Süddeutsche Zeitung - 12.10.2019

(singke) #1

Als das Buch über die „Azur-
blaueKüste“ erschien, war
Nizza ein Fischerdorf und
das Auto noch nicht erfun-
den. Die ersten Tourenfahr-
ten durch die Seealpen bereiteten der
Ruhe ein Ende. Die junge Marke Merce-
des verkaufte hier ein Drittel ihrer Fahr-
zeuge. Noch heute wirbt die Region mit
Badenixen, Bergen und offenen Sportwa-
gen. Und der Büromensch lässt sich
willig aus seinem Gehäuse locken.
Schließlich kostet der Flug fast nix, das
Hotel hat Nachsaison und der Mietwa-
gen (kein Mercedes) ist spottbillig.
Was will man mehr: Leuchtend-blau-
es Licht, warmes Wasser – Urlaubsstim-
mung will trotzdem nicht aufkommen.
Das süße, quirlige Kind von einst mit
den blonden Locken und der großen
Liebe zum Meer hat sich unversehens
zum mannsgroßen Triathleten ausge-
wachsen. In Nizza ist Weltmeisterschaft
(Halbdistanz) und der Vater wird als Teil
des Betreuer-Teams engagiert: Fahrer,
Strecken-Scout, Seelenmasseur und vor
allem als Koch und Einkäufer. 5000
Kalorien am Tag wollen ansprechend
serviert sein. Aber was täte man nicht
für dieses Licht im Spätsommer!
Zudem ist Nizza ein Traum für Logisti-
ker. Wo sonst kann man an der Côte
d'Azur erschwinglich so stadtnah lan-
den? Die erste Abkühlung kommt mit
der Warteschlange an der Mietwagenaus-
gabe. Es dauert so lange, weil jedem
Fahrgast eindringlich eingeschärft wer-
den muss, dass er unbedingt eine Zusatz-
versicherung ohne Selbstbeteiligung
brauche. Für Schäden am Fahrzeug müs-
se er sonst vollumfänglich haften, die
Kaution über mehrere Hundert Euro
werde von der Kreditkarte gleich abge-
bucht. Wer nicht vollkasko-geschützt
gelandet ist, geht an dieser Stelle garan-
tiert in die Knie – und das Buchungs-
team am Terminal zwei hat sein Tages-
soll erfüllt. Warteschlange hin oder her.
Bei den günstigen Tagespauschalen
der Online-Vermittler kann sich das
Wagenvermieten eigentlich nicht rech-
nen. Denkt der Autosuchende und fragt
sich, wo die verdeckten Kosten stecken?
Die Antwort geht so: Man nehme ein
schummriges Parkhaus als Übernahme-
ort, in dessen Halbdunkel kleinste Ma-
cken an Lack oder Felgen garantiert
übersehen werden. Der Rückgabeort
sieht dann etwas anders aus: Ein Lichtka-
nal, dessen Neonglanz selbst die Sonne
über der azurblauen Küste verblassen
lässt. Prompt findet sich ein schmaler
Kratzer auf einer Felge.
Der Fahrer kann bezeugen, dass die
kaum zwei Zentimeter lange Schramme
nicht aus der Triathlon-Woche stammt.
Allein, es hilft nicht viel, das Rückgabe-
protokoll will unterschrieben sein und
die Kaution ist eh schon eingezogen. Die
Rechnung vier Wochen später weist
328,46 Euro Schadenersatz aus: 50 Pro-
zent mehr als die gesamten Mietwagen-
kosten. So geht also das Geschäftsmo-
dell! Die Firma ist nicht verpflichtet, die
Reparatur ausführen zu lassen. Und die
nächste Parkschramme kommt be-
stimmt. Zum Glück steht die Zusatzversi-
cherung mit der windigen Adresse in
Malta für den versprochenen Rundum-
schutz ein. Sonst wäre die Woche noch
kostspieliger geworden. 5000 Kalorien
am Tag sind schon teurer genug.
joachim becker


