Süddeutsche Zeitung - 24.10.2019

(Nora) #1
von christof kneer

B


is heute sind sie sich beim FC Bay-
ern nicht sicher, ob das im Februar
nun eine Meisterleistung oder ein
Armutszeugnis war. Wurde Niko Kovac
beim Achtelfinal-Hinspiel in Liverpool
endgültig als biederer Defensivtrainer
enttarnt, weil er eine Riegeltaktik in Auf-
trag gab, die zu null geschossenen Toren
führte? Oder war dieses Auswärtsspiel an
der Anfield Road der Beweis dafür, dass
der Trainer dieses hohe Niveau eben
doch draufhat, weil seine Kriegslist ja
auch zu null kassierten Toren führte?
In diesem Fall wird, je nach Ge-
schmack und Interessenlage, für immer
Aussage gegen Aussage stehen, eines
aber ist unstrittig: dass jene, die diese
Taktik aufs Feld überführten, definitiv
eine Meisterleistung vollbrachten. Mit be-
ängstigender Gelassenheit haben sich
Niklas Süle und Mats Hummels da hinten
die Bälle hin und her gepasst, jede noch
so winzige Nachlässigkeit wäre sofort mit
einem Gegentor bestraft worden. Es war
artistische Abwehrkunst auf höchstem
Niveau, davor und dahinter abgesichert
von Javier Martinez und Manuel Neuer.
Den beiden Letzteren muss es also be-
sonders wehgetan haben, was sie da in Pi-
räus erleben mussten. Sie waren Teil ei-
ner Verteidigung, bei deren Bewertung
keinesfalls Aussage gegen Aussage steht.
Vor allem direkt nach der Halbzeit reichte
jede noch so banale Flanke, um Bayerns
Abwehr in einen soliden Panikzustand zu
versetzen. Mittendrin: Neuer und Marti-
nez. Keinesfalls mittendrin: Süle und
Hummels. Der eine sah aus dem Kranken-
stand zu, der andere aus Dortmund.
115 Millionen Euro Ablöse haben die
Münchner in zwei neue Verteidiger inves-
tiert, aber es wäre unfair, Lucas Hernan-
dez und Benjamin Pavard, Frankreichs
Weltmeistern von 2018, den Prozess zu
machen. Bei ihrem stolzen Bekenntnis zu
diesen irrsinnigen Summen haben sich
Bayerns Kaderplaner an einer heiligen Re-
gel versündigt: jener, dass eine Abwehr
nur so gut sein kann wie die Vorderleute,
die diese Abwehr beschützen. Natürlich
haben die Bayern Pech, dass Süle und Her-
nandez sich nun sehr schwer bzw. schwer
verletzt haben, aber sie haben auch zu we-
nig unternommen, um für so ein Pech
gerüstet zu sein. Sie haben nicht nur Hum-
mels ziehen lassen, sondern auch darauf
verzichtet, auf der Position vor der Ab-
wehr eine Alternative zum zunehmend
klapprigen Martinez zu organisieren. Die
Bayern haben eine halbe Kabine voller
Spieler, die auf der offensiveren Achterpo-
sition spielen können. Einen autoritären
Sechser haben sie nicht.
Kovac wird ja stets vorgehalten, er sei
nur ein Defensivtrainer, und zurzeit ist er
nicht mal das. Kovac hat zuletzt angegrif-
fen und auch mal unsouverän gewirkt,
aber an eines muss man schon auch erin-
nern dürfen: Jene Vorgesetzten, die ihn
kritisch sehen, haben ihm einen Kader
hingestellt, dessen Achse nur noch aus
Neuer und Lewandowski besteht.


