Süddeutsche Zeitung - 24.10.2019

(Nora) #1
Istanbul/München – Wieder wird ein
„Sieg“ gefeiert, wie erst vor wenigen Ta-
gen, und wieder gilt der öffentliche Jubel
in der Türkei einer „historischen Vereinba-
rung“. Nur dass diesmal der Partner von Re-
cep Tayyip Erdoğan Wladimir Putin heißt
und nicht Donald Trump. Dieser atembe-
raubende Seitenwechsel brachte am Diens-
tagabend selbst Kommentatoren regie-
rungsnaher türkischer TV-Sender ins
Schleudern, als sie versuchten, die Zehn-
Punkte-Vereinbarung zu erklären, die Er-
doğan und Putin in sechs Stunden und
zwanzig Minuten in Sotschi ausgehandelt
hatten. „Und dafür sind unsere Soldaten ge-
storben?“, sagte ein verdutzter Militärex-
perte im Sender CNN Türk.
Am Mittwoch brauchen die Zeitungen
viele Farben, um den Flickenteppich darzu-
stellen, der künftig „Sicherheitszone“ ge-
nannt werden soll: zehn Kilometer auf syri-
schem Gebiet, patrouilliert von russischen
und türkischen Kräften, kontrolliert von
syrischen Grenzsoldaten. Dazwischen der
120 Kilometer breite Streifen, in dem sich
die türkische Militärintervention abspiel-

te. Und von allem ausgenommen die Stadt
Qamischlo, bisher das Zentrum der kurdi-
schen Selbstverwaltung.
„Mit dieser Vereinbarung hat Putin es
so weit gebracht, dass Erdoğan die Legiti-
mität der syrischen Armee anerkannt hat“,
schreibt die ZeitungYeniçağ, ein eher oppo-
sitionelles Blatt. Dass die Türkei nach acht
Jahren Krieg, in denen sie Baschar al-As-
sad bekämpfte, sich mit dessen Regime ab-
gefunden hat, ist unübersehbar. Für Erdo-
ğan, den einst entschiedensten politischen
Gegner Assads in Nahen Osten, ist dies ei-
ne dramatische Wende. Er hat sie mit der
türkischen Militärintervention in Nordsyri-
en selbst herbeigeführt, auch wenn die an-
deren Zielen dienen sollte. Diese seien er-
reicht, verkündet die regierungstreueHür-
riyet: „Die ganze Grenze wird gesäubert“,
von den „Terroristen“.
Gemeint sind die kurdischen YPG-Mili-
zen. Sie müssen sich laut der Vereinbarung
von Sotschi binnen 150 Stunden aus dem
gesamten mehr als 440 Kilometer langen
Grenzstreifen zurückziehen. Sollten sie
das nicht tun, warnte Kremlsprecher Dmi-

trij Peskow vorsorglich, würden sie „von
der türkischen Armee zermalmt“.
Das türkische Verteidigungsministeri-
um hat die „Operation Friedensquelle“ am
Mittwoch für beendet erklärt. Sie hatte am


  1. Oktober begonnen, am 17. Oktober war
    sie nach der Vereinbarung mit den USA für
    eine „Waffenpause“ unterbrochen wor-
    den. Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu sag-
    te, sollte die Türkei in dem von ihr kontrol-
    lierten Gebiet kurdische Kämpfer finden,
    werde man sie „neutralisieren“. Die Gegen-
    den sollten lokal verwaltet werden, über-
    wiegend von Arabern, fügte er hinzu. Aller-
    dings gehören die von Ankara unterstütz-
    ten Milizen der Syrischen Nationalarmee
    zu den Verlierern: Sie haben meist schon
    andernorts gegen Assad gekämpft und
    werden kaum in Gebiete gehen, die unter
    Kontrolle des Regimes gelangen könnten.
    Die syrische Armee und Russland schu-
    fen sofort Fakten: Russische Militärpolizis-
    ten rückten in die Grenzstadt Kobanê ein,
    um den Abzug der YPG zu überwachen. Ko-
    banê ist für die Kurden eine Stadt mit bitte-
    rer Heldengeschichte. Hier hatte die YPG-


