Süddeutsche Zeitung - 12.10.2019

(singke) #1
von julian hans

O


a Taubn pro Mann mit am Kar-
dofflsalad und a guade Soß da-
zua – passt!“. Alois Fuchs ist
lange genug Taubenzüchter,
um zu wissen, dass einen das
Hobby zur Not auch ernähren kann. Aber ei-
gentlich geht es natürlich um etwas ande-
res: um Kopf, Kropf und Kragen, um
schmucke Schnäbel, krönende Hauben, ei-
ne feine Stimme und eine schöne Zeich-
nung des Gefieders. Aber als Züchter muss
man eben auch aufpassen, dass der Be-
stand im Rahmen bleibt. Wenn es eng wird
in den Volieren, kommt doch mal ein Tier
in den Topf.
Im Gasthof Zur Post in Daglfing trifft
sich der Geflügelzuchtverein an diesem
Abend bei Bier und Schweinebraten. Alois
Fuchs ist der Veteran am Tisch; ergraut, im
Trachtenhemd und mit Münchner Zunge.
Er hat viele unterschiedliche Taubenras-
sen gezüchtet in seinem langen Leben,


aber für seine Luzerner Goldkragen war er
berühmt. Sechs Mal war er bayerischer
Meister, fünf Mal deutscher Meister, vier
Mal Europameister. Als Reifenhändler war
er in ganz Deutschland unterwegs. Aber
die Leidenschaft für die Vögel hat ihn um
die halbe Welt geführt, bis nach Russland
und Usbekistan. Vor einem Jahr hat der
77-Jährige seine Zucht aufgegeben. „Ich ha-
be alles erreicht, was man erreichen kann“,
sagt er. Niemand am Tisch würde das be-
zweifeln.
Und allen ist klar, dass die goldenen Zei-
ten der Taubenzucht in München vorbei
sind. An der Isar lag einst eine Hochburg
dieser Kunst. Deutsche Züchter waren für
ihre Gründlichkeit und Systematik welt-
weit angesehen, besonders die aus Thürin-
gen, Sachsen und Bayern. In Germering er-
schien dieGeflügel-Börse, eine illustrierte
„Zeitschrift für Kleintierzüchter und Natur-
freunde“ voll mit Anzeigen zum Verkauf
und Tausch. Sozusagen das Zentralorgan
der Rassegeflügelzüchter. Vor fünf Jahren
erschien die letzte Ausgabe. Liebhaber hü-
ten alte Exemplare wie Schätze.
Als Alois Fuchs ein junger Mann war,
gab es in München noch zwei große Verei-
ne mit Hunderten Taubenzüchtern. In der
Olympiareithalle wurden Ausstellungen


mit 4000 Tieren veranstaltet. Heute exis-
tiert nur noch der Geflügelzuchtverein
München e.V., gegründet 1871. Von den et-
wa 25 Mitgliedern ist etwa ein Dutzend
noch aktiv, zur Versammlung an diesem
Abend sind sechs gekommen. Sie klagen
über immer strengere Bestimmungen und
über die steigenden Mieten. Anderswo ha-
ben Vereine Gemeinschaftszuchtanlagen.
In der Landeshauptstadt, wo um jeden Qua-
dratmeter Wohn- und Geschäftsraum ge-
rungen wird, ist dafür kein Platz. Nur wer
ein eigenes Grundstück hat oder einen
Schrebergarten, kann dort eine Voliere auf-
stellen. Alois Fuchs hatte trotzdem Ärger
mit dem Nachbarn. Zehn Jahre lang haben
sie gestritten, weil der sich vom Gurren
und Flattern gestört fühlte. Am Ende ist
der Nachbar weggezogen. „Der neue Nach-
bar ist normal“, sagt Fuchs.
Dazu kommen die Nachwuchssorgen.
Der Kleintierzuchtverein gilt als Sinnbild
von Vereinsmeierei und deutschem Spie-
ßertum. Auf dem Land ist es heute noch
manchmal so, dass sich an den Stammti-
schen treffen: der Huber, der Meier, der
Müller, der Obermaier, der Sepp, der Hans
und der Max. In der Großstadt ist das ein
bisschen anders. Der Fuchs Alois und der
Staudinger Werner sind die einzigen an die-
sem Abend, die in München geboren sind.
Werner Hartmann, der Vorsitzende, und
Dieter Moyrer stammen aus Siebenbür-
gen. Sefcet Ahmetovic kommt aus Serbien.
Sein Schrebergartennachbar Babak Deljou
ist als junger Mann aus dem Iran gekom-
men. Ein Mitglied, Abdul Mubarak,
stammt aus dem Irak. Ohne Zuwanderer
wäre diese deutsche Tradition in München
längst ausgestorben.
Frauen sind in diesen Kreisen aber im-
mer noch selten. Viola Dziuba ist die einzi-
ge in der Runde. „Eigentlich ist das ein
Männerhobby“, sagt sie. Aber sie begeis-
tert sich dafür, seit sie ein kleines Mädchen
war. Schuld war ausgerechnet der Metz-
ger; der hat ihr zum siebten Geburtstag ein
Pärchen Brieftauben geschenkt. Mit 23
war sie die jüngste Preisrichterin in
Deutschland.
Jeder hat eine eigene Geschichte mit
den Tauben zu erzählen, meistens beginnt
sie in der Kindheit. Dziuba ist in einer
Kleinstadt im Harz aufgewachsen, die Tau-
ben waren ihre erste Verbindung in den
Westen. Wenn Brieftauben aus Westberlin
erschöpft waren oder schlechtes Wetter
war, dann mussten sie in der DDR notlan-
den. „Die Leute aus meiner Kleinstadt ha-
ben die dann zu mir gebracht, weil sie wuss-
ten, dass ich Tauben halte“, erzählt sie.
„Dann habe ich die aufgepäppelt und heim
geschickt“. Zehn oder zwölf Jahre sei sie da-
mals alt gewesen. Mit einigen Züchtern ent-
stand so eine Brieffreundschaft. Manch-
mal haben sie auch ein Westpaket ge-
schickt als Dankeschön.
Noch in anderer Hinsicht ist Viola Dziu-
ba eine Ausnahme in der Runde: Sie hat als
einzige studiert. Sogar Agrarwissenschaf-
ten. Die Männer sind Automechaniker, Rei-
fenhändler, Blumenhändler, Maschinen-

