Süddeutsche Zeitung - 24.10.2019

(Nora) #1
von alan cassidy
und claus hulverscheidt

Washington/New York– Espassiert nicht
allzu häufig, dass Olaf Scholz für eine Rede
gefeiert wird, entsprechend geschmei-
chelt fühlte sich der Bundesfinanzminis-
ter, als ihm im Sommer bei einem Treffen
der führenden Wirtschaftsnationen genau
das passierte. Der japanische Amtskollege
Taro Aso sprach von einem grandiosen Vor-
trag, US-Notenbankchef Jerome Powell ap-
plaudierte gar auf offener Bühne. Jerome
Powell! Scholz wähnte sich am Ziel: Der
Plan des Facebook-Konzerns, ein globales
digitales Zahlungsmittel mit Namen Libra
zu schaffen, war tot, noch bevor die neue
Währung das Licht der Welt erblickt hatte.
Vielleicht jedoch hat sich Scholz zu früh
gefreut, denn die Frage, ob Powell und US-
Finanzminister Steven Mnuchin wirklich
an seiner Seite stehen oder am Ende nicht
doch gemeinsame Sache mit Facebook-
Chef Mark Zuckerberg machen werden, ist
seit der Jahrestagung des Internationalen
Währungsfonds (IWF) am letzten Wochen-
ende in Washington wieder offen. Urplötz-
lich nämlich klang die Ablehnung der Ame-
rikaner sehr viel weniger entschlossen, ja,
sie vereitelten sogar Scholz’ Vorhaben, den
Facebook-Plänen in einem Bericht der sie-
ben führenden Industrieländer ein für alle-
mal eine klare Absage zu erteilen. Stattdes-
sen werden in der G-7-Erklärung lediglich
viele Hürden genannt, die zur Libra-Reali-
sierung übersprungen werden müssen.
Auch Zuckerberg selbst legte am Mitt-
woch nach: In einer Anhörung vor dem Fi-
nanzdienstleistungsausschuss des Reprä-
sentantenhauses sagte er, Libra werde Mil-
lionen Menschen erstmals Zugang zu Geld-
überweisungen verschaffen und zugleich
die globale Vormachtstellung der USA im
Finanzsektor festigen. Es sei aber Eile ge-

boten, denn auch China stehe beim Thema
Digitalwährung in den Startlöchern. „Wäh-
rend wir reden, wartet die Welt nicht“, er-
klärte Zuckerberg vor den Abgeordneten.
Dass Facebook mit dem Plan einen wun-
den Punkt trifft, räumt sogar Libra-Kriti-
ker Scholz ein. Nicht nur, dass 1,7Milliar-
den Menschen weltweit kein Konto haben.
Vielmehr ist es auch mit Bankverbindung
schwierig, Geld rasch und günstig ins Aus-
land zu überweisen. Ein Transfer von ei-
nem deutschen auf ein US-Konto dauert
mehrere Tage, zudem kassieren die Ban-
ken hohe Gebühren. „Die Zahlungen sind
zu langsam und zu teuer“, sagte Scholz
beim IWF-Treffen. Libra dagegen soll es er-
möglichen, per Smartphone und in Echt-
zeit Geld in alle Welt zu senden, gleichsam
so, wie man heute eine SMS verschickt.

Hinter dem neuen Zahlungsmittel steht
ein von Facebook geführtes Firmenkonsor-
tium. Libra soll an einen Korb unter ande-
rem aus Dollar, Euro und Yen gebunden
und so vor großen Kursschwankungen ge-
schützt werden. Mit dem herkömmlichen
Geld, das Nutzer für den Libra-Kauf ausge-
ben, will das Konsortium Staatsanleihen
und andere sichere Anlagen erwerben, um
den Wert des Zahlungsmittels zu sichern.
Aus Sicht von Kritikern jedoch lädt eine
privat organisierte, anonyme Digitalwäh-
rung Kriminelle und Terroristen zu Geld-
wäsche und anderen illegalen Machen-
schaften geradezu ein. Zudem bestünden
große Datenschutzrisiken und die Gefahr,
dass die Notenbanken in ihrer zentralen
Aufgabe, der Steuerung des Geldangebots,
behindert würden. Entscheidend ist für