Miliz im Frühjahr 2015 die Angriffe der Ter-
rormiliz Islamischer Staat (IS) abgewehrt.
Damals begann mit Luftangriffen auf die
Dschihadisten die Unterstützung der USA,
die Präsident Donald Trump den Kurden
mit dem jüngst befohlenen Truppenrück-
zug wieder entzogen hatte. Erdoğan nahm
das als Signal für die Militäroperation. Ko-
banê erreichte sie aber nicht.
Russlands Verteidigungsminister Schoi-
gu kündigte an, es müssten zusätzliche Sol-
daten und auch Gerät nach Syrien verlegt
werden, das sei „offenkundig“. Die gemein-
samen Patrouillen mit der Türkei müssten
gründlich und ernsthaft sein, um Zwi-
schenfälle zu verhindern, und die Grenze
sei lang – bestreift werden müssen etwa
320 Kilometer, in denen syrische Soldaten
die Kontrolle über die Grenze übernehmen
sollen – 15 Beobachtungsposten werden da-
für errichtet, heißt es aus Damaskus.
Die Verstärkung der russischen Trup-
pen ist eigentlich nicht in Putins Sinne, der
Syrien-Einsatz ist in Russland zunehmend
unpopulär. Die Einigung von Sotschi aber
wird dennoch als Erfolg gefeiert. „Wie Pu-

tin eine Schlacht Tausende Kilometer von
Botscharka entfernt gewonnen hat“, titelte
etwa derKommersant; Botscharka nennt
man die Sommerresidenz des Präsidenten.
Ins Hintertreffen geraten sind indes die
Kurden – und ihre einstigen Schutzherren
aus Amerika. Eine offizielle Stellungnah-
me der YPG gab es zunächst nicht. Immer-
hin stoppt der Deal von Sotschi den Vor-
marsch der türkischen Armee und der mit
ihr verbündeten syrischen Milizen. Auch
begrenzt er die türkische Präsenz auf syri-
schem Boden. Dafür aber werden die Kur-
den dem Assad-Regime weit entgegenkom-
men müssen. Noch kontrollieren sie große
Gebiete im Norden und Osten, die außer-
halb der Sicherheitszone liegen, und auch
wichtige Ölfelder. Trump will in diesem Ge-
biet wohl eine Präsenz von bis zu 200 US-
Soldaten zulassen, dazu kommen noch ein-
mal etwa 150 im Feldlager al-Tanf im Drei-
ländereck mit Irak und Jordanien. Das rus-
sische Außenministerium aber verlangte
am Mittwoch unmissverständlich, dass die
Regierung in Damaskus die Kontrolle über
alle Ölanlagen übernehmen müsse.
Präsident Trump dagegen zeigte sich be-
geistert: „Großer Erfolg“, schrieb er auf
Twitter. „Sicherheitszone erschaffen! Waf-
fenruhe hat gehalten und Kampfhandlun-
gen sind beendet. Die Kurden sind sicher
und haben schön mit uns zusammengear-
beitet.“ Das muss in den Ohren der Kurden
wie Hohn klingen. Ein 30 Jahre alter syri-
scher Kurde zündete sich vor dem Gebäu-
de der UN-Flüchtlingsagentur in Genf
selbst an, die Polizei vermutet, dass die po-
litische Situation sein Motiv war.
Die Initiative von Bundesverteidigungs-
ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer
(CDU) fand zwar bei der US-Regierung vor-
sichtig Zuspruch, sollte Deutschland auch
Bodentruppen stellen. Doch mit dem Deal
von Sotschi dürfte die Idee obsolet sein.
Man sehen keine Notwendigkeit, eine Si-
cherheitszone unter internationaler Kon-
trolle in Syrien einzurichten, zitierte die
Nachrichtenagentur Ria Novosti Moskaus
Außenministerium.paul-anton krü-
ger, christiane schlötzer  Seite 4