bauer, Friseur. Kleintierzucht war immer
auch ein Hobby der kleinen Leute. Dass
Hühner, Tauben und Kaninchen auch ei-
nen Festtagsbraten abgeben können, war
ein willkommener Nebeneffekt. Doch in ei-
ner Stadt der Dax-Konzerne, IT-Unterneh-
men und Spitzenforschung ist für so ein
Kleine-Leute-Hobby immer weniger Platz.
Sefcet Ahmetovic hat sein Refugium zwi-
schen S-Bahn-Gleisen und Schuttplatz ge-
funden. Man tritt durch eine eiserne Gar-
tenpforte und ist in der Natur: Dicke Kür-

bisse leuchten gelb in der Sonne. Es riecht
nach reifen Quitten und nach frisch ge-
brühtem Kaffee. Am Tisch malen die Kin-
der und oben im blauen Himmel kreist ein
Schwarm weißer Tauben. „Wenn ich von
der Arbeit komme, ist es wurst, wie müde
ich bin“, sagte Ahmetovic. „Wenn ich da
reingehe, ist das alles vergessen.“ Jeden
Tag fährt er von seiner Wohnung am Luise-
Kiesselbach-Platz hier raus nach Berg am
Laim, um seine Tiere zu versorgen. Zehn Ki-
lometer hin und zurück. Da gehen am Tag

locker vier Stunden drauf. Aber das tut so
gut, sagt Ahmetovic: „Ich liebe das, und die
Kinder hängen dran“. Wenn sie hier drau-
ßen Geburtstag feiern, dürfen ihre Gäste
Tauben in die Hand nehmen und Küken
streicheln, „die wollen oft gar nicht mehr
heim“.
Sechs Jahre war er alt, als ihm seine ers-
te Taube zugeflogen ist. Das war noch in
seiner alten Heimat in Serbien. Als er die
Geschichte im Wirtshaus erzählt hat, ha-
ben die anderen gelacht. „Doch, die ist mir

wirklich zugeflogen!“, hat er protestiert.
Fast alle haben so eine Geschichte zu erzäh-
len, aus Teheran, Siebenbürgen oder Un-
garn, und nicht immer sind die ersten Tau-
ben ganz freiwillig bei den Buben gelandet.
Als Sefcet Ahmetovic zehn Jahre später
nach Deutschland kam, folgte eine lange
taubenlose Zeit. Bis ihm eines Tages wie-
der eine zulief mit einem Ring am Fuß.
„Die gehörte dem Alois. Und der hat mich
gleich eingeladen, ob ich mir den Tauben-
züchterverein nicht mal ansehen will.“ Seit-
dem gehört er dazu.
Vor sieben Jahren konnte er dann diese
Parzelle in der Kleingartenanlage pachten,
nicht weit vom S-Bahnhof Berg am Laim.
Ein Kaninchenzuchtverein war hier schon,
und die Mitglieder hatten nichts gegen Tau-
ben, einige hielten selbst Hühner. Also hat
er das Gewächshaus zur Voliere umgebaut.
Er schlüpft hinein, fängt zwei Tiere und
zeigt ihre Federn, bevor er sie in die Luft
aufsteigen lässt. Besonders stolz ist er auf
die seltenen türkischen Azman mit dem
schwarz-weißen Gefieder. Außerdem hält
er Wiener Hochflieger und Serbische Hoch-
flieger, das sind die mit der Spitzhaube auf
dem Kopf.