Scholz aber noch etwas anderes: Die Bereit-
stellung einer Währung, so der Minister,
sei nicht der Job privater Firmen, sondern
„allein die Aufgabe souveräner Staaten“.
Bisher dachte Scholz, dass Mnuchin das
genauso sieht. Zuckerberg hat jedoch seine
Strategie zuletzt angepasst und betont, Li-
bra könne statt an einen Währungskorb
auch mehr oder weniger allein an den Dol-
lar gekoppelt werden. „Ich glaube, das
wird Amerikas Führungsrolle in Finanzfra-
gen stärken“, sagte er am Mittwoch. Diese
Perspektive gefällt offenbar auch Mnu-
chin und Powell, wie aus G-7-Kreisen ver-
lautete. Tatsächlich nämlich würde die füh-
rende Rolle des Dollars im Weltwirtschafts-
system mit all ihren Vorteilen für den Staat
wie für US-Unternehmen auf die digitale
Welt ausgeweitet und weiter gestärkt. Am
Ende bekäme die US-Regierung womög-
lich gar ein neues politisches Druckmittel
in die Hand: So könnte sie Personen oder
gar Staaten, die ihre Wünsche nicht erfül-
len, den Rückumtausch von Libra in Dollar
verweigern – eine verlockende Aussicht.
Allerdings müssen Zuckerberg und
Mnuchin nicht nur die Welt für Libra ge-
winnen, sondern erst einmal den US-Kon-
gress, wo das Ansehen Facebooks aus vie-
lerlei Gründen miserabel ist. So klagen et-
wa rechte Politiker, Organisationen und
Medien schon lange, dass Facebook auf sei-
nen Plattformen konservative Meinungen
unterdrücke. Um die Kritiker zu besänfti-
gen, lud Zuckerberg führende Rechts- und
Mitte-Rechts-Repräsentanten nach einem
Bericht des OnlinemagazinsPoliticoauf
sein Anwesen in Kalifornien ein, darunter
den Fox-News-Moderator Tucker Carlson
und Senator Lindsey Graham. Beide ste-
hen Präsident Donald Trump nahe, der
Facebook gerne strenger reguliert sähe.
Dagegen kritisieren die Demokraten,
Zuckerberg tue immer noch zu wenig da-

für, Politik-Falschmeldungen von seinen
Plattformen zu löschen. Kürzlich tauchte
bei Facebook eine Anzeige auf, in der es
hieß: „Breaking News: Zuckerberg und
Facebook rufen zu Trumps Wiederwahl
auf“. Das war natürlich falsch. Geschaltet
hatte die Anzeige die demokratische Präsi-
dentschaftskandidatin Elizabeth Warren,
um darauf hinzuweisen, dass Facebook Po-
litiker-Lügen verbreitet und damit auch
noch Geld verdient. Warren fordert seit
Längerem die Zerschlagung des Konzerns.
Zuckerberg räumte vor dem Kongress-
ausschuss ein, dass das Image seines Kon-
zerns nicht das beste sei – auch nach den
zahlreichen Datenschutzskandalen der
vergangenen Jahre. Er sei fest davon über-
zeugt, dass es notwendig sei, umgehend
mit dem Aufbau einer Digitalwährung wie
Libra zu beginnen, sagte der Firmenchef.
Er wisse aber auch, dass viele Bürger sei-
nem Konzern nicht trauten und dächten:
„Es hätte jeder andere sein dürfen, der die-
se Idee vorantreibt – nur nicht Facebook.“

