Die Welt Kompakt - 24.10.2019

(coco) #1
lassen. Derzeit sind etwa 600
Männer in der Einrichtung in Be-
handlung. Die Therapeuten ar-
beiten immer zu zweit mit einem
Täter.
Verurteilte Sexualstraftäter
besuchen eine Einzeltherapie,
die individuell auf sie zugeschnit-
ten ist. Entscheidend dabei ist
nicht die Schwere der Tat, son-
dern, wie hoch das Risiko ist, das
vom Täter ausgeht. Die drei- bis
fünfjährige Therapie selbst be-
steht aus Anteilen der Psycho-
analyse, Verhaltenstherapie und
Tiefenpsychologie.
Am Anfang steht die Frage,
was zum Zeitpunkt der Tat vor-
gefallen ist, ob jemand Drogen
nahm zum Beispiel. Und auch, ob
er eine Persönlichkeitsstruktur
mitbringt, die eher zur Straffäl-
ligkeit führt, erklärt Allard:
„Nicht jeder ist in der Lage, eine
Straftat zu begehen.“ Nur wenige
Täter bringen ein Gutachten mit,
an dem sich die Therapeuten ori-
entieren können. Der erste
Schritt ist es dann, ein Verständ-
nis für die eigene Schuld zu ent-
wickeln, denn Sexualstraftäter
redeten sich meist ein, keinen
Schaden angerichtet zu haben,
wenn etwa eine Frau bei einer
Vergewaltigung nicht geweint
habe. Er kann dazu erst Briefe an
sie schreiben und später Briefe
aus ihrer Perspektive, um sich in

Württemberg eingesetzt. In die-
sem Bundesland bekommt jeder
eine Therapie, wenn es eine ge-
richtliche Auflage gibt, das Jus-
tizministerium übernimmt unbe-
grenzt die Kosten. Zu Allard
kommen Vergewaltiger, Männer,
die Kinder missbraucht haben,
aber auch Menschen, die noch
nicht straffällig geworden sind
und sich vorsorglich behandeln

lung liegt das Risiko beider Grup-
pen wieder auf demselben Ni-
veau. Die Empfehlung lautet da-
rum, auch nach Ablauf der Be-
handlung in irgendeiner Form
weiter zu unterstützen, etwa
mithilfe von Sozialarbeit. Sarah
Allard ist therapeutische Leiterin
bei der Initiative Bios in Karlsru-
he und hat sich mit für die ge-
setzliche Neuregelung in Baden-


sie hineinzufühlen. „Menschen
sind generell und von ihrer Natur
her empathiefähig. Aber viele der
Klienten brauchen Wochen oder
sogar Monate, um Mitgefühl zu
entwickeln“, sagt Allard. Im
größten Teil der Therapie arbei-
tet Allard daran, die inneren
Grundüberzeugungen des Täters
zu verändern, die ihn schon im-
mer begleiten. Jemandem, der
Kinder missbraucht hat und dies
damit erklärt, das Kind habe dies
gewünscht, muss klargemacht
werden, dass ein Kind nicht den
Wunsch nach sexualisierter Lie-
be empfinden kann.
Das Schwierige ist für den
Therapeuten, den Klienten so
weit zu bringen, diese Überzeu-
gungen selbst zu empfinden, sie
nicht nur nachzusprechen. Dazu
braucht es viel Übung. Dieser
Hauptteil der Therapie kann ein
bis zwei Jahre dauern. Allard
nennt ihn „die Festplatte über-
schreiben“. Erst am Ende der
Therapie kommt der Patient
nicht mehr wöchentlich oder alle
zwei Wochen, sondern etwa alle
zwei Monate zur Stunde, lernt in
dieser Zeit, sein Problem mit
dem Alltag in Einklang zu brin-
gen. Zum Beispiel, ganz bewusst
Kindergärten oder Spielplätze zu
meiden. Keinen Alkohol mehr zu
trinken. Aggressive Gefühle ge-
genüber anderen Menschen zu

erkennen. Ob jemand aufrichtig
gegenüber dem Therapeuten ist,
sei sehr individuell, sagt Allard.
Doch spräche ein großer Teil ih-
rer Klienten ehrlich über Rück-
fälle oder Gedanken daran und
öffne sich dem Therapeuten.
Schon aus einem einfachen
Grund: „Wer so weit gekommen
ist, hat schon viel Zeit in sich
selbst investiert. Und niemand
will wieder ins Gefängnis.“
Ein Erfolg ist es auch schon,
wenn jemand vielleicht wegen
Diebstahls oder Drogenhandels
wieder straffällig wird, aber keine
Menschen mehr angreift. Frank
N. aus Göttingen wurde 2001
nach seiner letzten Entlassung
für fünf Jahre unter Führungs-
aufsicht gestellt, erklärte die
Staatsanwaltschaft WELT. Er sei
knapp drei Jahre lang zu einem
Therapeuten in Hannover gegan-
gen und habe dort eine Sexual-
therapie gemacht. Im Februar
2004 bescheinigte ihm der The-
rapeut, er sei „austherapiert“; es
habe aber eine Vereinbarung ge-
geben, dass Frank N. sich in Kri-
sensituationen „immer und so-
fort“ an ihn wenden könne und
solle. Die Führungsaufsicht über
Frank N. endete im April 2006.
Frank N. habe nach seiner Ent-
lassung 2001 jedoch „unauffällig“
gelebt, erklärten die Ermittler.
2019 wurde er wieder zum Täter.

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