Süddeutsche Zeitung - 24.10.2019

(Nora) #1
München –Der sportliche Aufschwung im
deutschen Eishockey schlägt sich weiter in
den Anmeldezahlen insbesondere im Nach-
wuchs nieder. Die Zahl der Jugendspieler
unter zwölf Jahren stieg in den vergange-
nen beiden Jahren bundesweit um 14,6 Pro-
zent von 6334 auf 7264 an. Das teilte der
Deutsche Eishockey-Bund (DEB) am Mitt-
woch mit. Demnach habe sich auch die Ge-
samtzahl der aktiven Eishockeyspieler um
sieben Prozent erhöht. „Wir befinden uns
auf einem guten Weg“, sagte DEB-Präsi-
dent Franz Reindl, der seit seiner Wahl vor
gut fünf Jahren einige Strukturreformen
umgesetzt hatte. Zudem profitiere man
von sportlichen Erfolgen. Deutschlands
Männerteam hatte bei den Olympischen
Winterspielen 2018 in Pyeongchang über-
raschend Silber gewonnen. Seitdem steigt
die Nachfrage aus der nordamerikani-
schen Liga NHL an jungen deutschen Spie-
lern. Der EHC Red Bull München hatte in
der vergangenen Saison zudem als erstes
deutsches Team das Endspiel der Champi-
ons League erreicht. dpa

von jürgen schmieder

Los Angeles –Natürlich liegt die Wahrheit
auch beim Basketball auf dem Platz, und
die Zuschauer in der Arena im Zentrum
von Los Angeles sahen zum Saisonauftakt
der Basketballliga NBA eine packende Par-
tie mit teils wahnwitzigen Momenten:
Kawhi Leonard und LeBron James, wie sie
den Ball jagen. Lakers-Schütze Danny
Green, wie er nach dem fünften erfolgrei-
chen Drei-Punkte-Wurf nacheinander der
noch verletzten Clippers-Größe Paul
George mitteilt, dass der sich doch bitte
schön hinsetzen und leise sein möge. An-
thony Davis, wie er nach einem Monster-
dunk Clippers-Eigentümer Steve Ballmer
mit dem Todesblick anstarrt.
So müssen Stadtderbys ablaufen. Die
Wahrheit jedoch lag an diesem Abend ne-
ben dem Platz. Auf den Anzeigetafeln
stand, dass die erste von vier Partien wäh-
rend der regulären Saison ein Heimspiel
für die Clippers gewesen war und dass sie
mit 112:102 gewonnen hatten – auf der Tri-
büne hatten sich jedoch drei Viertel der
Leute ein anderes Ergebnis gewünscht.
Diese Halle und auch die Gegend, in der sie
steht, die gehören den Lakers. Noch.


Die Partie gab einen Eindruck davon,
wie die Saison laufen könnte, die Liga war
im Sommer durcheinandergewürfelt wor-
den wie selten zuvor. Knapp die Hälfte al-
ler Spieler, die nun bei den ersten Partien
von Beginn an spielen, sind vor einem Jahr
bei einem anderen Verein oder in anderen
Ligen unter Vertrag gewesen, die Sommer-
pause war spannender, als es 95 Prozent
der Partien bis zu den Playoffs im April
sein dürften.
Russell Westbrook, wertvollster Spieler
der Liga (MVP) 2017, ist von Oklahoma City
zum einstigen Teamkollegen James Har-
den (MVP 2018) nach Houston gewechselt,
Kevin Durant (MVP 2014) von Golden State
zu den Brooklyn Nets, Derrick Rose (MVP
2011) von Minnesota nach Detroit. Bei der
Wahl der Nachwuchsspieler sicherten sich
die New Orleans Pelicans die Dienste von
Zion Williamson, dem übermenschliche
Kräfte nachgesagt werden – nach einer
Knieoperation dürfte er sein erstes Profi-
spiel in sechs Wochen absolvieren.
Die Verhältnisse haben sich verscho-
ben, nirgends wird das so klar wie beim Du-
ell der Clippers (Vorjahresbilanz: 48:34)
mit den Lakers (37:45), das nun eines auf
Augenhöhe und um den Titel ist. Progno-
sen der Wettbüros zufolge treffen sich die
Klubs im Finale der Western Conference,
der Sieger wird die NBA Finals gegen das