Ein fast


perfekter Urlaub


UNTERWEGS


von jörg buschmann

L


eiterrahmen, Starrachsen, der ge-
hört echt ins Gelände“. Der Nach-
bar, von Beruf Automechaniker,
kommt unter dem Auto hervorge-
krochen, will dann den Motor se-
hen. „Rustikal – wird man wohl überall re-
parieren können“. Dann setzt er sich hin-
ters Steuer guckt sich einmal um: „Bärig!“.
Und damit ist der ansonsten eher nüchter-
ne Mensch ein gutes Beispiel für die Aufre-
gung, die der neuen Jimny von Suzuki seit
den ersten Erlkönig-Fotos ausgelöst hat.
Den Jimny gibt es seit 1998 , ein winzi-
ger, aber echter Geländewagen, der an-
fangs zwar auch vor der Eisdiele zu sehen
war, sich dann aber erfolgreich die Nische
erkämpft hat, für die er ursprünglich ent-
wickelt wurde. Unter Berghüttenbesit-
zern, Förstern, Landwirten und Hausmeis-
tern wurde der Wagen zum gefragten
Werkzeug. Leicht und kurz, kommt über-
all hin. Da verkraftete man auch ein Auto,
das nur bedingt autobahntauglich und im
Innenraum enorm laut war. Und schmal
war der Wagen, so schmal, das eine Fahrt
mit wildfremden Menschen beklemmend
sein konnte.
Dafür war der Jimny bei Erwerb und Un-
terhalt preiswert. Was übrigens eine Vor-
aussetzung für ein echtes Geländeauto ist.
Wer das Geräusch kratzender Äste auf Me-
tallic-Lack hasst, die Alufelgen ungern an
Steinen vorbei schabt und sich um die

Achsgelenke sorgt, während er durch den
Schlamm pflügt, sitzt in einem 70000 Eu-
ro teuren SUV einfach im falschen Fahr-
zeug. Nach über 20 Jahren Produktions-
zeit fürchteten die meisten Jimny-Besit-
zer, der Nachfolger werde auch so ein
weichgespültes SUV-Citycrossover-Dings-
bums werden. Also lieber noch schnell ei-
nen alten anschaffen. Für Suzuki keine
schlechte Situation. Auch ohne viel Marke-
tingedöns hat sich das Auto weltweit an-
ständig verkauft.

Dann kam alles ganz anders. Das erste
Gerücht zum Neuen: Das Auto wird wieder
einen Leiterrahmen haben. Dies ist die
konstruktive Voraussetzung für ein echtes
Nutzfahrzeug. Alle Antriebselemente sit-
zen in diesem stabilen Rahmen und dar-
auf wird die Karosserie gestellt. Das sorgt
für ein rustikaleres Fahrverhalten, ermög-
licht aber die Stabilität, die häufige Gelän-
defahrten überhaupt erst möglich ma-
chen. Im Gegensatz dazu reibt sich ein
SUV mit selbsttragender Karosserie im Ar-
beitseinsatz einfach auf. Solche Autos wer-
den nur fürs Reklamefotos in den Wald
oder auf den Berg gestellt.
Das zweite Gerücht: Es wird wieder ei-
ne Untersetzung fürs Gelände geben.

