dass Autos eben immer größer
werden – zu Gunsten der Sicherheit und
des Platzangebots im Innenraum, sagen
die Hersteller.

Was den Platz angeht, kommt es natür-
lich immer auf die persönlichen Ansprü-
che an. Ein Kofferraumvolumen von
391Litern ist zumindest für einen Klein-
wagen mehr als ordentlich. Das Aha-Er-
lebnis kommt dagegen, wenn sich der
Fahrer damit beschäftigt, was der kleine
Franzose mittlerweile an Ausstattung bie-
tet. Die Ambientebeleuchtung und das
große Touchdisplay in der Mittelkonsole
erwecken den Eindruck, man steige nicht
etwa in einen Wagen für unter 20 000 Eu-
ro ein, sondern eher in ein gutes Mittel-
klassemodell. Wobei erste Probefahrten
schnell die Nachteile von zu viel touchen
und wischen aufzeigen. Die Lautstärke
per Fingertippen auf dem Display zu ver-
ändern, ist einfach umständlicher als ein
Drehregler am Lenkrad.
Auf der Straße leistet sich der Clio mit
dem 100-PS-Benziner kaum Schwächen.
Dass man nur fünf Gänge hat, ist etwas ge-
wöhnungsbedürftig. Dennoch fährt er
sich auch bei höheren Geschwindigkei-
ten erstaunlich ruhig, hat eine präzise
Lenkung und gegen Aufpreis auch unzäh-
lige elektronische Helfer an Bord. In der
Variante „Intense“, die bei 18 190 Euro
startet, gibt es unter anderem Spurhal-
te-, Fernlicht- und Notbremsassistent.
Vieles davon ist ab 2022 von der EU für
Neuwagen vorgeschrieben. Der Clio
zeigt, dass es schon heute möglich ist, zu
annehmbaren Preisen viel Sicherheit in
einen Kleinwagen zu packen.
christina kunkel

Drei Millionen Gasfahrzeuge bis
2030? Dassetzt eine Wende der
europäischen Klimapolitik voraus

„Wer in Infrastruktur investiert, braucht einen langen Atem“


Ingo Wortmann, Präsident des Verbandes der Verkehrsbetriebe, freut sich über den Geldsegen des Bundes – sieht aber auch noch viele Probleme


Ingo Wortmann,49,
führt seitNovember 2016
die Münchner Verkehrsge-
sellschaft (MVG), die
Busse, U- und Trambah-
nen in München betreibt.
Dem Verband deutscher
Verkehrsunternehmen
(VDV) sitzt er seit Novem-
ber 2018 vor.FOTO: VDV

Viel Sicherheit


fürwenig Geld


Der Renault Clio zeigt, was auch
Kleinwagen heute bieten können

Wirkt wie aus einer höheren
Klasse: Das große Touch-Display

Wird der neue VW Golf mit


Gasantrieb erfolgreicher als


sein Elektro-Pendant ID 3?


Vorsprung beim Gaszapfen:
Mitderzeit 900 Tankstellen
sind CNG-Fahrer in
Deutschland vergleichsweise
gut versorgt. Bei Wasserstoff
oder Ultraschnellladern
ist die Infrastruktur noch
deutlich lückenhafter.
FOTO: VW

Plan G


Kaum Tankstellen, wenig Reichweite und mäßiges Temperament: Gasantriebe waren bisher kein Verkaufsschlager.


Künftig sollen sie als Brückentechnologie jedoch eine zentrale Rolle spielen – wenn die Pläne der Regierung aufgehen


DEFGH Nr. 242, Samstag/Sonntag, 19./20. Oktober 2019 MOBILES LEBEN 71


Hinweis der Redaktion:Ein Teil der im „Mobilen Le-
ben“ vorgestellten Produkte wurde der Redaktion
von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung
gestellt und/oder auf Reisen präsentiert, zu denen
Journalisten eingeladen wurden.

Groß ist er geworden, der Clio. Auch im
Innen- und Kofferraum ist genügend
Platz für vier Passagiere. Und der Rei-
sekomfort ist ansprechend. FOTO: RENAULT
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