beste Team aus dem Osten (Milwaukee
Bucks oder Philadelphia 76ers) gewinnen.
Los Angeles gegen Los Angeles also.
Derbys gibt es auch anderswo, doch
kaum eine Rivalität symbolisiert die Extre-
me einer Stadt derart wie diese. Die Lakers
stehen seit 50 Jahren für Spektakel, Gla-
mour, Hollywood, die Banner für die
16 Meisterschaften hängen auch bei Heim-
spielen der Clippers unter der Decke, ver-
deckt nur von eher peinlichen Liebeserklä-
rungen der Clippers an L.A. Die Lakers-Far-
ben sind im königlichen Purpurgold gehal-
ten, der verstorbene Eigentümer Jerry
Buss hatte beim Kauf 1979 erkannt, dass
Sport Teil der Unterhaltungsbranche ist –
ein Basketballspiel sollte wie der Besuch in
einem Nachtclub sein: Buss installierte VIP-
Logen und stellte Tänzerinnen ein, vor den
Partien brüllte der Sänger der Liveband:
„It’s Showtime!“ Die Lakers sollten erfolg-
reich und unterhaltsam sein, und das wa-
ren sie: Neben den Titelbannern hängen
die Trikots früherer Spieler wie Wilt Cham-
berlain, Magic Johnson, Kareem Abdul-

Jabbar, Shaquille O’Neal, Kobe Bryant. Le-
Bron James soll nach Robert Horry und
John Salley der dritte Profi der NBA-Ge-
schichte werden, der Titel mit drei Klubs
(bislang: Miami und Cleveland) gewinnt.
Der Platz für sein Trikot scheint bereits re-
serviert zu sein, links neben dem von Bry-
ant. Das ist der Plan, daher haben sie Davis
aus New Orleans geholt, sein Trikot würde
rechts neben dem von Bryant hängen.
Kurzer Blick rüber auf die andere Seite
der Halle: kein Titel, kein Trikot. Die Fans
erinnern sich an Enttäuschungen wie etwa
Michael Olowokandi, den die Clippers
1998 an erster Stelle und statt Profis wie
Vince Carter, Paul Pierce oder Dirk Nowitz-
ki gewählt haben. Oder daran, dass Donald
Sterling den Klub erst zur „schlimmsten
Franchise im Profisport“ (ESPN) werden
ließ und ihn fünf Jahre später wegen rassis-
tischer Äußerungen verkaufen musste.
„Wenn jemand sagt, dass er seit 30 Jah-
ren Clippers-Fan ist, dann will ich ihn um-
armen“, sagt Clippers-Trainer Doc Rivers:
„Kann sich jemand vorstellen, was der er-

lebt?“ Die Clippers sind die Antithese zu
den Lakers, der Verein für die ärmeren Vier-
tel im Süden und Osten der Stadt. Es ist
kein Zufall, dass sie ihre Sondertrikots (die
Klubs spielen hin und wieder in Leibchen,
die symbolisch für die Heimatstadt stehen
sollen) so bedruckt haben, dass die Schrift
von „Los Angeles“ aussieht wie die von
„Grand Theft Auto“ – dem Videospiel für
(Möchtegern)-Gangster, dessen Handlung
in einer fiktiven Version von L. A. spielt.
Es ist auch kein Zufall, dass die Clippers
Kawhi Leonard (der nach Titeln mit San An-
tonio und in der vergangenen Saison mit
Toronto ebenfalls die Meisterschaft mit sei-
nem dritten Klub holen könnte) und Paul
George verpflichtet haben. Zwar sind bei-
de Superstars, sie sind indes im Osten der
Metropole aufgewachsen und können mit
der Glitzer- und Glamourversion von L.A.
nicht viel anfangen. „Es ist der Verein der
einfachen Leute, der Kader verdeutlicht
das, ich bin auch eher ein Arbeiter“, sagt
George: „Ich fühle mich zu Hause.“
Leonard sitzt neben George, als der das