Im Garten nebenan nimmt Renate ein
Sandbad. Das weiße Seidenhuhn gehört Ba-
bak Deljou, dem Iraner. Die Tauben, die
oben im Himmel kreisen, sind seine Persi-
schen Hochflieger. Für viele zugereiste
Züchter sind die Tauben auch ein Stück
Heimat ihrer Kindheit. Und wenn dann der
Iraner Deljou und der Iraker Abdul Muba-
rak am Münchner Wirtshaustisch zusam-
mensitzen und über Vogelzucht fachsim-
peln, ist die alte Feindschaft zwischen ih-
ren Ländern ganz vergessen.
Neulich konnte der Muslim Babak Del-
jou dem Pastor einer Truderinger Gemein-
de einen Wunsch erfüllen. Der suchte wei-
ße Tauben für seinen Gottesdienst. Und
Deljou war stolz, seine Vögel vorführen zu
dürfen. Im Mai hatte die Künstlerin Christi-
ane Huber syrische Sturztauben auf dem
Max-Joseph-Platz ausgestellt als Beglei-
tung für eine Lesung syrischer Dichter.
Wenn die letzten Züchter in München ihre
Volieren räumen, wird es schwer, für sol-
che Aktionen noch Vögel zu finden.
Manchmal kämen Besucher in seine
Gartenanlage, die würden auch gerne Tau-
ben halten, erzählt Sefcet Ahmetovic.
„Aber dann muss ich denen sagen: Es gibt
keinen Platz. Wir sind noch drei Züchter.
Wenn wir weg sind, wird da auch keiner
mehr nachkommen.“
Seine Parzelle hat er von der „Bahn
Landwirtschaft“ gepachtet, ehemals ein
Verein der Eisenbahner. Erst hatten die
kein Problem mit Tauben. Dann wechselte
der Vorstand. Seit drei Jahren gibt es Streit.
Es wird in Deutschland oft über die Regeln
des Spiels gestritten, das sich „Deutsche
Leitkultur“ nennt. Aber wenn sich einer
vor Gericht mit dem Vorstand seines Klein-
gartenvereins über die Verordnung für das
Halten von Kaninchen und Tauben strei-
tet, kann man wohl sagen, dass er im Endle-
vel angekommen ist. Maximal 25 Tauben
erlaubt der Vorstand jetzt noch pro Parzel-
le. Tiere gehörten nicht in Kleingärten, ist
die Begründung. Die Regel gilt vorläufig
bis Ende des Jahres. Wenn sie nicht verlän-
gert wird, gibt es an Weihnachten viel-
leicht Taube statt Gans.

Alt und verstaubt? „Mitnichten! Ein
Hobby ist das, was man daraus macht.“
Schon auf der Startseite seiner Homepage
geht der Münchner Briefmarken Club in
die Offensive und stellt sich dem Klischee,
das Briefmarkensammlern heutzutage an-
hängt. Robert Binner, der erste Vorsitzen-
de des 1905 gegründeten Vereins, redet
nicht lange drumherum, wenn man ihn
auf die Altersstruktur seines Klubs an-
spricht: „Das Problem ist tatsächlich, dass
der Sammelnachwuchs fehlt.“
Dabei kann einem das Briefmarken-
sammeln ja tatsächlich die Welt öffnen. Ro-
bert Binner ging es als Kind selbst so: „Ich
sammle, seit ich ein kleiner Bub war. Man
muss halt irgendwann aus der normalen
Markensammelei rauskommen und sich
spezialisieren. Dann kann das schon span-
nender sein, als wenn man nur das zusam-
menträgt, was die Post rausbringt.“ Das
wolle im Verein keiner sehen. Er sammelt
Briefe und Poststempel aus den alten deut-
schen Kolonien, hat zudem eine postge-
schichtliche Sammlung über Alaska und
den Klondike-Goldrausch. Am Yukon war
er sogar schon ein paar Mal, auch in der
früheren Kolonie Neu-Guinea. „Wenn
man sich auch mit der Geschichte beschäf-
tigt, hat man einen ganz anderen Bezug zu
dem Gebiet“, erklärt Binner, „dann kann
man vor Ort die Museen und Archive an-
schauen.“ Auch im Internet gibt es natür-
lich viel, zum Beispiel eine eigene Arbeits-
gemeinschaft für die Kolonien. Oder man
muss auf Messen oder Auktionen suchen,
was zu solchen Themen angeboten wird.
„Das sind dann schon ein bisschen größe-
re Investitionen.“
Geld, das in den Augen der Briefmar-
kenfreunde gut angelegt ist. In Paragraf

