Die Welt Kompakt - 24.10.2019

(coco) #1

DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DONNERSTAG,24.OKTOBER2019 THEMA DES TAGES 3


unter türkischer Kontrolle, ver-
steht sich. Doch nun fällt die Kon-
trolle dieser Region nicht Erdogan
zu, sondern größtenteils Putin und
Assad. Mit der Sicherheitszone
wollte Ankara auch ein innenpoli-
tisches Problem lösen. Denn die
Stimmung der türkischen Bevöl-
kerung wendet sich mehr und
mehr gegen die etwa dreieinhalb
Millionen syrischen Flüchtlinge,
die die Türkei aufgenommen hat.
Erdogan wollte die Flüchtlinge in
der Sicherheitszone ansiedeln und
so verhindern, dass sich der Un-
mut der Wählerschaft letztlich ge-
gen ihn wendet.



  1. Gewinner: Die Terrormiliz IS
    In Nordsyrien sitzen etwa 90.
    Anhänger der Terrormiliz Islami-
    scher Staat (IS) in Lagern und Ge-


fffängnissen. Die Demokratischenängnissen. Die Demokratischen
Kräfte Syriens (SDF), die von der
YPG angeführt werden, bewach-
ten sie. Im Kampf gegen den IS
waren sie die wichtigsten Verbün-
deten der USA. Doch als die ame-
rikanischen Truppen abzogen und
die türkische Armee angriff, ver-
ringerten sie das Personal für die
Bewachung ihrer Gefangenen, da
es im Kampf gegen den türkischen
Angriff gebraucht wurde. Das Er-
gebnis: 780 IS-Anhänger konnten
aaaus einem Lager in Ain Issa ent-us einem Lager in Ain Issa ent-
kommen. Unter den Flüchtigen
sind auch europäische IS-Kämpfer.

1. Verlierer: Die Kurden
Das Sotschi-Abkommen bestätigt
das alte Sprichwort: „Die Kurden
haben nur einen Freund, die Ber-
ge.“ Zwar sind die kurdischen

Kämpfer vorerst von der türki-
schen Armee verschont geblieben.
AAAllerdings hat der türkische Au-llerdings hat der türkische Au-
ßenminister Mevlüt Cavusoglu ge-
droht, man werde syrisch-kurdi-
sche Kämpfer „neutralisieren“,
sollten sie sich nicht zurückzie-
hen. Ihren Traum von Autonomie
müssen sie vollends aufgeben. Von
den USA im Stich gelassen, kön-
nen die kurdischen Kämpfer auch
nicht auf Russland zählen.

2. Verlierer: Die USA
Mit ihrem hastig angekündigten
RRRückzug machten die USA denückzug machten die USA den
WWWeg in Syrien frei für Russlandeg in Syrien frei für Russland
und das syrische Regime – eine
Ordnung, von der der IS und der
Iran profitieren. Das läuft ameri-
kanischem Interesse zuwider,
denn das erklärte Ziel Trumps war
es ja, den Einfluss des Iran zu be-
schneiden. Zwar haben die Ameri-
kaner in der vergangenen Woche
in einer Einigung mit Erdogan ei-
ne Waffenruhe in Nordsyrien er-
stritten, aber am Dienstagabend,
wenige Stunden vor Ablauf der
Feuerpause, hat Putin demons-
triert, wer der Entscheider in der
Region ist. Derweil fürchtet Israel,
das sich in der Vergangenheit stets
aaauf den Bündnispartner USA ver-uf den Bündnispartner USA ver-
lassen konnte, nun wachsenden
iranischen Einfluss.

3. Verlierer: Die EU
Die EU scheint den Ehrgeiz schon
lange aufgegeben zu haben, Ein-
fffluss auf die neue Ordnung im Na-luss auf die neue Ordnung im Na-
hen Osten zu nehmen. Zwar signa-
lisierte Annegret Kramp-Karren-
bauer mit ihrem Vorschlag einer
Schutzzone unter europäischer
Beteiligung in Nordsyrien Bereit-
schaft, außen- und sicherheitspoli-
tisch Verantwortung zu überneh-
men. Auch Nato-Generalsekretär
Jens Stoltenberg begrüßte den
VVVorstoß der Bundesverteidigungs-orstoß der Bundesverteidigungs-
ministerin. Doch während die Eu-
ropäer noch über den Vorschlag
debattieren (Frankreich etwa zeigt
sich skeptisch), haben Putin, As-
sad und Erdogan vor Ort Fakten
geschaffen. Besonders realistisch
ist der Plan Kramp-Karrenbauers
nun nicht mehr. In Zeiten ameri-
kanischer Zurückhaltung hätte die
EU eine stärker gestaltende Rolle
üüübernehmen können. bernehmen können.

