Berliner Zeitung - 26.10.2019

(Ron) #1
Berliner Zeitung·Nummer 249·26./27. Oktober 2019–Seite 9
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Berlin

EinhalböffentlichesHaus–dasPalaisamBrandenburgerTorwirdgebautSeite 13


DerZ ug,derausderKältekam–wiedieneueGenerationderS-BahngetestetwirdSeite 15


M


it einemFaxum1 8.
Uhrfängt alles an:Im
SchlossparkBiesdorf,
hat es eineExplosion
gegeben, geschätzte Anzahl derVer-
letzten 150, steht auf demBlatt. Die
Nachricht erreicht dasUnfall-Kran-
kenhaus (UKB) inMarzahn-Hellers-
dorfund setzt inGang, was inGang
kommen muss,wenn einNotfall in
Berlineintritt–zumBeispieleinTer-
roranschlag.Soeiner,wieer2016auf
dem Breitscheidplatz stattfand, als
Anis Amriseinen Lkw in denWeih-
nachtsmarktlenkte.ZwölfMenschen
starben, 55 wurden teils schwerver-
letzt.
An diesem Donnerstagabend ist
die Katastrophe nur eine Übung.
Aber die Krankenhäuser müssen auf
solcheExtremsituationenvorbereitet
sein und alles inBewe gung setzen,
auchwennder Ernstfallnursimuliert
wird. Undsiesinddaraufvorbereitet.
VonderÜbungerfährtdasKranken-
hausvorhernichts–dennschließlich
kann man auch eineKatastrophe
nicht planen.Damit alles möglichst
realistisch wirkt, kommen in den
nächsten zweiStunden 59Verletzte,
darunterzehn Schwerverletzte und
sechsAngehörigeindieKlinik.Statis-
ten, kunstblutüberströmt, mit
Schusswunden,Schnittverletzungen,
zerfetzen Hosenund Blusen.DasBlut
aus der Flasche wirkt indes täu-
schendecht.WieauchdieSchreieder
Verletzten.Manche stöhnen, atmen


schwerundscheinenunterSchockzu
stehen, anderesind hysterisch.Ein
Mann, der imRollstuhl in die Klinik
geschoben wird,ruft immer wieder
nach seiner Schwester.„Wo ist sie?
Wirwollten doch zusammenblei-
ben“,jammerter.Eineverwirrte Frau
sucht ihreTochter.Die vermeintli-
chen Patienten humpeln oderwer-
den auf Rettungstragen hereinge-
schoben. Es wirkt soreal, dass man
schockiertist. Damit man dieStatis-
ten vonden echtenPatienten des
Hospitals unterscheiden kann, be-
kommendieSchauspielereinenklei-
nenButtonandieKleidunggeheftet.
Ärzte ,Pfleger und das gesamte
Krankenhauspersonal müssen zügig
undkonzentriertzusammenarbeiten
–vor allem muss derreguläreKran-
kenhausbetrieb weitergehen.Denn
zu den „Echtpatienten“ kommen
jetztehrenamtlicheSchauspieler,die
eine Erstversorgung bekommen
müssen, auch wenn der wirklich
KrankebeisolcheinerÜbungnatür-
lich immerVorrang hat. Fünf echte
OperationenfindenandiesemAbend
im UKB satt, zwei Schwerverletzte
sind gerade in den Schockraum ein-
geliefertworden, dieRettungsstelle
mitwartendenMenschenistvollbe-
setzt.
„Das ist schon heftig.Aber dieses
Krankenhaus ist einMaximalversor-
gerundauchdiemüssendenNotfall
üben“, sagtDetlef Cwojdzinski,Not-
fall-Übungsleiter.Era rbeitet seit 30

Jahren im Bereich Katastrophen-
schutz für das LandBerlin und hat
den Krisenstab in derGesundheits-
verwaltung seit 1986 aufgebaut.
Heute hat er seinen letztenTagund
wirdverabschiedet.
25 Beobachter aus anderenNot-
fall-Krankenhäusernobservierendas
Geschehen, laufen mit den Ärzten
mit und schauen, dass in derHektik
kein echter Patient vernachlässigt
wird. DieBeobach ter werden den
Einsatz später gemeinsam mit dem
UKB auswerten und beurteilen.Wo
liefesgut?Wohättemannochbesser
seinmüssen?
AmEingangwerdendi ePatienten
gesichtet. „Triage“ heißt dieser Be-
reich,woÄrztedieEinschätzungder
Schwer eder Verletzungvornehme n.
Grünbedeutet,dassderPatientleicht