Annegret Kramp-Karrenbauer hat am
Dienstag mitNato-Generalsekretär Jens
Stoltenberg über eine international kon-
trollierte Sicherheitszone in Nordsyrien ge-
sprochen. Dies teilte der Norweger vor ei-
nem Nato-Treffen mit. Er erwartet, dass
die CDU-Chefin ihren Plan am Donnerstag
den Verteidigungsministern erklärt, und
begrüßt, „dass Alliierte Vorschläge haben,
wie man einer politischen Lösung näher-
kommen kann“. In Brüssel hofft man auf
Details – und eine Einschätzung, ob sich
der Plan durch die Vereinbarung in Sotschi
geändert hat. Die Invasion des Nato-Mit-
glieds Türkei in Syrien dürfte das Treffen
bestimmen, alle anderen Partner verurtei-
len Ankaras Vorgehen. Offizielle Kritik ist
unmöglich, da Entscheidungen einstim-
mig getroffen werden müssen. MATI

Von Trump zu Putin


Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat mit seinem russischen Kollegen eine Zehn-Punkte-Vereinbarung über Nordsyrien ausgehandelt


von robert roßmann
und mike szymanski

Erfurt/Berlin– Annegret Kramp-Karren-
bauer könnte so einen „Steinbock“ gerade
ganz gut gebrauchen, vielleicht sogar ei-
nen „Manitou“. Es ist kurz nach 15 Uhr an
diesem Mittwoch – und in der Erfurter
Henne-Kaserne lässt sich die Verteidi-
gungsministerin vorführen, was die bei-
den Geräte können. Der Steinbock ist ein
Gabelstapler; mit ihm lässt sich ordentlich
was wegräumen. Der Manitou wird ge-
braucht, wenn sich noch mehr Probleme
türmen. Es handelt sich um einen Stapler
mit beeindruckend lang ausfahrbarem Te-
leskoparm. Ohne die Geräte und die Män-
ner der Streitkräftebasis, die sie bedienen,
kommt die Bundeswehr nicht vom Fleck.
Auch sonst kann Kramp-Karrenbauer an
diesem Tag von den Soldaten einiges ler-
nen. Denn es geht bei ihrem Antrittsbe-
such in der Kaserne um die Durchhaltefä-
higkeit. Und zurzeit wird ja auch Kramp-
Karrenbauers persönliche Durchhaltefä-
higkeit ziemlich auf die Probe gestellt.

Seit Montagabend steht sie fast allein
im Fokus der Bundespolitik. Was tut sie
da? Das fragen sich viele, seit Kramp-Kar-
renbauer mit einem unabgestimmten Vor-
schlag für eine international kontrollierte
Schutzzone in Nordsyrien an die Öffentlich-
keit ging. Sie sei es leid, dass deutsche Poli-
tiker immer nur „besorgt“ seien, wenn
Grenzen verschoben und überschritten
würden und dies Leid mit sich bringe wie
in Syrien, hatte die CDU-Chefin gesagt.
Kramp-Karrenbauer ist am Freitag 100
Tage Ministerin. Es ist eigentlich Zeit für ei-
ne erste Bilanz. Doch in Berlin wird wegen
des verkorkst eingeleiteten Syrien-Vorsto-
ßes vor allem eine Frage gestellt: Wäre die
CDU-Chefin überhaupt in der Lage, das
Land zu regieren, wenn sie nicht mal inner-
halb der Regierung für ihre Politik Verbün-
dete finden kann? Vize-Kanzler Olaf
Scholz hat in der SPD-Fraktion bitterböse
über Kramp-Karrenbauer hergezogen: Ein
großes Land wie Deutschland zu regieren,
sei mit einer gewissen Erwartungshaltung
auch an die Verteidigungsministerin ver-
bunden, hat Scholz gesagt. Und da habe sie
„das Klassenziel nicht erreicht“.
Dabei fällt ihre Bilanz als Ministerin kei-
neswegs so schlecht aus. Zwar war man
auch in der Truppe verwundert, dass aus-
gerechnet sie nach diesem Posten griff.
Seither begleitet die CDU-Chefin das Miss-
trauen, doch eher ihre Zukunft als Kanzler-
kandidatin im Blick zu haben als die der
Bundeswehr. Anders als ihre Vorgängerin
Ursula von der Leyen vermag es Kramp-
Karrenbauer jedoch, die Truppe für sich zu
gewinnen. Sie bringt Neugierde mit für die
Soldaten. Als von der Leyen ins Amt starte-
te, hatte ihr Stab Mühe, sie für Fotoaufnah-
men vor Panzer zu bekommen. Sie fremdel-
te mit dem Kriegsgerät und war immer auf
die perfekte Inszenierung aus. Kramp-Kar-
renbauer lässt sich dagegen auch mal ein
schweres Gewehr in der Hand drücken, um
ein Gefühl dafür zu bekommen, was ein
Soldat an Ausrüstung so mit sich herum-
schleppen muss. Geschickt geht sie auch
mit dem exzessiven Einsatz externer Bera-
ter unter von der Leyen um. Kramp-Kar-