drei der Vereinssatzung heißt es: „Zweck
des Vereins ist auf dem Gebiet der Philate-
lie die Förderung der Volksbildung, Wis-
senschaft und Forschung.“
Und so treffen sich die rund hundert
Mitglieder jeden Montagabend in der
Großhaderner Gaststätte Erdinger Weiss-
bräu in der Heiglhofstraße, gemäß dem
Motto „Wenn wir Wissen teilen, haben alle
mehr davon“. Binner sagt: „In manchen

Vereinen trifft man sich nur zum Ratschen
und fängt dann an Karten zu spielen – wir
haben halt ein Programm, einen Vortrag
von jemandem, der sein Gebiet, mit dem
er sich beschäftigt, vorstellt.“ Auch Leute,
die international ausstellen. Gerade habe
einer auf einer Ausstellung in China sein
erstes Gold gewonnen – ein Grund zum
Feiern!
Doch wo soll der Nachwuchs herkom-
men, wenn kaum noch jemand Postkarten
oder gar Briefe schreibt? „Leute, die Wert
darauf legen, dass sie Post bekommen

und selbst Postkarten aus dem Urlaub
schreiben, die kriegen auch welche“,
glaubt Binner, „dann richten sich die Ver-
wandten danach. Aber das liegt halt auch
an einem selber.“ Sein Münchner Brief-
marken Club sei ein eher überregionaler
Verein, sagt Binner, einer von vielleicht
zehn in München, „und natürlich haben
wir alle Nachwuchsprobleme“. Am ehes-
ten gehe es noch im spezialisierteren Be-
reich, wo es Leute gibt, die eine vernünfti-
ge Sammlung zusammentragen und dann
auch zeigen können.
In München gebe es zwar eine eigene Ju-
gendgruppe, die immer wieder versuche,
neue Jugendliche anzuheuern, aber:
„Wenn die noch klein sind, können sie
nicht ohne Eltern kommen, und wenn sie
größer werden, kommen die anderen In-
teressen, dann verliert man wieder wel-
che.“ Es sei also ziemlich mühsam mit der
Jugendarbeit. „Aber es geht schon! Man
muss halt Leute haben, die mit Kindern
umgehen und das rüberbringen können.
Briefmarken sind genug da, das bekommt
man alles geschenkt. Man muss halt
schauen, ob bei irgendeinem der Funke
überspringt.“
Frisches Blut würde den Briefmarken-
freunden jedenfalls nicht schaden. Schon
in einer Festschrift vor vielen Jahren hieß
es: „So kann unserem Jubilar bescheinigt
werden, dass ihm – trotz zum Teil nicht ge-
ringen Alters seiner Mitglieder – der kraft-
volle Anspruch seiner Jugend erhalten ge-
blieben ist, was zeigt, dass dieser An-
spruch keine Frage des Alters sein muss.“
Die Festschrift über den Münchner Brief-
marken Club endet mit dem fast flehen-
den Aufruf: „Bewahrt und pflegt ihn, er
hat es verdient!“ thomas becker

Kropf


und Kragen


Taubenzüchter sind rar geworden in München – ohne
Zuwanderer wäre die Tradition längst ausgestorben