von christof kneer

Piräus– Es ist schon schade, dass Franz Be-
ckenbauer solche Reisen nicht mehr mit-
macht. Früher hatte man nach Beendi-
gung eines solchen Fußballspiels immer
noch was zum Freuen, weil man ja wusste:
Gleich ist Bankett. So hätte man sich im Ta-
xi zum Grand Hyatt in Athen wunderbar
spannende Fragen stellen können, zum
Beispiel: Würde der Franz seine Bayern
wieder als „Uwe-Seeler-Traditionself“ be-
schimpfen, oder würde er die Qualität des
Spiels lieber wieder mit „Untergiesing ge-
gen Obergiesing“ vergleichen? Oder würde
er – ein sehr zu Unrecht vergessener Klassi-
ker – sagen: „Burschen, spielt’s Flöte oder
Klavier, aber nicht Fußball“?
Es war dann aber Karl-Heinz Rumme-
nigge, der da redete. Rummenigge stammt
nicht aus Obergiesing, was er dadurch un-
terstreicht, dass er immer ein bisschen ge-
bildet klingen will. „Wir sind ja hier in Grie-

chenland“, sagte Rummenigge also in Grie-
chenland, „da ist ja der Marathonlauf er-
funden worden, und heute war das so ein
bisschen wie Marathonlauf mit Hürden.“
Für alle Nicht-Griechen: Der Vorstands-
boss des FC Bayern wollte damit womög-
lich ausdrücken, dass das ein selbstver-
schuldet langer Abend für die Münchner
war, bei dem sie sich die Hindernisse auch
noch selber in den Weg gestellt hatten.
Traditionell wird beim Bayern-Bankett
das Spiel noch mal neu gespielt, oft erfährt
man erst bei Lachs an Champagnersoße
und Sevruga-Kaviar, was man vom voraus-
gegangenen Abend zu halten hat. Nach
dem aus Bayern-Sicht ungewollt unterhalt-
samen 3:2-Erfolg im Champions-League-
Vorrundenspiel bei Olympiakos Piräus fiel
zweierlei auf an der recht schmallippigen
Münchner Rhetorik: Erstens wurden Er-
gebnis und Spiel so sorgfältig voneinander
getrennt, dass bestimmt jeder Wertstoff-
hof stolz darauf wäre. Mit nur minimal an-
deren Worten sagten das ja im Grunde alle
Münchner: Ergebnis und Tabellensituati-
on in der Champions League: gut; Leis-
tung: eher gar nicht gut. Und auffällig war
zweitens, wie verärgert die Bayern waren –
es wurde nur nicht ganz klar, über wen.
Es sagte also der Nicht-Giesinger Rum-
menigge: „Ich glaube nicht, dass die Leis-
tung, die wir heute Abend gebracht haben,
uns am Ende des Tages in diesem Jahr gro-
ße Erfolge bescheren wird, wenn wir nicht
die Kurve langsam kriegen.“ Auch sagte er:
„Wir haben jetzt zum sechsten, siebten
Mal zwei Tore reingekriegt. Wir spielen da
ein bisschen zu sorglos. Das wird irgend-
wann zu Problemen führen.“ Und: „Ich
möchte jeden dazu aufrufen, dass wir mit
höchster Konzentration, aber auch Motiva-
tion am Samstag auf den Platz gehen.“
Mit höchster Konzentration, aber auch
Motivation: Das klang wie eine Mahnung
an die Spieler, auch der Kapitän Manuel
Neuer ließ sich in diese Richtung verste-

hen, wobei er ungewohnt poetische Worte
fand für die kleine Grußadresse an seine
Mitspieler: Jeder Pass müsse „’ne Message
haben“, sagte Neuer, es könne „nicht sein,
dass man nur einen Pass spielt, um einen
Pass zu spielen. Es muss einen mit Glück er-
füllen. Das hört sich vielleicht romantisch
an oder ein bisschen blöd“(nein, nein, lie-
ber Herr Neuer, alles gut / Anm. d. Red.).
Wer sich nach dieser Nacht der großen
Worte an die Analyse des Gesagten macht,
darf sich aber nicht täuschen lassen: Ja, na-
türlich geht es auch um die Spieler, die sich
im leidenschaftlich lauten Stadion von Pi-
räus in ein wildes Durcheinander verwi-
ckeln ließen und am Ende ganz schön froh
sein konnten, dass sich gerade alle verlet-
zen außer Robert Lewandowski, der mit
zwei Treffern mal wieder den Abend rette-
te. Selten hat man etwa Joshua Kimmich