sagt, er zeigt eine für seine Verhältnisse
überschwängliche Begeisterung: Er nickt
dreimal. Die Reklame für den neuen „Ter-
minator“-Film mit Leonard, die während
der Partie im Fernsehen gezeigt wird, ist
deshalb selbstironisch und witzig, weil Leo-
nard meist tatsächlich wirkt wie eine Ma-
schine.
Showtime zeigt Leonard nur auf dem
Platz, da haben die Clippers am Dienstag ih-
ren Gegner nicht ausgespielt, sondern mit
variabler Defensive und 60 Punkten von
Ersatzspielern zermürbt. 2024 wollen sie
umziehen in eine neue Arena – nicht in Hol-
lywood, sondern im Südosten, wo die Fans
des Vereins wohnen. Aus dem Schatten der
Lakers wollen sie eher treten, am besten
schon in dieser Saison. „Es passiert was in
Los Angeles“, sagt Rivers, er sagt aber
auch: „Letztlich war es nur eine von 82 Par-
tien. Es geht gerade erst los.“ Das nächste
Stadtderby findet am ersten Weihnachts-
feiertag statt, offiziell ist es ein Heimspiel
für die Lakers. Mal sehen, wie die Sympa-
thien der Zuschauer bis dahin verteilt sind.

Der deutsche Sport gedenkt am 24. Okto-
ber dem75. Todestag Werner Seelenbin-
ders, eines Ringers im griechisch-römi-
schen Stil, eines NS-Widerständlers, ei-
nes profilierten Arbeitersportlers. Ein
Mitläufer, wie so viele andere, war er nie,
und er bezahlte dafür mit dem Leben. Er
starb an diesem Tag des Jahres 1944 im
Zuchthaus Brandenburg unter dem Fall-
beil, den Kopf zur Decke gerichtet. Die Na-
zijustiz, Adolf Hitlers Volksgerichtshof in
Potsdam, hatte Seelenbinder nach zwei-
einhalb Jahren Haft und Folter wegen sei-
ner politischen Aktivitäten zum Tode ver-
urteilt und ermordet.
Nicht mehr viele wissen im Westen
der vereinigten Republik von Werner See-
lenbinder. In der DDR wurde er hochver-
ehrt und zum Helden erklärt. Schulen
und Sporthallen im Osten tragen noch
heute den Namen des Ringers, der einer
der ersten Sieger bei der Arbeiterolympi-
ade war, einem Wettbewerb der von Hit-
ler 1933 aufgelösten Deutschen Arbeiter-
sportbewegung. Am 29. Juli 1945 wurde
ihm ein Ehrengrab auf dem Gelände des
Sportparks Neukölln errichtet; die Trai-
ningsstätte dort hieß jedoch nur kurze
Zeit „Werner-Seelenbinder-Kampf-
bahn“. Von 1948/49 an wurde von den
Westberliner Ämtern nur noch die Be-
zeichnung „Stadion Neukölln“ verwen-
det. Es war die Zeit des Kalten Krieges,
und ein Kommunist galt im Westen auch
posthum noch als verdächtig. Erst seit
2008, mit großem zeitlichen Abstand, ge-
hört Werner Seelenbinder der deutschen
Hall of Fame der Ringer an.
Schon zu Lebzeiten rankten sich Le-
genden um den Ringer Seelenbinder. In
jungen Jahren fiel er durch seine große
Hilfsbereitschaft auf, er teilte das Weni-
ge, über das er verfügte, mit den Bedürfti-
gen. Früh trat er als unbeugsamer Strei-
ter wider die soziale Diskriminierung der

Arbeiterschaft hervor und später gegen
die Entmündigung durch die Nazidikta-
tur. Er erregte durch seinen risikorei-
chen Kampfstil Bewunderung, durch sei-
ne unbedingte Fairness und das Eintre-
ten für seine Überzeugungen.
Als 1933 Adolf Hitler durch den Ent-
scheid des Reichspräsidenten Hinden-
burg die Macht mit Hilfe der Konservati-
ven an sich gerissen hatte, gewann See-
lenbinder den ersten seiner sechs deut-
schen Meistertitel. Am Ende der Titel-
kämpfe im Halbschwergewicht trat er
vor das Publikum, und als die Siegerhym-
ne erklang, hob er auf dem Podest als Ein-
ziger nicht den Arm zum Hitlergruß, ein
Zeichen seines Protests gegen den neuen