verletztist,gelbistmittelschwer,und
ein Patient mit einerrotenMarkie-
rung bedarfder so fortigen Behand-
lung.Auchzehnrotmarki erte Statis-
ten kommen in dasUnfall-Kranken-
haus.SiespielenSchwerstverletzte.
DieRettu ngswag en,dieandiesem
AbendinBerlinauch das UKB an-
steuernkönnten, sind angewiesen,
möglichst ein anderes Krankenhaus
anzufahren.Aber:Eine Übung kann
jederzeitabgebrochenwerden,wenn
ein echterNotfall eintritt.„Wir brau-
chen noch zwei Leute für denroten
Bereich, deri st unterbesetzt“,ruft
Hajo Schmidt-Traub,stellvertret en-
der ärztlicherDirektor insTelefon.
Hierin derEinsatzleitunglaufenalle
Schnürezusammen, hier wirdkoor-
diniert, wie vielePatienten imHaus
sind,wievieleÄrzte,Pflegerundan-

Melanie Reinsch
imponiert, wie gut das UKB
aufden Notfall reagierthat.

Keine Sorge–alle Menschen, die Sie auf diesen Bildernsehen, sind wohlauf. Es sind
Statisten, die für eine Notfallübung des Unfallkrankenhauses in Marzahn geschminkt
wurden, als ob sie verletzt wären BERND FRIEDEL (5)

Für


alle


Fälle


Krankenhäusermüssenauf


Katastrophenvorbereitetsein.


Diesekommennichtgeplant–die


Übungendazualsoauchnicht


VonMelanie Reinsch


deres Personal inzwischen noch zu-
sätzlich eingetroffen sind undwel-
cher Bereich Hilfe benötigt.Sind ge-
nugChirurgenimEinsatz?Sindaus-
reichendPflegerimEingangsbereich?
Denn mit demAusrufen der Alarms
wirdauch zusätzlichesPersonal ins
Hausgeordert.Sieallewerdenandie-
sem Abendaus dem Feierabend ge-
holt. Eine Selbstverständlichkeit sei
das,sagteine Frau au sder Telefon-
zentrale .„Icharbeite seit 20Jahren
hier.Das gehört in meinemBeruf
dazu."EigentlichhatdieFrauUrlaub.
Ob sie die Überstunden bezahlt be-
komme,wisse sie nicht.„Das ist mir
egal“,sagtsie.Tatsäch lichkommtdas
LandBerlindafürauf.
SoeinEinsatzkostetjenachKran-
kenhauszwischen10000und
Euro.Mehrals 300 UKB-Angestellte
kommen in diesen zweiStunden für
dieNotfall-ÜbunginsHaus:76Ä rzte,
160Pflegerund70Mensc henausder
Verwaltung. Mindestens 100 bis 150
zusätzliche Kräfte,das ist dieMaß-
gabefüreinensolchenFall.
.„Wirfreuen uns ,dass das so gut
geklappt hat“,resümier tSpreche rin
AngelaKijewskispäter.Aberwerhi er
arbeite,der wisse: „Bei uns ist der
Notfall der Normalfall“. Kijewski
stand in einem Geschäft, als der
Alarmaus dem Krankenhaus kam.
Sofortfuhrsie los .Sie habe die An-
spannung der Mitarbeiter gespürt.
Denn auch für einNotfall-Kranken-
haus ist so eine Übung unterBe-

obachtung etwasBesonderes .Schon
seit 1985werden in den 38Berliner
AufnahmekrankenhäusernNotfallü-
bungen geprobt.Damit sollen zum
einen die Alarmierungspläne auf
Praktikabilität überprüft werden.
Undzum anderen getestetwerden,
ob alle Bereiche eines Krankenhaus
auch beivoller Auslastungreibungs-
losfunktionieren.DieÜbungimUKB
wardie207.dieserArtinB erlin.
Nach dem Terroranschlag am
Breitscheidplatz 2016 hat die Ge-
sundheitsverwaltung dieMittel für
die Krisenvorsorge noch einmal er-
höht, so dass imvergange nenJ ahr
insgesamt 15 Krankenhausübungen
stattfanden–darun terauchzweiSze-
narien,beidenenFreisetzungchemi-
scher Stoffe simuliertwurde .ImO k-
tobervergangenenJahres wurde zu-
demein TerroranschlagaufeineNot-
aufnahme simuliert, bei dem der
Attentäter ins Krankenhaus eingelie-
fertwurde und dortweiter um sich
schoss.Indiese mJahrfandensieben
solcherVollübungenstatt.
MartinMatz,Staats sekretärinder
Gesundheitsverwaltung, lobte die
Übung amEnde.„Es machtMut, zu
sehen, dass es funktioniert,wenn es
malrichtigzurSachegeht.“

Kenia steht
Brande nburg–in
stellt die
Koalition
ihre Pläne
Seiten vor
10 und
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