auf so irritierenden Wegen durch die Ge-
gend rennen sehen, Philippe Coutinho
wirkte verloren auf dem linken Flügel, auf
den ihn Trainer Kovac nach einer halben
Stunde schickte, auch der zuletzt gerne
mal herausragende Serge Gnabry war eher
gerüchteweise anwesend. Als später ein Re-
porter den Sportdirektor Hasan Salihamid-
zic fragte, ob er eher die Spieler oder eher
den Trainer für das Spiel verantwortlich
mache, zog Salihamidzic die Augenbrauen
zusammen und sagte: „Nein, bitte nicht
so.“ Er meinte: Fragt nicht so was Fieses!
Genau das wollen die Bayern ja nicht: eine
externe Trainerdebatte. Vermutlich waren
deshalb auch alle so unkonkret sauer: Weil
sie den Trainer raushalten wollten aus ei-
ner Diskussion, die dem Klub nur schadet.
Aber natürlich weiß jeder inklusive des
Trainers Kovac, dass mit all den großen Sät-

zen des Abends indirekt auch er gemeint
war. Natürlich ist es der Trainer, der kraft
Amtes für die Spielkontrolle verantwort-
lich ist, der es verhindern oder zumindest
unterbinden muss, dass der fähige Kim-
mich da und dort herumrennt; und wenn
Salihamidzic in der ersten Erregung sagt,
so ein Spiel könne einen „verrückt ma-
chen“, und es müsse „alles besser werden“


  • dann meint er damit auch nicht den Bus-
    fahrer oder die Teammanagerin.
    Es sind drei Gründe, die Kovac im Mo-
    ment schützen: die Verletztenmisere, die
    ihm in diesem Umbruchkader als glaub-
    würdiges Alibi dient; die makellose Bilanz
    in der Champions League – und die Tatsa-
    che, dass der für die Münchner relevante
    Trainermarkt mitten im Jahr kaum Abhil-
    fe verspricht. Natürlich ist es keineswegs
    ausgeschlossen, dass die Münchner sich
    im stillen Stüberl mit Ralf Rangnick befas-
    sen, aber es ist zumindest aktuell nicht
    wahrscheinlich, und José Mourinho und
    Massimo Allegri sind eher große Namen
    als große Kandidaten. Manche in der Bran-
    che raunen von einer charmanten Lösung
    mit dem Niederländer Erik ten Hag, der
    mal Bayerns zweite Mannschaft trainierte
    und Ajax Amsterdam zuletzt ins Champi-
    ons-League-Halbfinale führte; zumindest
    haben die Bayern sicherheitshalber Hansi
    Flick als neuen Co-Trainer angeworben, ei-
    nen gut beleumundeten Vollprofi, dem
    man so einen Kader schon mal eine Weile
    anvertrauen kann. So ist Bayerns Trainer-
    politik im Moment eine Art Marathonlauf
    mit Hürden; sie versuchen, sich mit Kovac
    so lange über die Zeit zu retten, bis entwe-
    der plötzlich alles gut wird oder auf einmal
    ein tauglicher Nachfolger am Trainingszen-
    trum in Harlaching erscheint.
    Am Samstag brauche man unbedingt
    drei Punkte, sagte Karl-Heinz Rummenig-
    ge in der Nacht dann noch. Am Samstag
    kommt Union Berlin, eine Art Unter- sowie
    auch Obergiesing der Bundesliga.