Herrscher. Sein Weggefährte Erich Roch-
ler zeigte sich überrascht über die große
Tat: „Er wagt es, denen zu zeigen, ich bin
nicht für euch.“ Die Sperre von 16 Mona-
ten und Verhöre durch die Gestapo er-
trug Seelenbinder mit Gleichmut.
Zu diesem Zeitpunkt gehörte er be-
reits seit fünf Jahren der Kommunisti-
schen Partei an, die illegalen Hilfs- und
Kurierdienste brachten ihn wiederholt in
Schwierigkeiten. Auf die Olympischen
Spiele in Berlin 1936 durfte er sich als na-
tionaler Meister und Medaillenanwärter
vorbereiten – das Regime brauchte ihn
damals noch. Doch es reichte nur zu ei-
nem vierten Platz, weil er nach dem
Punktsystem zweimal siegte, aber auch
zweimal unterlegen war. Vielleicht hatte
seine Form gelitten durch die schwere Ar-
beit; er hatte eine Stelle als Schweißer an-
getreten. Vielleicht übertrieb er auch die
Risiken und erhöhte so den Druck auf
sich selbst: Im Freundeskreis hatte See-
lenbinder vor den Spielen durchblicken
lassen, er wolle Hitler auf dem Siegerpo-
dest die Faust zeigen und ein paar sehr
deutliche Worte ins Mikrofon sprechen.

Er belegte danach noch bei den Euro-
pameisterschaften 1937 und 1938 den
dritten Platz und zog sich langsam aus
dem Wettkampfgeschehen zurück.
Seelenbinder, geboren am 2. August
1904 in Stettin, aufgewachsen in Berlin,
lernte früh die schweren Seiten des Le-
bens kennen. Die Eltern unterhielten ei-
ne kleine Kolonialwarenhandlung. Die
Mutter starb früh, der Vater musste 1916
in den Krieg und das Geschäft aufgeben,
Werner im Alter von zwölf Jahren mit der
Großmutter die Familie durchbringen.
An eine Lehre war nicht zu denken. Er ver-

dingte sich als Page, Transportarbeiter,
Hausdiener, Hilfstischler. Als die Welt-
wirtschaftskrise 1929 bis 1935 über das
Land hereinbrach, teilte er mit Millionen
das Schicksal der Arbeitslosigkeit.
Es war der Sport, der ihm Freude und
Selbstgewissheit verlieh. 1917 trat er dem
Arbeiter-Sportklub Eiche bei und erlern-
te neben dem Gewichtheben das Ringen
im griechisch-römischen Stil, später
wechselte er zum SC Berolina 03 Neu-
kölln. Von 1918 bis 1932 gewann er zahl-
reiche Berliner Titel. 1928 trat er bei der
ersten internationalen Spartakiade in
Moskau an: Mit ungewöhnlichen Griffen
und Schwüngen feierte er Triumphe.
Die Erfahrungen in der Sowjetunion

