P.M. History - 11.2019

(Nandana) #1

..


zuvor seit Menschengedenken noch nie
etwas gehört habe", als Strafe für Sünd­
haftigkeit und Blasphemie.
Damit war auch die To nlage vorge­
geben, die von den Autoritäten, vor al­
lem den religiösen, gegenüber Syphili­
tikern in den fol genden Jahrhunderten
angeschlagen wurde. Eine Krankheit,
die man sich bei der Fleischeslust zu­
zieht, könne nur strafenden Charak­
ter haben, klang es von den Kanzeln
und aus den Druckschriften. Dabei
hatte vor allem die katholische Kirche
Grund, selbst in den Spiegel zu schau­
en -oder, besser gesagt, auf die Spitze
ihrer Hierarchie. Denn gleich mehrere
Päpste zogen sich die Syphilis zu und,
so darf vermutet werden, verbreiteten
sie auch weiter bei ihren erotischen Es­
kapaden, die den Gläubigen natürlich
vorenthalten werden mussten. Neben
dem berüchtigten Borgia-Papst Alexan­
der VI. sollen auch Julius Il. und Leo X.
erkrankt gewesen sein. Über Julius II.
schrieb sein Leibarzt: "Eine Schande ist
es zu sagen, dass kein Te il seines Kör­
pers nicht mit den Zeichen einer unge­
heuerlichen und scheußlichen Wollust
bedeckt gewesen wäre."

D

ie geistlichen Herren waren
indes nicht allein in ihrem Lei­
den, die weltlichen suchte die
Lustseuche ebenso schnell heim. Die
Syphilis verbreitete sich im europäi­
schen Hochadel so dramatisch, dass im
Englischen die Bezeichnung "royal pox"
oder auch Hofkrankheit aufkam. Na­
türlich steht Karl VIII. von Frankreich
in Ve rdacht, sich die Syphilis wie seine
Soldaten nach der Belagerung Neapels
zugezogen zu haben. Sein Beiname
"der Freundliche" lässt vermuten, dass
er Vergnügungenjeglicher Art, Gelagen
und Orgien nicht abgeneigt war.
Allerdings ist die Ursache für seinen
frühen Tod eher ungewöhnlich für ein
gekröntes Haupt: Auf dem Weg zu ei­
nem Tennisspiel stieß er mit dem Kopf
an einen Türrahmen und zog sich eine
Hirnblutung zu, der er im Alter von
27 Jahren erlag. Sein Nachnachfolger
Franz I. gilt ebenso als Syphilitiker wie

Vergebliche Mühe


Dieser Stich aus dem 16. Jahrhun­
dert zeigt im linken Teil, wie ein
Syphiliskranker mit einem Extrakt
aus dem harzreichen Holz des
Guajakbaums behandelt wird. Im
rechten Teil ist die Herstellung des
Mittels, das innerlich wie äußerlich
angewandt wurde, aus dem zer-

WIE


KRANKH ITEN


GESCHICHTE
M Ac H E N ROKALD D. BERSTE

DAS BUCH ZUR SERIE
Dieser Text ist ein ge­
kürztes Kapitel aus "Wie
Krankheiten Geschichte
machen. Von der Antike
bis heute" von Ronald D.
Gerste, erschienen 2019 bei
Ktett-Cotta (20 Euro)

kleinerten und eingekochten Holz
zu sehen. Der Baum war gerade
in Südamerika und auf den kari­
bischen Inseln entdeckt worden.
An der Trennwand zeigt ein Bild
die Aussicht auf ein fröhliches
Familienleben nach der Genesung.
Tatsächlich ist die den Maya ab­
geschaute Guajaktherapie gegen
Syphilis völlig wirkungslos.

sein weltpolitischer Rivale Kaiser Karl V.
Doch bei Ve rdachtsdiagnosen bei his­
torischen Persönlichkeiten ist Vorsicht
angezeigt. Da die Syphilisdiagnose et­
was Stigmatisierendes, Herabsetzendes
hat, wurde sie gern von politischen oder
dynastischen Gegnern (oder von dem
Objekt ihrer Studien wenig gewogenen
Historikern) benutzt. Unter Syphilis­
verdacht stehen fe rner Heinrich VIII.
von Eng land, der russische Zar Iwan der
Schreckliche und die französischen Kö­
nige Ludwig XIV. und Ludwig XV.

A

uf das Zusammenleben der
Menschen hatte die Seuche, die
sich an der Wende zur Neuzeit
rascher und mit stärker ausgepräg­
ter Symptomatik ausbreitete als heute
(und für die es natürlich heute eine er­
folgversprechende Antibiotikatherapie
gibt), tief greifende Auswirkungen. Die
im Mittelalter, das bei aller Glaubens­
strenge kein den körperlichen Ve rgnü-
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