Dann kam das erste Foto. Und es gab kein
Halten mehr: Ein Geländeauto, so gerade
und kantig, geradezu klassisch. Wenn ein
Kind einen Geländewagen zeichnet, sieht
er so aus. Bei Suzuki scheint keiner mit so-
viel Begeisterung gerechnet zu haben.
Schon beim Verkaufsstart in Japan war
der Ansturm so hoch, dass schnell lange
Lieferfristen von bis zu zwei Jahren ent-
standen. In Deutschland wurde Händlern,
die einen Vorführer hatten, sprichwörtlich
die Bude eingerannt.
Aber ist ein so spezialisiertes Auto auch
alltagstauglich? Dass es geländetauglich
ist, lässt sich sofort abhaken. Der neue
schlägt den alten hier um Längen und man
findet legal wohl kaum eine Stelle, durch
dies sich das nur 3,64 Meter lange Auto
nicht wühlt: Untersetzung rein ( jetzt wie-
der mit einem rustikalen Hebel einzule-
gen), Gas geben (die Drehzahl wird im
Kriechgang ganz leicht angehoben) und
darauf vertrauen, dass der kleine Motor
das leichte Auto schon rausziehen wird. 21
Zentimeter Bodenfreiheit reichen für tiefe
Furchen, und die Überhänge sind vorne
wie hinten so kurz, dass erstaunliche Ram-
penwinkel möglich sind.
Aber auch der Jäger oder Berghüttenbe-
sitzer fährt die meiste Zeit auf der Straße.
Und genau dort fährt sich das Auto jetzt
verblüffend gut. Man nimmt Platz auf ein-
fachen, an Gartenmobiliar erinnernde,
aber nicht gänzlich unbequeme Sitzen.
Stellt flink (es gibt nicht viel zu verstellen)

eine irgendwie passende Sitzposition ein,
freut sich über die gute Übersicht in dem
hohen Auto und fährt ohne die Bedie-
nungsanleitung zu lesen gleich los, indem
man den langen Ganghebel, der tatsäch-
lich in einem Zieharmonikabalg endet,
mit leichtem Nachdruck einlegt.
Der Zwerg hängt beherzt am Gas, lässt
sich drehfreudig beschleunigen, die Gän-
ge werden mit Gespür für die Mechanik ge-
radezu lässig über den langen Hebel einge-
worfen, die Lenkung ist ausreichend präzi-
se, will aber ständig bedient werden. Und
so fährt man gut beschäftigt und alles an-
dere als autonom dahin, begleitet vom
ständig leicht mahlenden Geräusch des
Antriebsstrangs.
Das macht viel Spaß und man hat das
Gefühl, durchaus agil unterwegs zu sein.
Bis man bei einem quälend langen Über-
holvorgang von den Fakten eingeholt
wird. Die 102 PS des Benziners machen
auch aus dem leichten Jimny keinen Sport-
wagen, Suzuki gibt nicht einmal einen
Wert für die Beschleunigung von 0 auf 100
km/h an. Warum auch, die Stärken liegen
ja woanders und gefühlt kommt keine Lan-
geweile auf.
Das liegt auch am gelungenen Innen-
raum. Dort dominiert zwar preiswertes
Hartplastik (der Jimny startet schließlich
auch schon bei 17519 Euro), aber ohne min-
derwertig zu wirken. Die Schalter fühlen
sich gut an, die Instrumente lassen sich
klar ablesen, der Beifahrer freut sich über

einen Haltegriff im Armaturenbrett. Nur
Ablagen gibt es so gut wie keine. Das klei-
ne Handschuhfach ist komplett mit der Be-
dienungsanleitung gefüllt. Und in die Sei-
tentaschen an den Türen, passt kaum die
Sonntagszeitung. Nur die obligatorischen
Becherhalter gibt es in diesem Waldschrat
natürlich auch.
Und wer von den zwei erhältlichen Vari-
anten die etwas teurere nimmt, bekommt
auch ein bildschirmgesteuertes Audiosys-
tem mit Navigation. Serienmäßig erkennt
der Jimny Verkehrszeichen (meistens)
und zeigt diese im Display an, unterstützt
bei Notbremsungen und lässt das Lenkrad
beim Verlassen der Spur vibrieren.