bewogen ihn, der KPD beizutreten. Er
nutzte die zahlreichen Auslandsreisen zu
Kurierdiensten und agierte als Verbin-
dungsmann. 1939 wirkte er in einer Wi-
derstandsgruppe um Robert Uhrig. 1942
im Februar flog seine Gruppe auf. Nach
der Verhaftung kam er in etliche Gefäng-
nisse und Straflager und wurde gefoltert
von Justiz-Schergen. Als das Naziregime
nach dem missglückten Attentat auf Hit-
ler 1944 die Urteile an den Gegnern voll-
streckte, wurde auch Seelenbinder er-
mordet. Drei Gnadengesuche schmetter-
te eine gnadenlose Parteijustiz ab.
Stephan Hermlin, einer der renom-
miertesten Schriftsteller der DDR, berich-
tete später, dass ihm einer der Mithäftlin-
ge erzählt habe, Seelenbinder habe trotz
der täglichen schweren Schläge im Zucht-
haus Brandenburg seelenruhig am Fens-
ter seiner Zelle gestanden. Er habe sich
von ihnen und von seinem Vater verab-
schiedet, den Freunden „seinen nahen
Tod ansagend, so aufrecht und lebens-
stark, wie er an den Tagen seiner Siege
im Ring gestanden hatte“. Werner Seelen-
binder wog nur noch 60 Kilogramm an-
statt der einstigen gut 90 Kilogramm, be-
richtete sein Bruder Erich Seelenbinder,
den der Autor dieses Textes vor vielen
Jahren in Friedrichsfelde in Berlin be-
suchte. Erich Seelenbinder, damals
88Jahre alt, erzählte anhand von vergilb-
ten Zeitungsausschnitten und brüchigen
Fotos, die er aus einer Mappe zog, vom
kurzen Leben seines bescheidenen, auf-
rechten und unbeugsamen Bruders.
Die Erinnerung an Werner Seelenbin-
der wach zu halten, auch das ist eine Auf-
gabe für den deutschen Sport in Zeiten,
in denen sich der von den Nazis gezüchte-
te Hass wieder regt. Thomas Mann, das
als Mahnung, hatte schon 1949 vor der
„baldigen Renazifizierung“ der Bundes-
republik gewarnt. fritz heimann

Planegg –Im Lebender Studentin Laura
Dahlmeier kommt es mitunter zu komi-
schen Begegnungen. Ein Kommilitone ha-
be neulich von ihr wissen wollen, ob sie aus
Österreich komme und Ski fahre, berichtet
Dahlmeier, „und ob ich erfolgreich war“.
Sie grinst. „Ja, so a bissl“, habe sie geant-
wortet. In sechs Jahren im Weltcup hat die
Ex-Biathletin 20 Einzelsiege gesammelt,
2017 gewann sie die Gesamtwertung. Sie-
ben WM-Titel hat Dahlmeier gewonnen,
2018 krönte sie ihre Laufbahn mit zwei
olympischen Goldmedaillen. Ihr Rücktritt
mit erst 25 Jahren im vergangenen Mai traf
den Deutschen Skiverband (DSV) ins
Mark. Erfolgreich? Ja. A bissl.
Doch Dahlmeier wollte irgendwann
raus aus dem Hamsterrad Leistungssport.
„Ich hatte keine Lust mehr“, erzählt sie am
Mittwoch im Haus des Ski des DSV in Pla-
negg. Im Frühjahr habe sie Ski und Gewehr
weggestellt und gedacht: „Das schaue ich
jetzt erst mal ein Jahr nicht mehr an. Ich
hatte dafür keinen Nerv mehr.“
Inzwischen ist Dahlmeier längst rückfäl-
lig geworden. Das Sportstudium an der TU
München lastet sie nur geistig aus. „Es fällt
mir schwer, stundenlang still zu sitzen“,
gibt sie zu. Nach einem Anruf ihrer ehema-
ligen Teamkollegin Maren Hammer-
schmidt kramte sie im Sommer die Skirol-
ler hervor, auch die Waffe hat sie wieder
aus dem Schrank geholt. Am 28. Dezember
wird sie an der Seite von Erik Lesser auf
Schalke ihr Abschiedsrennen bestreiten.
„Ich bin ganz gut gerüstet“, sagt sie.