renbauer hat zwei zentrale Privatisierungs-
vorhaben gestoppt und damit deutlich ge-
macht, wo sie mit der Politik ihrer Vorgän-
gerin bricht. Sie hat kostenloses Bahnfah-
ren für Soldaten durchgesetzt. Und es gibt
bald wieder öffentliche Gelöbnisse, die
Truppe soll in der Mitte der Gesellschaft
Präsenz zeigen.
Aus der Bundeswehr gibt es deshalb we-
nig Gemaule über die Ministerin. „Sie hat
das Herz am rechten Fleck“, sagt ein Gene-
ral. In ihrer Partei hört Kramp-Karrenbau-
er derlei Gunstbezeugungen dagegen im-
mer seltener. Und jetzt verstört sie die CDU
auch noch mit der Form ihres Syrien-Vor-
stoßes. Was ist da los?
Merkel und Kramp-Karrenbauer sollen
am vergangenen Sonntag nach dem Koali-
tionsausschuss noch einmal über Syrien
gesprochen haben. Was sie dabei verein-
bart haben, darüber gibt es bisher keine ge-

sicherten Erkenntnisse. Wenn man die Re-
aktionen betrachtet, kann man aber den
Eindruck gewinnen, dass Merkel zwar
nicht vom Inhalt, aber von Art und Tempo
des Vorstoßes ihrer Verteidigungsministe-
rin überrascht war. In der Sitzung der Uni-
onsfraktion am Dienstag stellte sich Mer-
kel Teilnehmern zufolge zwar hinter
Kramp-Karrenbauer. Einen Versuch seien
die Vorschläge der Verteidigungsministe-
rin „allemal wert“, sagte sie. Ein Lob für die
Art der Präsentation der Vorschläge hörte
aber niemand. Und aus der Spitze der Uni-
onsfraktion bekommt man auf Nachfrage
nur trocken gesagt, man gehe davon aus,
dass die Bundeskanzlerin schon „in irgend-
einer Weise einbezogen“ gewesen sei.
Im Umfeld Kramp-Karrenbauers macht
man sich schon länger Gedanken, an wel-
chen Stellen die CDU-Chefin ein eigenstän-
diges Profil neben der Kanzlerin gewinnen