GETTY IMAGES

/ MIKHAIL SVETLOV

Der Wirtschaftspodcast


Jede Woche neu.

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D


ie Türkei hat nach Anga-
ben von US-Präsident Do-
nald Trump eine dauer-
hafte Waffenruhe in Nordsyrien
verkündet. Trump sagte am Mitt-
woch im Weißen Haus, die türki-
sche Regierung habe seine Regie-
rung darüber informiert, dass sie
den derzeit zeitlich begrenzten
WWWaffenstillstand „dauerhaft“ ma-affenstillstand „dauerhaft“ ma-
chen werde. Die türkischen Streit-
kräfte würden ihre Offensive in
Nordsyrien stoppen.
Trump kündigte zudem an, dass
die vergangene Woche wegen der
Offensive gegen die Türkei ver-
hängten US-Sanktionen wieder
aaaufgehoben würden. Falls die Tür-ufgehoben würden. Falls die Tür-
kei ihren Verpflichtungen aller-
dings nicht nachkommen werde,
könnten die Sanktionen wieder
eingeführt und deutlich verschärft
werden. Der US-Präsident nannte
aaausdrücklich den Schutz religiöserusdrücklich den Schutz religiöser
und ethnischer Minderheiten.
Trump hatte der am 9. Oktober
begonnenen türkischen Offensive
durch den Abzug von US-Truppen
aaaus Nordsyrien den Weg bereitet.us Nordsyrien den Weg bereitet.
Die Operation der Türkei richtete
sich gegen die Kurdenmiliz YPG,
die ein Verbündeter der US-Streit-
kräfte im Kampf gegen die Terror-
miliz Islamischer Staat (IS) war.
Trump war vorgeworfen worden,
die YPG im Stich gelassen zu ha-
ben. Der Präsident argumentierte,
er wolle die US-Soldaten aus den
„endlosen Kriegen“ abziehen.
Trump sagte am Mittwoch:
„Lasst jemand anderen um diesen
seit Langem blutgetränkten Sand
kämpfen.“ Er nahm für die USA in
Anspruch, nun den „Durchbruch
fffür eine bessere Zukunft für Syrienür eine bessere Zukunft für Syrien
und den Nahen Osten“ erzielt zu
haben. „Das ist ein Ergebnis, das
von uns, den Vereinigten Staaten,
und von keiner anderen Nation er-
zielt wurde.“ Er fügte hinzu:
„Zahllose Leben werden jetzt als
Ergebnis unserer Verhandlungen
mit der Türkei gerettet. Ein Ergeb-

nis, das erzielt wurde, ohne einen
Tropfen amerikanischen Blutes zu
vergießen.“
US-Vizepräsident Mike Pence
hatte vergangene Woche in Ankara
einen temporären Waffenstill-
stand ausgehandelt, der einen
RRRückzug der YPG aus dem Grenz-ückzug der YPG aus dem Grenz-
gebiet vorsah. Am Dienstagabend
vereinbarten der türkische Präsi-
dent Recep Tayyip Erdogan und
der russische Präsident Wladimir
Putin eine gemeinsame Kontrolle
der nordsyrischen Grenzgebiete.
Sie drohten der YPG mit Angrif-
fffen, falls diese nicht aus demen, falls diese nicht aus dem
Grenzgebiet abziehen sollte. Ein-
heiten der russischen Militärpoli-
zei rückten am Mittwoch Richtung
Nordostsyrien vor.
Trump sagte, er habe auch mit
dem Kommandeur der von der
YPG dominierten Syrischen De-
mokratischen Kräfte (SDF), Mas-
lum Abdi, gesprochen. Maslum sei
„dankbar“ für das Engagement der
USA. „Wir haben die Leben vieler,
vieler Kurden gerettet.“ Trump
schrieb auf Twitter, er freue sich
aaauf ein baldiges Treffen mit Gene-uf ein baldiges Treffen mit Gene-
ral Maslum. Nähere Einzelheiten
zu einer möglichen Zusammen-
kunft nannte er nicht.
Die syrischen Kurden lobten
Trumps Rolle bei der Vereinba-
rung einer Waffenruhe im Norden
des Landes. „Wir danken Präsi-
dent Trump für seine unermüdli-
chen Bemühungen“, die den „bru-
talen Angriff“ der Türkei und
„dschihadistischer Gruppen“ ge-
stoppt haben“, erklärte Maslum
nach Angaben von SDF-Sprecher
Mustafa Bali. Demnach sagte Mas-
lum weiter, Trump habe ein Fest-
halten an der Partnerschaft mit
den SDF sowie langfristige Unter-
stützung versprochen. Trump sag-
te, auch andere Staaten hätten ihre
Unterstützung in Nordsyrien an-
geboten. „Und wir denken, dass
das großartig ist.“ Trump nannte
keine Länder namentlich.