Piräus– Vor sechs Jahren gründete die
Uefa den Youth-League-Wettbewerb, um
U19-Spieler an den Profifußball mit all sei-
nen Facetten zu gewöhnen: an einen inter-
nationalen Wettbewerb, an unbekannte
Gegner, an Reisestrapazen. Spätestens am
Dienstag kam ein Erfahrungswert hinzu,
auf den alle Beteiligten gut hätten verzich-
ten können: Randale im Stadion.
„Der Zwischenfall kurz vor Spielende
hat uns geschockt. Das werden wir jetzt ge-
meinsam mit den Spielern aufarbeiten“,
sagt der U19-Trainer des FC Bayern, Dan-
ny Schwarz. Die jungen Bayern hatten ihr
Spiel bei Olympiakos Piräus 4:0 gewon-
nen, eines der aktuell größten Talente, Jo-
shua Zirkzee, hatte drei Tore erzielt. Kurz
vor Abpfiff stürmten dann Dutzende Ver-
mummte Spielfeld und Tribüne, zündeten
Bengalos und verprügelten Bayern-Fans
mit Holzstangen – drei Fans mussten mit
Platzwunden ins Krankenhaus.
Schwarz bedankte sich zwar später bei
den Offiziellen von Olympiakos, die sich
„fürsorglich“ um die Bayern gekümmert
hätten. Auch entschuldigte sich der Klub
in einer kurzen Mitteilung: „Diese Ein-
dringlinge haben nichts mit der Olympia-
kos-Familie zu tun.“ Nachdem die Krawall-
macher abgezogen waren, verbrachten bei-
de Teams die verbleibenden Spielminuten
im Anstoßkreis und schoben sich den Ball
zu. Am Mittwoch aber reichten die Bayern
auch eine Beschwerde bei der Disziplinar-
und Kontrollkommission der Uefa ein, nun
steht eine Untersuchung an.

Augenzeugen berichten, dass es sich
um eine organisierte Gewaltaktion gehan-
delt haben muss. Die Angreifer seien völlig
unaufgeregt vorgegangen und hätten so ge-
wirkt, als würden sie abgesprochene Befeh-
le ausführen. Auch verschonten sie Offiziel-
le und Spieler. Die Ordner am Ort, so war
zu hören, hätten nicht eingegriffen. Unter
den Bayern-Fans ist man sich sicher, dass
die Eindringlinge vorab aus dem Stadionin-
neren informiert worden seien, wo die
Münchner Zaunfahnen hängen – diese wa-
ren das eigentliche Ziel. Als Bayern-Anhän-
ger ihre Fahnen verteidigten, wurde auf sie
eingeprügelt. Von der in der internationa-
len Fanszene bekannten Fahne der „Red
Munichs“ wurden Stücke abgerissen, ande-
re Fahnen wurden komplett geraubt. Un-
ter den Verletzten ist auch Andi Brück, ein
Fanbeauftragter des FCB.
In den vergangenen Jahren wurden im-
mer wieder Bayern-Fans attackiert, wenn
die erste Mannschaft Champions-League-
Spiele in Südeuropa bestritt. Als im April
2017 bei einem Spiel gegen Real Madrid die
spanische Polizei Bayern-Fans verletzte,
schaltete Vorstandschef Karl-Heinz Rum-
menigge gar die Bundesregierung ein.
Auch vor vier Jahren in Piräus hatten Bay-
ern-Anhänger Ärger mit der Polizei.
Auch am Rande von Jugendspielen
kommt es immer mal wieder zu Ausschrei-
tungen. Der Fanbeauftragte Brück wurde
2015 während eines U19-Spiels der Bayern-
Jugend beim 1. FC Nürnberg von Club-Ul-
tras angegriffen, das Spiel wurde abgebro-
chen. Ein Kern der FCB-Fanszene begleitet
nicht nur die Profis, sondern auch Nach-
wuchsspiele regelmäßig – gegnerische
Hooligans oder Ultras wissen das. sz

Piräus– Das Unglück des FC Bayern zeigte
sich an den Badelatschen. Lucas Hernan-
dez hatte sich keine Sportschuhe mehr an-
gezogen, richtig auftreten konnte er sowie-
so nicht mehr. Er schob sich weit nach Mit-
ternacht auf zwei blauen Krücken gestützt
zum Mannschaftsbus, den Blick nach un-
ten gerichtet. Vereinsarzt Hans-Wilhelm
Müller-Wohlfahrt, so sagte es Sportdirek-
tor Hasan Salihamidzic, hatte da im Stadi-
on schon die erste Diagnose gestellt. Band-
verletzung im Knöchel, mehrere Wochen
Pause. Im Laufe des Mittwochs hieß es kon-
kreter: Teilruptur des Innenbandes am
rechten Sprunggelenk, es muss operiert
werden. Wie lange Hernandez ausfallen
dürfte, ließen die Bayern offen.
Derjenige, auf den sie nun hoffen beim
FC Bayern, trug derweil Kopfhörer. Jérôme
Boateng, nach Hernandez’ Verletzung ge-
gen Piräus in der 59. Minute eingewech-
selt, ging mit Musik in den Ohren zum Bus.
Reden wollte er nicht, aber das tut er nach
Spielen sowieso nicht mehr, vor allem, seit
Vereinspräsident Uli Hoeneß ihm „als
Freund“ bei der Meisterfeier empfahl, sich
einen neuen Verein zu suchen. Der Ver-
bannte wird nun einen Stammplatz bekom-
men, es geht nach der Verletzung von Her-
nandez und dem Kreuzbandriss von Ni-
klas Süle gar nicht anders. Einen Tag, nach-