könnte. Mit ihrem Vorstoß hat sie jetzt zu-
mindest in der Verteidigungspolitik klarge-
macht, nicht so zögerlich agieren zu wol-
len, wie es Merkel bisher getan hat.
Allerdings wundern sich auch viele, die
den Vorschlag inhaltlich begrüßen, über
dessen Form. Da Kramp-Karrenbauer den
Koalitionspartner SPD – abgesehen von ei-
ner nichtssagenden SMS an den Außenmi-
nister – nicht informiert habe, könnten
sich die Sozialdemokraten jetzt erfolgreich
über diese Brüskierung erregen, heißt es.
Dabei gehe unter, dass die Sozialdemokra-
ten selbst keine ausreichende Antwort auf
die Notlage in Syrien hätten. Außerdem
würde der Vorstoß die Bereitschaft der So-
zialdemokraten, in der ungeliebten gro-
ßen Koalition zu bleiben, nicht unbedingt
erhöhen. Falls es Kramp-Karrenbauers
Kalkül sei, die SPD aus dem Bündnis zu
treiben, um schnell Neuwahlen zu errei-

chen und dadurch die Chancen auf eine
eigene Kanzlerkandidatur zu erhöhen, wä-
re das jedenfalls zu kurz gedacht, sagt ei-
ner aus der Fraktionsspitze. Denn dann
müsste man einen Wahlkampf für Aus-
landseinsätze der Bundeswehr führen,
damit könne man in Deutschland jedoch
nicht reüssieren. Außerdem würde das
Thema die Reihen der SPD schließen.
Aber warum hat Kramp-Karrenbauer
dann weder die SPD noch die CSU noch die
Unionsfraktion vorab eingebunden? Hier
gibt es am Mittwoch in der Union zwei Les-
arten. Die einen verweisen darauf, dass
Kramp-Karrenbauer schon mehrmals
durch überraschende und riskante Schrit-
te aufgefallen sei, etwa bei der Aufkündi-
gung der Jamaika-Koalition im Saarland
oder mit der Bereitschaft, das Ministerprä-
sidentenamt aufzugeben, um CDU-Gene-
ralsekretärin zu werden. Das habe sie jetzt
im Fall der Schutzzonen erneut versucht.
Doch diesmal geht es nicht um eine Koaliti-
on im Saarland, sondern um einen Bundes-
wehreinsatz – und das Leben von Solda-
ten. Darf man derlei zum Objekt takti-
schen Verhaltens machen?

Die zweite Lesart ist für die CDU-Chefin
noch unangenehmer: Kramp-Karrenbau-
er sei zunehmend beratungsresistent,
heißt es da. Sie habe sich eingebunkert, ha-
be die falschen Berater – gemeint ist dabei
meistens ihr politischer Vertrauter Nico
Lange. Vor allem aber sei sie durch den har-
ten Berliner Hauptstadtbetrieb inzwi-
schen derart verunsichert und übervorsich-
tig, dass sie niemand in ihren Vorstoß habe
einbeziehen wollen – aus Sorge, er könne
durchgestochen werden. In jedem Fall hat
sie mit der Art ihres Vorstoßes weder sich
noch der Sache einen großen Gefallen ge-
tan. Die CSU und große Teile der CDU beob-
achten jetzt eher, wie Kramp-Karrenbauer
ihren Vorstoß durchsetzen will – nennens-
werte Hilfe erfährt sie dabei bisher nicht.
Und die SPD macht sich über Kramp-Kar-
renbauer sogar lustig.
In Erfurt erfährt die CDU-Chefin dage-
gen noch Respekt. Bevor die Ministerin
dort mit den Soldaten im Hintergrund vor
die Presse tritt, ergeht an die Männer und
Frauen die Aufforderung: „Anzug kontrol-
lieren: alle Knöpfe geschlossen.“
Und in der Sache bleibt Kramp-Karren-
bauer in Erfurt hart, auch wenn sie ihren
Vorschlag jetzt einen „Impuls, um einen
Prozess nach vorne zu treiben“ nennt.
Doch zugleich irritiert sie erneut: Es sei ei-
ne „Tatsache, dass ein Land, dass die Tür-
kei, unser Nato-Partner – berechtigte Si-
cherheitsinteressen hin oder her – völker-
rechtswidrig Gebiet annektiert hat, dass
Menschen dort vertrieben werden“, sagt sie
in Erfurt. Den Einmarsch türkischer Trup-
pen als Annexion zu bezeichnen, als gewalt-
same, widerrechtliche Aneignung fremden
Gebiets also, ist eine streitbare Aussage.
Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf
Lambsdorff warf ihr sogleich auf Twitter
vor, falsche Informationen zu verbreiten.