Berlin– Was sich bei der Deutschen Bahn
imkommenden Jahr für die Passagiere än-
dern soll? Der 45-jährige Profisprecher
Heiko Grauel hat gerade zwei Wochen hin-
ter verschlossenen Türen an der wohl auf-
fälligsten Neuerung gearbeitet. Von 2020
an werden dann bundesweit die künstlich
klingenden Ansagen zu Abfahrten, Ankünf-
ten oder Verspätungen gegen natürliche
eingetauscht. Grauel, der sich in einem Cas-
ting durchsetzte, leiht dem Konzern dafür
seine tiefe Stimme und macht sie damit
wohl schlagartig zu einer der bekanntes-
ten im Land.
Rund 14 000 Sätze hat Grauel über zwei
Wochen dafür im Tonstudio in einen Com-
puter gesprochen. Die sogenannte Text-to-
Speech-Technik wird Wörter, Silben und
Betonungen zu ganz neuen Ansagen for-
men. Zumindest für Grauel wird Bahnfah-
ren so eine ganz neue Erfahrung. Er werde
künftig wohl länger an den Bahnhöfen blei-
ben als sonst, um sich zuzuhören, sagt der
Sprecher am Mittwoch in Berlin, wo die
Deutsche Bahn die Neuerungen für Kun-
den vorgestellt hat.
Zwar bekommt der zuletzt viel kritisier-
te Konzern die Probleme mit der anhalten-
den Unpünktlichkeit nur schleppend in
den Griff. Wer lange im Zug sitzt, soll es
aber wenigstens bald bequemer haben.

Nach viel Kritik an den Sitzen der neuen
ICE-Generation sollen weichere Polster,
neue Armlehnen und mehr Platz im Schul-
terbereich mehr Komfort schaffen. Von
März 2020 an will die Bahn die neuen Sitze
in ihre Hochgeschwindigkeitszüge brin-
gen. Insgesamt sollen bis Ende 2021 fast

60000 der neuen Sessel in ICE-3- und
ICE-4-Züge eingebaut werden. 40 Millio-
nen Euro will sich die Bahn das kosten las-
sen. Bei der Entwicklung floss auch das Vo-
tum von 5800 Kunden ein, die die neuen
Sitzmöbel vorab testen konnten. Mit dem
Projekt räumt die Bahn allerdings auch ein,
dass die Entwicklung der erst zwei oder
drei Jahre alten, aktuellen Sitze wohl an
den Kunden vorbei lief. Im vergangenen
Jahr hatten sich die Beschwerden bei der
Bahn über unbequeme Sitze verschärft.
Bequemer reisen sollen die Kunden der
Bahn künftig auch mit neuen digitalen An-
geboten. Der Konzern will seine App, den
Navigator, zum informativeren Begleiter
auf Reisen aufrüsten und etwa für die 200
größten Bahnhöfe Informationen für Züge
oder den Nahverkehr liefern, damit sich
Passagiere am Ziel oder beim Umsteigen
besser orientieren können. Um das Umstei-
gen zwischen Auto und Zug zu erleichtern,
testet der Konzern in Stuttgart eine neue
App für Park- and-Ride-Angebote. Die sol-
len für gewünschte Strecken die besten
Kombinationen aus Auto- und Zugstre-
cken angeben – und auch noch prüfen, ob
Parkplätze am Bahnhof frei sein werden.
Über ihre Smartphones sollen Passagie-
re vom kommenden Jahr an auf Pilotstre-
cken im Bordrestaurant Speisen und Ge-

tränke bestellen können. Wie das die Be-
quemlichkeit erhöhen soll, bleibt aller-
dings Geheimnis der Bahn: Denn abholen
muss der Kunde die Bestellung auch wei-
terhin – es sei denn, er fährt erste Klasse.
Zu den Verbesserungen zählt die Bahn
auch das neue Angebot für einen sogenann-
ten Chatbot, einen Computer, der rund um
die Uhr Kundenfragen auf der Internetsei-
te des Konzerns beantworten soll. Der Test-
betrieb läuft bereits, pro Tag finden der-
zeit etwa 1400 Chats statt. Allerdings kann
das System bislang keine individuellen Fra-
gen zu Zugverbindungen beantworten,
sondern nur Standardfragen etwa zum Ab-
lauf von Stornierungen.
Zum ernsten Problem wird für den Kon-
zern derweil die Gütertochter DB Cargo.
Wegen Engpässen stehen derzeit viele Zü-
ge still, Kunden droht die verzögerte Liefe-
rung von Waren. DB Cargo verzeichne in al-
len Netzwerken derzeit „eine sehr ange-
spannte betriebliche Lage“, heißt es in ei-
nem aktuellen internen Schreiben, das der
Süddeutschen Zeitungvorliegt. „Dadurch
kommt es zu teils signifikanten Verzöge-
rungen bei der Bereitstellung der Sendun-
gen der Kunden.“ Schon im vergangenen
Jahr hatte die Krisentochter der Deut-
schen Bahn einen Verlust von 190 Millio-
nen Euro eingefahren. markus balser

