P.M. History - 11.2019

(Nandana) #1

AUSGEGRABEN


as tun, wenn man sich in seiner Ehre gekränkt
fühlt? Vergeltung üben - oder lieber den Zorn
zügeln? Die Römische Republik kannte ein ausge­
klügeltes System von Riten, um Rache für erlittenes Unrecht
zu nehmen. Bastian Schenk von der TU Dresden hat für sei­
ne Promotion römische Geschichtswerke, Literatur, Dichtun­
gen und antike Graffiti ausgewertet -und herausgefunden:
Rache war in Rom ein höchst öffentlicher Akt.

Warum gab es in Rom eine regelrechte Pflicht zur Rache?
Die Gesellschaft der Römischen Republik basierte auf Ehre.
Ein Senator, der sein Gesicht verloren hat, weil er etwa
verleumdet wurde oder seine Gesetze im Senat blockiert
wurden, büßte an Ehre und damit an politischer Macht ein.
Diese Schande musste er wiedergutmachen. Deshalb wurde
von ihm erwartet, dass er Rache an demjenigen nimmt,
der seine Ehre beschmutzt hat. Dieses Prinzip konnte sogar
über den Tod hinaus gelten: Starb der Senator, bevor er sich
rächen konnte, musste der Sohn die Rache vollziehen. Sonst
konnte er mitunter das familiäre Erbe nicht antreten.

Und wie hat das konkret funktioniert?
Zuerst hat man sich auf den Marktplatz gestellt und dort
offiziell die Freundschaft zu demjenigen gekündigt, an dem

Fun stüc


Die Lesetipps der Redaktion


llllUSTl \1\\ JU'-TM \�N

MAGELLAN
ude!rlli( el'<;tt;:
l n%t•�dunlJ. d<·r l:rdt:


ENTDECKER Vor 500 Jah­
ren initiierte Magellan mit
240 Mann die erste Weltumse­
gelung -jetzt nimmt uns der
Historiker Jostmann einfach
noch mal mit zu diesem toll­
kühnen Abenteuer. Das Ergeb­
nis liest sich flott wie ein guter
Roman, bleibt aber immer eng
an den Fakten. Mitreißend,
weil niemals ausufernd.
Christian Jostmann: Magel­
lan C.H. Beck, 24,95 Euro

man Rache nehmen wollte- und die Feindschaft erklärt.
Was danach passiert ist, hängt vom Stand ab. Die Ober­
schicht hat den Feind angeklagt. Vor Gericht konnte man mit
erbitterten Wortgefechten Rache üben. Auf diese Weise hat
zum Beispiel Cäsar seine Karriere gestartet. Die Verhandlun­
gen fanden öffentlich auf dem Marktplatz statt, jeder konnte
sie mitverfolgen. Und der Ruf schnell ruiniert sein.

Was haben die weniger Privilegierten unternommen?
Ein häufiges Racheritual bestand darin, ein Trauergewand
anzulegen. Man trug lumpenartige, dreckige Gewänder, ra­
sierte sich nicht mehr und schnitt sich nicht mehr die Haare.
In diesem Aufzug verfolgte man stumm oder weinend die
Person, die einem Schaden zugefügt hatte. Noch aufsehen-

VERSTECKER Die wahre
Geschichte eines unkonventio­
nellen Liebespaars, das zum
Nukleus eines 150 Personen
starken Widerstandsnetzes der
Berliner Boheme wird. Von den
Nazis .,Rote Kapelle" genannt,
können sie verhältnismäßig
lange arbeiten. Berührend und
beeindruckend.
Norman Ohler: Harro &
Libertas Kiepenheuer &
Witsch, 24 Euro

DASOPRB
ISTDER
NEUE

EMPÖRER Die Opferrolle
beanspruchen viele für sich:
Anhänger von AfD, Trump,
Brexit, Identitätspolitik ... Wie
wurde der Außenseiter zum
Massenphänomen? Verblüf­
fende Antworten findet der
P.M. HISTORY-Autor etwa in
der Steinzeit, der Bibel, dem
Dritten Reich und der DDR.
Matthias Lohre: Das Opfer
ist der neue Held Gütersloher
Verlagshaus, 22 Euro
Free download pdf