Zwischen den Kampflinien


Als Verteidigungsministerin kommt Annegret Kramp-Karrenbauer gut an bei
der Truppe – als CDU-Chefin wird sie selbst Parteifreunden zum Rätsel

Lob von der Nato


Frankfurt–Der in Teilen seiner Lan-
despartei umstrittene rheinland-pfälzi-
sche SPD-Politiker Joe Weingarten
zieht in den Bundestag ein. Der 57-jähri-
ge Verwaltungsexperte übernimmt den
Sitz von der früheren Partei- und Frakti-
onschefin Andrea Nahles, die Ende
Oktober ihren Sitz im Parlament auf-
gibt. Weingarten, bisher Abteilungslei-
ter im Landeswirtschaftsministerium
in Mainz und erklärter Freund klarer
Worte, hatte Parteikollegen mit Bemer-
kungen insbesondere zur Flüchtlingspo-
litik gegen sich aufgebracht. Kriminell
auffällige Schutzsuchende hatte er als
„Gesindel“ bezeichnet und Protest ge-
erntet. Sein SPD-Kreisverband hatte
daraufhin erklärt, dass Weingarten
keine politische Zukunft mehr in ihren
Reihen habe und sie ihn nicht erneut
Mal für Berlin nominieren würden. Die
nächsten regulären Bundestagswahlen
finden im Herbst 2021 statt. So muss
Weingarten damit rechnen, nur zwei
Jahre im Bundestag zu sitzen.höl


Santiago de Chile– Chiles Staatschef
Sebastián Piñera hat auf die mehrtägige
Protestwelle mit einem Reformpaket
zugunsten der ärmeren Bevölkerungs-
schichten reagiert. Der konservative
Präsident kündigte bei einer Fernsehan-
sprache eine Anhebung der Mindestren-
te und des Mindestlohns an sowie nied-
rigere Medikamentenpreise, höhere
Steuern für Spitzenverdiener und eine
Senkung der Gehälter von Parlamentari-
ern und hohen Staatsbeamten. dpa


SyrienDer Vorstoß aus Berlin, das russisch-türkische Abkommen und die Folgen


Tel Aviv– Israels Präsident Reuven
Rivlin hat am Mittwochabend Benny
Gantz vom blau-weißen Parteienbünd-
nis mit der Regierungsbildung beauf-
tragt. Gantz hat bis zum 20. November
Zeit. Der amtierende Premier Benjamin
Netanjahu war zuvor gescheitert. Rivlin
forderte Kompromissbereitschaft: „Es
gibt keine Rechtfertigung für eine weite-
re Wahl.“ Rivlin verwies auf seinen Vor-
schlag, einer großen Koalition aus Blau-
Weiß und Likud, in der sich Gantz und
Netanjahu als Regierungschefs abwech-
seln. Gantz erklärte, er wolle eine libera-
le Einheitsregierung bilden und Netanja-
hu anbieten, von ihr Teil zu sein. Mit
ihm zu regieren, hatte Gantz bisher
wegen der Korruptionsvorwürfe gegen
Netanjahu abgelehnt. afs


München– Saudi-Arabiens Botschafter
in Deutschland, Prinz Faisal bin Farhan,
steigt zum Außenminister des König-
reichs auf. Die amtliche Nachrichten-
agentur SPA veröffentlichte am Mitt-
wochabend ein entsprechendes Dekret
von König Salman. Faisal, 44, über-
nimmt das Amt von Ibrahim bin Abdula-
sis al-Assaf, der vor knapp einem Jahr
mit einer Reform des Apparats betraut
worden war. Faisal bin Farhan, dessen
Mutter Deutsche war, ist in Frankfurt
am Main geboren und verbrachte dort
die ersten Lebensjahre. Er fungierte
zuletzt außer als Botschafter als Koordi-
nator aller saudischen Botschafter und
berichtete direkt an Kronprinz Moham-
med bin Salman. pkr