DEFGH Nr. 246, Donnerstag, 24. Oktober 2019 17


von silvia liebrich

L


andwirte, die mit ihren Traktoren
Straßen blockieren, solche Bilder
kannte man bislang eher aus Frank-
reich. Ähnliche Szenen haben sich nun
auch in Deutschland abgespielt. Vielen
Bauern reicht es, und sie wollen sich nicht
mehr zurückhalten. Denn sie kämpfen an
vielen Fronten gleichzeitig: Preisdruck im
Lebensmittelhandel, strengere Auflagen
zum Schutz von Wasser, Böden, Tieren
und Artenvielfalt, die Folgen des Klima-
wandels – all das schürt Existenzängste.
Diese Ängste haben die etablierten Par-
teien in Deutschland lange Zeit nicht ernst
genommen. Sie haben die Bauern im Stich
gelassen, angefangen bei CDU/CSU, SPD,
FDP über die Grünen bis hin zur FDP. Und
auch der Deutsche Bauernverband hat sei-
nen Anteil daran. Es sollte also niemand er-
staunen, dass nun ausgerechnet die AfD
versucht, sich als Retter des Bauernstands
aufzuspielen. Ein Blick nach Frankreich
hätte genügt, um das vorherzusehen.


Bei den Politikern im Nachbarland sind
die Bauern von jeher gefürchtet. Gülle vor
Rathäuser kippen, Schweinehälfte am Su-
permarkt ablegen oder Straßenblockaden
errichten, das gehört zu ihrem Repertoire.
Auch sie fühlen sich von der Politik miss-
achtet und wenden sich dem rechten La-
ger zu. Der Anteil der Bauern, die mit dem
Rassemblement National, dem früheren
Front National, sympathisieren, stieg in
wenigen Jahren deutlich an.
Auch der Zeitpunkt der Bauernproteste
in Deutschland kommt nicht überra-
schend. Auf EU-Ebene steht die nächste
Agrarreform an. Doch es zeichnet sich ab,
dass sie auf Hilfe aus Brüssel nicht zählen
können. Statt etwa Erzeuger dabei zu un-
terstützen, umweltfreundlicher und nach-
haltiger zu wirtschaften, soll dort mög-
lichst alles beim Alten bleiben, so will es
auch die Bundesregierung.
Dies bedeutet, dass Subventionen wei-
terhin vor allem nach dem Gießkannen-
prinzip verteilt werden, ohne große Aufla-
gen. Ein System, von dem in erster Linie
Großbetriebe mit viel Land profitieren, so-
wie Agrarkonzerne und Finanzinvesto-
ren. Das Höfesterben wird also weiterge-
hen. Auf der Strecke bleiben diejenigen,
die das ländliche Leben im positiven Sinn
prägen und erhalten: kleine und mittel-