Erstaunlicherweise ist der neue Jimny
etwas kürzer als der alte. Suzuki scheint
sich daher für eine Entweder-Oder-Strate-
gie entscheiden zu haben: Entweder fah-
ren vier Personen ohne Gepäck mit, oder
zwei mit Gepäck. Im Alltag nutzt man den
Wagen also als Zweisitzer, dann ist auch
der Gepäckraum mit maximal 830 Litern
in Ordnung. Für Notfälle kann man das
Hochklappen der Rückenlehnen im Ge-
päckabteil anbieten. Diesen Platz erreicht
man allerdings nur über die Beifahrertür
und mit erheblichem Geschick. Das der
Beifahrersitz sich so umlegen lässt, das
vom Heck bis zum Armaturenträger durch-
geladen werden kann, ist ein weiterer klei-
ner Hinweis, mit wie viel Ernsthaftigkeit
die Entwickler versucht haben, aus dem
vorgegebenen Rahmen (Preis und Größe),
das Maximum herauszuholen.
Dass ein schmales, leichtes, aber hohes
Auto auf deutschen Autobahnen nicht opti-
mal aufgehoben ist, liegt nahe. Aber auch
dort macht der Jimny seine Sache nicht
schlecht. Sofern es keinen Seitenwind gibt
und man den Gasfuß im Zaum hält. Suzu-
ki gibt als Maximaltempo 145 km/h an,
der Testwagen läuft leicht 170. Da ist dann
aber die Hölle los und man findet leicht
auf den Weg der Tugend zurück.
Zufriedenheit stellt sich dann wieder
bei 120 km/h mit eingeschaltetem Tempo-
mat und aufgedrehtem Radio auf der rech-
ten Spur ein. Jetzt könnte man darüber
jammern, dass es keinen sechsten Gang
gibt. Wirklich vermisst wird der aber nur
bei der deutschen Raserei. Suzuki hat das
Auto als Weltauto konzipiert. Und überall
sonst bremst ein Tempolimit den Ge-
schwindigkeitsrausch. Fährt man so, wie
der Rest der Welt, freut man sich über das
weiten Drehzahlband des fünften Ganges.
Auch in der Stadt macht das Auto Spaß.
Der kleine Wendekreis, die gute Übersicht
und die hohe Sitzposition sind nicht nur
im Wald von Vorteil. Dass der Jimny kurz
und eckig ist, erleichtert die Parkplatzsu-
che ungemein. Weniger erfreulich sind die
Folgen, die der weltweite Einsatz des ein-
zig erhältlichen Motors hat. Da er mit je-
der Spritqualität zu Recht kommen muss
und die Reparatur überall möglich sein
soll, standen Verbrauchswerte und Co 2 -
Ausstoß offenbar nicht sehr weit oben im
Lastenheft. Im Durchschnitt pendelte sich
die Verbrauchsanzeige bei 7,4 Litern ein.
Der Co 2 -Ausstoß wird vom Hersteller mit
154 g/km angegeben, mit Automatikge-
triebe sind es sogar 170 g/km. Geländewa-
gen hin oder her, für ein so kleines Auto ist
das zu viel.
Wer dem knuffigen Charme des Jimny
erliegt, sollte sich also prüfen. In den Gren-
zen, die das Konzept des Fahrzeuges setzt,
kann man mit Spaß unterwegs sein. Und
wem würde eine automobile Neuerschei-
nung einfallen, die für vergleichsweise we-
nig Geld so viel Charakter mitbringt? Wer
nie ins Gelände muss, versäumt freilich
die eigentliche Attraktion des Autos.

Der Jimny ist ein Auto für den
Weltmarkt. Der Verbrauch hatte
dabei nicht die höchste Priorität

DEFGH Nr. 242, Samstag/Sonntag, 19./20. Oktober 2019 72


MOBILES LEBEN


In Deutschland wurde Händlern,
die einen Vorführer hatten,
regelrecht die Bude eingerannt

Im Gelände ist er kaum zu schlagen, jetzt macht er auch auf der Straße eine gute Figur: Der neue Jimny. Die Preise beginnen bei knapp 18 000 Euro. FOTO:SUZUKI

Robuster Zwerg


Viele fürchteten, der neue Jimny von Suzuki werde der nächste weichgespülte SUV werden.


Doch er ist ein echter Geländewagen geblieben – zur großen Freude seiner Fans


Gasautos waren bisher kein
Verkaufsschlager. Mit der Klimapolitik in
Berlin könnte sich das ändern Seite 71

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