So ganz genau weiß man es nicht, aber es
gibt Hinweise darauf, dass Faustball zu
den ältesten Sportarten der Welt gehört.
Drei Jahrhunderte vor Christus soll in Itali-
en ein Spiel entstanden sein, bei dem eine
Kugel aus Leder mit Armen und Fäusten
malträtiert wurde. Schriftlich hat man das
Ganze erst gut 500 Jahre später durch Gor-
dianus, immerhin Kaiser von Rom. Heut-
zutage kommt die Faustballspielerei, ganz
grob gesagt eine Art Volleyball mit Einmal-
aufkommen-lassen, ein gutes Stück bo-
denständiger daher. Wenn überhaupt
noch. Trifft sich die Bezirksliga-Mann-
schaft der Turnerschaft 1905 München
mittwochabends auf dem Feld oder in der
Halle einer Riemer Grundschule, dann ist
das eine recht übersichtliche Veranstal-
tung, bei der Männer und Frauen auch
mal gemeinsam auf dem Platz stehen: „Da-
mit man überhaupt Mannschaften zusam-
menkriegt, dürfen in der Bezirksliga auch
gemischte Teams an den Start gehen“, er-
klärt Beatrice Blechschmidt.
Vor mehr als 40 Jahren, mit zwölf, hat
sie angefangen mit Faustball in Saarbrü-
cken, wurde später zwei Mal deutscher
Meister und drei Mal sogar Europapokal-
sieger mit dem Nachbarverein TV Scheidt



  • bevor sich die Faustball-Abteilung auf-
    löste. Blechschmidt zog nach Bayern, spiel-
    te für den TV Planegg-Krailling – bevor
    sich die Faustball-Abteilung auflöste. Wo-
    bei: „Die Alten spielen immer noch“, sagt
    Blechschmidt, „nehmen aber nicht mehr
    am Spielbetrieb teil.“ Und so sieht es fast
    überall in den Münchner Faustballabtei-
    lungen aus. „Die einzigen Mannschaften,
    die noch um Punkte spielen, sind die Tur-
    nerschaft 1905 München und der SV Weiß-
    Blau Allianz München. Früher gab es Sie-


mens Ost, Siemens Süd, Schwabing, Pa-
sing, Planegg-Krailling. Jetzt gibt es im
Einzugsgebiet von rund 70 Kilometern
nur noch zwei Klubs mit Jugendarbeit: Un-
terpfaffenhofen und Rosenheim.“ In Nord-
deutschland sei Faustball populärer, dort
gebe es sogar Schulmeisterschaften, sagt
Blechschmidt: „Auch im Stuttgarter
Raum gibt es fast auf jedem Dorf noch ei-
nen Faustballverein.“
Sogar olympisch soll Faustball werden,
wenn es nach den Verbandsbossen geht.
Schließlich ist Deutschland mit zwölf Welt-
meistertiteln bei den Männern und vier
bei den Frauen die absolut führende Faust-
ball-Nation, die nächste WM findet in
Mannheim statt. Den Randgruppen-Sta-

tus der Sportart belegen jedoch folgende
Personalien: Der Mittelmann der National-
mannschaft spielt im Hauptberuf als Profi
Volleyball. Und ein Schweizer Faustballer
ist im Winter Profi-Eishockeyspieler und
spielt Faustball nur zum Ausgleich. Und
die Zukunft dürfte nicht rosiger werden.
In den beiden Bezirksligamannschaften
der Turnerschaft 1905 München sind die
Jüngsten Mitte 20, die Ältesten 50 plus.
Nachwuchs? Fehlanzeige. Beatrice Blech-
schmidts eigene Tochter ist zwar eine
Sportskanone, aber wenn sie früher mit ih-
ren Eltern – Papa Rudi spielte 2. Bundesli-
ga – zum Faustball ging, war sie immer
das einzige Kind. Und allein funktioniert
Faustball halt nicht. thomas becker

Briefmarkensammler
Robert Binner.FOTO: RUMPF

Babak Deljou (l.) und
Sefcet Ahmetovic (r.)
haben Besuch
von ihrem
Schrebergarten-
Nachbarn Werner
Bitterwolf. Der hält
lieber Hühner. Für
Ahmetovics Kinder ist
der Umgang mit
Tauben etwas ganz
natürliches.
FOTOS: SEBASTIAN GABRIEL

Schmucke Schnäbel und
schönes Gefieder

Die Marke zieht nicht


RobertBinner ist ein begeisterter Sammler, doch seinem Club fehlen junge Mitglieder


Für viele zugereiste Züchter
sind die Tauben auch ein
Stück Heimat ihrer Kindheit

Beatrice Blechschmidt spielt seit gut 40 Jahren Faustball. FOTO: STEPHAN RUMPF

Spieler gesucht


Die letzten verbliebenen Münchner Faustball-Vereine finden kaum noch Nachwuchs


DIE LETZTEN IHRER ART


Viele Hobbys und Sportarten haben ihre große Zeit lange hinter sich. Früher versammelten sich in den Vereinen


Weltmeisterund Experten von Rang – heute interessieren sich nur noch wenige dafür


R2 THEMA DES TAGES Samstag/Sonntag, 19./20. Oktober 2019, Nr. 242 DEFGH

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