große Familienbetriebe. Geben sie auf, ist
das ein Verlust, der alle etwas angeht.
Diese traurige Entwicklung haben maß-
geblich CDU und CSU zu verantworten.
Sie prägen seit Jahrzehnten, bis auf weni-
ge Ausnahmen, den Kurs der Agrarpolitik.
Nicht nur in Deutschland, sondern auch
auf europäischer Ebene. Mit einer Politik,
die – wie sich immer deutlicher zeigt –
dem Bauernstand mehr Schaden zuge-
fügt hat, als die Landwirte selbst lange
wahrhaben wollten. Möglich war dies
auch, weil keine andere Partei der Union
ihre Rolle als Vertreterin der Bauern wirk-
lich streitig gemacht hat. Im Gegenteil.
Die SPD betrachtet Landwirte bis heute
nicht als ihre Klientel. In ihren Wahlpro-
grammen taucht Agrarpolitik nur am
Rand auf. Die Grünen sehen ihre Verant-
wortung ganz klar im Ökolandbau. Das
hat zu einer Rivalität zwischen Biobauern
und konventionellen Erzeugern geführt,
die der gesamten Branche schadet. Bleibt
die FDP, die sich in ihrer Interessenvertre-
tung vor allem auf Agrarkonzerne und Fi-
nanzinvestoren fokussiert. Hinzu kommt
ein mächtiger Bauernverband, der gern
mit Familienbetrieben Werbung macht,
aber nicht in deren Sinn handelt.
In diese Lücke stößt nun die AfD mit
vermeintlich einfachen Antworten auf
höchst komplexe Probleme. Das Motiv
liegt auf der Hand, es geht um populisti-
schen Stimmenfang. Echte Lösungen sind
hier nicht zu erwarten. Die müssen nun
von der Bundesregierung und der zustän-
digen Agrarministerin Julia Klöckner
(CDU) kommen. Dass sie Verständnis für
den Unmut der Landwirte zeigt, lässt sich
auch als Eingeständnis eigenen Versa-
gens interpretieren.
Was die Bauern brauchen, ist eine faire
Verteilung von Subventionen, dafür muss
sich die Bundesregierung in Brüssel ein-
setzen. Wer weniger Tiere hält, weniger
Gülle ausbringt und seine Wiesen für In-
sekten blühen lässt, dem steht dafür mehr
Geld vom Staat zu. Erzeuger, die nachhal-
tig wirtschaften, schonen Ressourcen und
pflegen die Landschaft. Diese wertvolle
Leistung für die Volkswirtschaft ist mit
dem Verkauf von Fleisch, Milch oder Wei-
zen nicht abgegolten. Einschreiten muss
die Regierung zudem gegen überhöhte
Pachten und Landverkauf an Investoren –
ein Ausverkauf der Landwirtschaft, von
dem kaum Notiz genommen wird.
Noch ist die Agrarreform nicht be-
schlossene Sache. Sollten sie wirklich ein
Herz für Bauern haben, müssen Klöckner
und Kanzlerin Angela Merkel jetzt ent-
schieden handeln.

Am Ende kam einiges zusammen. Da war
die „Boy’s Group“-Mentalität, eine sexisti-
schen Männerwirtschaft, wie sie in einem
Unternehmen nicht mehr in die Zeit passt.
Im Zuge dessen wurden Klagen über an-
gebliche sexuelle Belästigungen und die
Benachteiligung von Frauen bei Nike laut.
Dann die öffentliche Empörung darüber,
dass der mit Abstand größte Sportartikel-
hersteller Profisportlerinnen, die von ihm
ausgerüstet und gesponsert werden, Straf-
zahlungen abverlangt, wenn die Frauen
schwanger werden. Und zu guter Letzt war
da noch das Nike Oregon Project. Jenes fir-
meneigene Trainingsgruppe, die gerade
erst aufgelöst wurde, nachdem deren Trai-
ner Alberto Salazar wegen Dopingverge-
hen gesperrt worden war.
All das schien an Mark Parker, 64, abzu-
prallen. Ebenso, dass er vom Treiben des
Doping-Trainers gewusst haben soll, wie
US-Medien unter Berufung auf E-Mail-
Korrespondenz berichten. Auch dass er Sa-
lazar selbst nach dessen Suspendierung
die Treue schwor, schien auf den Chef von
Nike keine Wirkung zu haben. Am Diens-
tag nach Börsenschluss gab das Unterneh-
men jedoch bekannt gab, dass Mark Par-
ker nach dann 14 Jahren seinen Posten am



  1. Januar 2020 räumen wird. Nachfolger
    wird John Donahoe, 59, Chef des Compu-
    ter-Cloud-Spezialisten Service-Now und
    von 2008 bis 2015 Vorstandschef von Ebay.
    Mark Parker bestritt im US-Fernsehsen-
    der CNBC, dass die vielen Vorwürfe der
    jüngsten Zeit etwas mit seinem Rückzug
    zu tun hätten. „Ich gehe nirgendwo hin, ich
    bin nicht krank“, hatte er zuvor an alle Nike-
    Mitarbeiter geschrieben.
    An der Version vom freiwilligen Abgang
    sind dennoch Zweifel erlaubt, auch wenn
    Parker als geschäftsführender Vorsitzen-
    der in den Verwaltungsrat des US-Unter-
    nehmens wechseln wird. Schließlich hatte
    Nike vor nicht einmal zwei Jahren angekün-
    digt, Parker werde „über 2020 hinaus“