„Per Zufall“ kam Dahlmeier außerdem
zum Berglauf. Nach guten Ergebnissen bei
lokalen Wettkämpfen meldete sich der
Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV),
das Ergebnis des Gesprächs: Dahlmeier
wird Mitte November an der Langstrecken-
WM in Argentinien teilnehmen. „Ich habe
da ganz andere Ambitionen als bei einer Bi-
athlon-WM“, sagt sie. Anstatt wie in ihrem
alten Leben gewohnt die Medaillen anzu-
greifen, stehe „der Erlebnisfaktor im Vor-
dergrund“. Überhaupt verspüre sie „keine
Sehnsucht“ nach dem Leistungssport, be-
tont Dahlmeier. Aber einen unstillbaren Be-
wegungsdrang. Vor dem Medientermin
war sie eine Stunde beim Laufen. „Ich zie-
he die Turnschuhe an und bin glücklich“,
sagt Dahlmeier. Zur Jeans trägt sie ein pink-
farbenes Shirt und passende Laufschuhe.
Die 26-Jährige ist noch immer so
schlank und sehnig wie zu aktiven Zeiten.
Dabei hat sie neben dem Sport unglaublich
viel zu tun. Da ist das Studium in der Stadt,
deren Anonymität sie schätzt. Da ist ihr ers-
tes Kinderbuch („Die KlimaGang“), ihr En-
gagement für ein Klimaschutzprojekt
(„Eagle Wings“) – „nicht weil es hip ist“,
sondern weil die Natur schlicht schützens-
wert sei. Außerdem macht sie nach dem C-
jetzt auch den B-Trainerschein, „irgend-
wann“ will sie ihr Wissen „an die richtigen
Menschen weitergeben“. Und wann immer
es ihre Zeit erlaubt, hilft sie ehrenamtlich
bei der Bergwacht in ihrer Heimatgemein-
de Garmisch-Partenkirchen aus. Dort ver-
arzte sie „diejenigen, die zu viel Jagertee ge-
trunken haben“, sagt Dahlmeier und lacht.
So mancher Hilfebedürftiger soll beim An-
blick der prominenten Ex-Athletin umge-
hend genesen sein, heißt es.
Im Winter will Dahlmeier auch im Welt-
cup vorbeischauen. „Das Herz für Biathlon
ist groß“, sagt sie, und dass die WM in ih-
rem Lieblingsort Antholz leider in die Uni-
Prüfungszeit falle. Ihren Erbinnen traut
sie einiges zu. „Wir müssen uns keine Sor-
gen machen“, sagt Dahlmeier, „es wird wei-
ter WM-Titel geben.“ sid

NBA-Finalserien seit 2008


14,6Prozent mehr
Zahl der Eishockey-Jugendspieler steigt

„Er wagt es, denen zu zeigen,
ichbin nicht für euch.“

Die 26-Jährige ist noch so schlank
und sehnig wie zu aktiven Zeiten

Ringen im Widerstand


Zur Erinnerung an Werner Seelenbinder, der vor 75 Jahren von den Nationalsozialisten ermordet wurde


Los Angeles gegen Los Angeles


Die Clippers gewinnen zum NBA-Saisonauftakt gegen den Stadtrivalen Lakers.
Die beiden Basketballklubs sind die Favoriten auf den Titel – und sie stehen symbolisch für eine Stadt der Extreme

DEFGH Nr. 246, Donnerstag, 24. Oktober 2019 (^) SPORT HMG 27
Held des Arbeitersports: Werner See-
lenbinder. FOTOS: AUS DEM FAMILIENARCHIV / 0H
Risikoreicher Kampfstil: Seelenbinder
warsechsMal deutscher Meister.
„Keine Sehnsucht“ nach dem Leistungs-
sport: LauraDahlmeier präsentierte sich
am Mittwoch gelöst und aufgeräumt auf
einer Pressekonferenz. FOTO: P. KNEFFEL / DPA
Die etwas
andere Studentin
Laura Dahlmeier ist glücklich und
ausgelastet – auch ohne Biathlon
2008 Boston Celtics– Los Angeles Lakers 4:2
2009 Los Angeles Lakers– Orlando Magic 4:1
2010 Los Angeles Lakers– Boston Celtics 4:3
2011 Dallas Mavericks– Miami Heat 4:2
2012 Miami Heat– Oklahoma City T. 4:1
2013 Miami Heat– San Antonio Spurs 4:3
2014 San Antonio Spurs– Miami Heat 4:1
2015 Golden State Warriors– Cleveland 4:2
2016 Cleveland Cavaliers– Golden State 4:3
2017 Golden State Warriors– Cleveland 4:1
2018 Golden State Warriors– Cleveland 4:0
2019 Toronto Raptors– Golden State 4:2
Alle Augen auf LeBron James! Die Clippers-Profis können hier nur zusehen, wie die Lakers-Größe abhebt, am Ende aber gewannen sie das Stadtderby. FOTO: SANCHEZ / AP

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