Madrid– Unter Ausschluss von Öffent-
lichkeit und Presse soll an diesem Don-
nerstag der Sarkophag mit den sterbli-
chen Überresten des Diktators Francis-
co Franco (1892 -1975) aus einer Höhlen-
basilika in den Bergen 50 Kilometer
nordwestlich Madrids auf einen Fried-
hof am Nordrand der spanischen Haupt-
stadt überführt werden. Das zweite
Begräbnis soll im engsten Familien-
kreis stattfinden. Das Oberste Gericht
befand die von der Regierung verfügte
Exhumierung sei rechtmäßig.tu


Berlin –Die Blockade von Veranstaltun-
gen mit AfD-Mitbegründer Bernd Lu-
cke und dem früheren Innenminister
Thomas de Maizière (CDU) haben im
Bundestag fraktionsübergreifend für
Kritik gesorgt. „Keine Ideologie, keine
Überzeugung kann für sich in Anspruch
nehmen, über dem Gesetz zu stehen“,
sagte Parlamentsvizepräsident Wolf-
gang Kubicki (FDP) am Mittwoc. Grü-
nen-Abgeordnete Manuela Rottmann
verurteilte solche Blockadeaktionen als


„anmaßend und dumm“. Der Wirt-
schaftsprofessor Lucke wurde vergange-
ne Woche nach der Rückkehr an die
Universität Hamburg wegen seiner
AfD-Vergangenheit beschimpft, be-
drängt und am Reden gehindert. Weni-
ge Tage darauf verhinderten linke Akti-
visten beim Göttinger Literaturherbst
eine Lesung de Maizières. Auch am
Mittwoch störten linke Studenten Lu-
ckes (FOTO: DPA) Vorlesung. dpa


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auchden Podcast.
 sz.de/nachrichtenpodcast

DEFGH Nr. 246, Donnerstag, 24. Oktober 2019 (^) POLITIK HMG 5
Nähe, die gefällt: Annegret Kramp-Karrenbauer sucht den Kontakt mit der Truppe (hier bei ihrem Antrittsbesuch in der
Streitkräftebasis Erfurt am Mittwoch), womit sie bereits einige Sympathien gewonnen hat. FOTO: CHRISTOF STACHE/AFP
50 km
SZ-Karte/Maps4News.com/©HERE;
Quelle: IHS Conflict Monitor
IRAK
TÜRKEI
TÜRKEI
SYRIEN
Euphra
t
Kobanê/
Ain al-Arab
Kobanê/
Ain al-Arab
Gaziantep
Qamischlo
Nusaybin
Tel AbjadTel Abjad
Akçakale
Ain IssaAin Issa
Ras al-AinRas al-Ain
Ceylanpınar
Raqqa
al-Hassakah
Tel TamerTel Tamer
AleppoAleppo
Tel Rifat Manbidsch
IdlibIdlib
Gebiete unter Kontrolle von
kurdischen Truppen
syrischer Regierung
anderen Rebellen
türkischer Armee und
syrischer Opposition
gemeinsame Patrouillen von russischen
und türkischen Streitkräften
Kurdenmilizen sollen Gebiet räumen,
syrische Regierungstruppen rücken ein
von den Kurdenmilizen geräumtes Gebiet,
zunächst unter türkischer Kontrolle
Ihre Vorgängerin scheute Fotos
mit Panzer. Sie nimmt ohne
Zögern ein Gewehr in die Hand
Die einen sagen: AKK ist mutig.
Andere fürchten:
Sie hört auf die falschen Berater
Gantz soll Regierung bilden
Neuer Außenminister in Riad
Umstrittener Nachrücker
Franco wird exhumiert
Lucke-Vorlesung gestört
Chiles Präsidentlenkt ein
KURZ GEMELDET

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