Chef bleiben. Nun fiel die Ankündigung sei-
nes ziemlich überraschenden Abgangs zeit-
lich mit jener von Kevin Plank zusammen,
bisher Herrscher über den Konkurrenten
Under Armour. Auch er hört auf. Einen we-
sentlichen Unterschied gibt es allerdings:
Under Armour lieferte nach großspurigen
Wachstumsversprechen nur wenige Erfol-
ge. Nike hingegen boomt, Affären hin oder
her. Bei 39 Milliarden Dollar, umgerechnet
gut 35 Milliarden Euro, lag zuletzt der Um-
satz. Adidas, die deutsche Nummer zwei
der Branche, rechnet hingegen für das lau-
fende Jahr mit etwa 23,7 Milliarden Euro.
Auch was den Börsenwert angeht liegt Ni-
ke weit vorn.
Mark Parkers Abgang ist aus mehrerlei
Gründen ein tiefer Einschnitt in die Nike-
Geschichte. Seit 1979 arbeitet der studierte
Politikwissenschaftler aus dem Bundes-
staat New York für die Marke mit dem
Swoosh. Vom Schuhdesigner und Produkt-
entwickler arbeitete er sich hoch bis ganz
an die Spitze und es gibt ein ungemein er-
folgreiches Produktsystem, das eng mit
ihm verbunden ist: Sportschuhe, in deren
Sohlen zur Dämpfung Luftkissenpolster
eingebaut sind.
Die Nike-Schuhlinie „Air“ ist seit Jahr-
zehnten ein Erfolgsschlager. Vom Hobby-
Läufer und Mountainbiker Parker, der mit
einer ehemaligen Weltrekordhalterin über
5000 Meter verheiratet ist, hieß es oft, er
kümmere sich am liebsten um Produkte.
Doch auch die Zahlen stimmen. Unter sei-
ner Führung hat sich der Nike-Umsatz
mehr als verdoppelt.
Dass mit Parkers Nachfolger Donahoe
ein Internet-Experte einen Sportartikel-
konzern führt ergibt deshalb Sinn, weil die
Branche immer weniger Geschäft im statio-
nären Handel, dafür aber umso mehr über
(eigene) Online-Plattformen macht. Dona-
hoes Nachfolger bei Service-Now wieder-
um wird Bill McDermott, bis vor Kurzem
Chef bei SAP. uwe ritzer

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WIRTSCHAFT


„Ichglaube, das wird Amerikas Führungsrolle in Finanzfragen stärken“, sagt Mark Zuckerberg über seine Digitalwährung. FOTO: CHIP SOMODEVILLA/AFP

NAHAUFNAHME


„Ichgehe
nirgendwo hin.
Ich bin nicht krank.“
Mark Parker
FOTO: USA TODAY SPORTS

60 000 neue Sessel will die Bahn in den
Schnellzügen installieren. Kostenpunkt:
40 Millionen Euro. FOTO: ARNE DEDERT / DPA

Was habt ihr denn?


„Während wir reden, wartet die Welt nicht“: Facebook-Chef Zuckerberg verteidigt vor dem US-Kongress
seine Digitalwährung Libra gegen die Kritik von Notenbankern. China, sagt er, steht schon in den Startlöchern

BAUERNPROTESTE

Im Stich gelassen


Neue Sitze sollen’s richten


Die Deutsche Bahn verspricht Kunden zwar nicht mehr Pünktlichkeit, aber dafür mehr Komfort


Die Luft ist raus


Nike-Chef Parker hatte trotz Affären viel Erfolg. Jetzt hört er auf


Die SPD betrachtet


Landwirte bis heute nicht


als ihre Klientel


Kritiker befürchten, die
anonyme Digitalwährung
könnte Kriminellen helfen

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