dem Hoeneß am Flughafen verkündet hat-
te, die Abwehr „stelle sich von alleine auf“,
stellt sich die Abwehr tatsächlich von allei-
ne auf. Nur nicht so, wie der Präsident sich
das vorgestellt hatte. Von vier Innenvertei-
digern sind zwei fit – neben Boateng noch
Benjamin Pavard. Allerdings hat Boateng
lange gar nicht gespielt und Pavard meist
als Rechtsverteidiger – weil Joshua Kim-
mich ins defensive Mittelfeld gerückt ist.
Man weiß gar nicht, wo man anfangen
soll, all die neuen Abwehrprobleme aufzu-
zählen, die gerade zu den alten Abwehrpro-
blemen hinzukommen. Der FC Bayern hat
zunächst einmal noch immer Probleme
mit dem französischen Verband. Der hatte
Hernandez zuletzt im Länderspiel einge-
setzt, obwohl der FC Bayern öffentlich da-
von abgeraten hatte. „Ich bin immer noch
ein Stück weit verärgert“, sagte Salihamid-
zic in Piräus. Eine Mitschuld an den Um-
ständen der Verletzung wollte er dem fran-
zösischen Verband ausdrücklich nicht ge-
ben, aber erwähnen wollte er den Sachver-
halt trotzdem. Er erörterte allerdings
nicht, warum der FC Bayern Hernandez
selbst gegen Augsburg aufstellte, wenn die
Belastung offenbar ein Problem war.
Die größte Unbekannte ist Boateng
selbst. Vor Kurzem flog er übers Wochenen-
de nach New York, um an einer Buchprä-

sentation von Sängerin Rihanna teilzuneh-
men. Man kann sich ungefähr vorstellen,
wie Uli Hoeneß reagiert, wenn er so etwas
erfährt. Und Boateng war ja durchaus nicht
abgeneigt, Hoeneß’ Rat zu befolgen, ein
Wechsel zu Juventus Turin im Sommer
scheiterte dem Vernehmen nach nur an ei-
nem Last-Minute-Veto von Juve-Trainer
Maurizio Sarri. Boateng wechselte un-
längst den Berater, von Ex-Bayern-Mana-
ger Christian Nerlinger zu der Agentur „Li-
an Sports“ – und wenn man den Verein
nicht wechseln will, wechselt man norma-
lerweise auch nicht den Berater. Dass der
FC Bayern unter den nunmehr gegebenen
Umständen Boateng ziehen lässt, ist aber
nahezu ausgeschlossen. In dieser Saison
kam er zu sechs Einsätzen – besonders
schlecht spielte er nicht.
Neben ihm wird Benjamin Pavard spie-
len, der immer noch mit dem Niveau-Un-
terschied zwischen einer Abstiegssaison
beim VfB Stuttgart und einer Champions-
League-Saison beim FC Bayern zu kämp-
fen hat. Das ist auf der einen Seite verständ-
lich. Auf der anderen Seite sollte er ja auch
Niklas Süle und Lucas Hernandez neben
sich haben, damit ihm die Einarbeitungs-
zeit erleichtert würde.
Diese Hilfe hat er nun nicht mehr. Er
kämpft aber auch wie Kimmich mit den

ständigen Positionswechseln, meist spiel-
te er Rechtsverteidiger. Das macht nun wie-
der Kimmich, der viele Partien im defensi-
ven Mittelfeld agiert hat. Gegen Piräus er-
wischte er prompt eines seiner schwächs-
ten Spiele im Bayern-Trikot, stand in ei-
nem wilden Duell sehr offensiv und verlor
zu viele Zweikämpfe. David Alaba, als letz-