Trump: Türkei sichert in Syrien


dauerhafte Waffenruhe zu


Präsident will im Gegenzug Sanktionen aufheben.
Kurden seien „dankbar“ für die US-Rolle

sen Einsatz von der Bundeswehr
üüübernehmen. Doch das gelang ihrbernehmen. Doch das gelang ihr
nicht, was wiederum die SPD-
Fraktion verärgerte. Nur mit Mü-
he rang man sich zu einem Kom-
promiss durch, der eine Befristung
des Mandats noch bis zum 31.
März vorsieht. Nun über eine
mögliche Ausweitung des Bundes-
wehreinsatzes in der Region zu
sprechen erscheint einigen in der
Fraktion geradezu abenteuerlich.
„40.000 Soldaten – davon ein
Großteil aus Deutschland – in Sy-
rien zu stationieren“, halte er lo-
gistisch und technisch „für nicht
möglich“, sagt Schneider.
Deutschlands Rolle bei der inter-
nationalen Konfliktlösung liege
zudem eher im ökonomischen
denn im militärischen Bereich.
AAAußen- und Verteidigungsexper-ußen- und Verteidigungsexper-
ten der SPD-Fraktion verweisen


auf die vielen noch offenen Fragen
im Plan von Kramp-Karrenbauer.
„„„Viele Aspekte sind nicht zu EndeViele Aspekte sind nicht zu Ende
gedacht“, sagt der außenpoliti-
sche Sprecher Nils Schmid. „Wa-
rum sollte zum Beispiel Russland
westliche Truppen in Syrien tole-
rieren, wo sich doch die Amerika-
ner gerade zurückziehen?“ Es
brauche nun eine Verstetigung
der Waffenruhe, die Wiederauf-
nahme der Luftraumüberwa-
chung durch die USA und die Ga-
rantie, dass Hilfsorganisationen
Zugang zu den betroffenen Regio-
nen erhalten. Die SPD-Verteidi-
gggungsexpertin Siemtje Möllerungsexpertin Siemtje Möller
sagt, dass sich die Frage eines
Bundeswehreinsatzes in Nordsy-
rien derzeit nicht stelle. Der Vor-
schlag Kramp-Karrenbauers habe
„unglaublich viele Fragen“ ausge-
löst, die erst einmal geklärt wer-

den müssten. „Welche Partner
sollen sich an einer solchen
Schutzzone beteiligen? Stehen die
Mitglieder des Sicherheitsrats der
VVVereinten Nationen der Idee einerereinten Nationen der Idee einer
Schutzzone zumindest nicht ab-
lehnend gegenüber? Wie soll das
deutsche Engagement aussehen?“
In der Tat hat Kramp-Karrenbau-
er bislang kein konkretes Konzept
vorgelegt. Im Verteidigungsaus-
schuss erläuterte sie am Mittwoch
nach Teilnehmerangaben, dass es
fffür eine Sicherheitszone ein ro-ür eine Sicherheitszone ein ro-
bustes Mandat der Vereinten Na-
tionen geben müsse. Bei einer
AAAufteilung der Schutzzone nachufteilung der Schutzzone nach
dem Vorbild des Afghanistan-Ein-
satzes könnten verschiedene Län-
der die Hauptverantwortung für
je eine Zone übernehmen. Es sei
zu früh zu sagen, was dies für die
Bundeswehr bedeuten könne.
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