ter und tatsächlich mittlerweile erfahrens-
ter Teil der Viererkette, kommt gerade
selbst aus einer langen Verletzungspause.
Sollte ein Viertel der Viererkette ausfal-
len, gäbe es nur noch die Option, Javi Marti-
nez als Innenverteidiger aufzustellen – wo-
bei dann die Absicherung im Mittelfeld feh-
len würde. Oder Lars Lukas Mai müsste

spielen. Mai ist 19, Innenverteidiger aus
der eigenen Jugend, und es gibt viele, die
ihm großes Talent attestieren. Manuel
Baum, aktueller Trainer der deutschen
U20-Nationalmannschaft sagte kürzlich,
die Chance, dass Mai dem FC Bayern wei-
terhelfen könne, sei nicht so gering.
Die neu zusammengesetzte Verteidi-
gung soll nun jedenfalls die für einen Spit-
zenklub wie den FC Bayern horrende Serie
von fünf Spielen mit jeweils zwei Gegento-
ren beenden; es trafen etwa der SC Pader-
born, 1899 Hoffenheim und der FC Augs-
burg zweimal. Und dies ausgerechnet un-
ter Trainer Niko Kovac, der vor jedem Spiel
den Wert der Defensive preist. Zum Ver-
gleich: In der Saison 2014/15 kassierten die
Münchner in der gesamten Hinrunde nur
vier Gegentreffer.
Natürlich hängt im Fußball alles mit al-
lem zusammen, natürlich beginnt Abwehr
ganz vorne und natürlich braucht eine
Mannschaft vor allem ein stimmiges Ge-
samtkonzept. Aber eine Viererkette ist
eben ein besonders sensibler Abstim-
mungsteil. David Alaba hatte vor dem
Spiel in Piräus den Wunsch geäußert, sich
in den nächsten Wochen mit der gleichen
Viererkette einspielen zu dürfen. Der
Wunsch erübrigte sich etwas mehr als
24 Stunden später. martin schneider

DEFGH Nr. 246, Donnerstag, 24. Oktober 2019 HMG 25


Hürdenlauf durch Piräus


Nach dem wilden Durcheinander in griechischer Champions-League-Nacht geben sich die Bayern erkennbar Mühe,
ihren Trainer Niko Kovac namentlich rauszuhalten aus einer Qualitätsdebatte, die dem Klub nur schadet

Unter den Verletzten ist auch ein
Fanbeauftragter der Münchner

Basketball
Die beiden favorisierten NBA-Klubs
aus Los Angeles stehen auch
für eine Stadt der Extreme 27

Eishockey
Wach wie nie: Der Ingolstädter
Tim Wohlgemuth ist der beste
junge Stürmer der DEL 28

FC BAYERN

Hausgemachter


Panikzustand


Uefa ermittelt


FC Bayern legt Beschwerde wegen
der Attacken auf Fans in Piräus ein

Der Verbannte ist plötzlich Stammspieler


Lucas Hernandez muss operiert werden, Niklas Süle wurde das Kreuzband geflickt – der FC Bayern hat nur noch zwei gesunde Innenverteidiger und Jérôme Boateng wieder einen Startplatz


Sie versuchen, sich über die Zeit
zu retten, bis alles gut wird – oder
plötzlich ein Nachfolger erscheint

SPORT


Erzielte seine Tore 57 und 58 in der Champions League: Robert Lewandowski, der
seinen zweitenTreffer mit der Schuhsohle ins Netz dirigiert. FOTO: GIANNAKOURIS/AP


Defensivgeste eines Trainers mit einem Defensivproblem: Niko Kovac beim problembeladenen 3:2-Sieg in Piräus. FOTO: ALEXANDER HASSENSTEIN/GETTY

HEUTE


Notfall, Herr Doktor! Verteidiger Hernandez signalisiert eine Verletzung. Die Dia-
gnose:Teilrupturdes Innenbandes im rechten Sprunggelenk. FOTO: MESSINIS/AFP
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