P.M. History - 11.2019

(Nandana) #1

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Meldung







§ <( Wie "Fake News" Geschichte schreiben. Diesmal: ein Testament des Zaren



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DIE FRANZOSEN bleiben misstrau­
isch. Hat der 1725 verstorbene Zar
Peter der Große seinen Nachfolgern
wirklich einen detaillierten Plan zur
Unterjochung Europas hinterlassen?
1797 überreicht der polnische General
Michal Sokolnicki der französischen
Regierung eine Denkschrift, in der
die Existenz eines solchen Dokuments
behauptet wird: Demnach müsse Polen
geteilt, Preußen überrannt und das
Osmanische Reich erobert werden. Am
Ende gelte es, Österreich und Frank­
reich gegeneinander auszuspielen­
und dann anzugreifen.
Einen Beweis liefert Sokolnicki
nicht. Trotzdem hofft er, dass das
sogenannte Direktorium einen An­
griff auf Russland beschließt. Dann
könnte - das nach drei Teilungen von
der Landkarte getilgte - Polen wieder
auferstehen. Vergebens. Erst 1812 zieht
Napoleon Bonaparte gegen Moskau:
Doch auch er rechtfertigt seinen Feld­
zug propagandistisch damit, die rus­
sische Eroberungspolitik zu vereiteln.

WAS SAGT DIE LEGENDE?
Die Heinzelmännchen waren winzige
nackte Hausgeister, wohnhaft in Köln.
Wenn die braven Bürger schliefen,
verrichteten diese Kobolde oder auch
Wichtel nützliche Hausarbeiten für
sie. Bäckermeister mussten nieman­
den zum Backen anstellen - das
erledigten die Heinzelmännchen alles.
Superpraktisch. Man durfte es nur
nicht darauf anlegen, sie dabei zu be­
obachten. Denn so verschwanden sie
und sind auch nie wiedergekommen.
Superärgerlich. Was die Zwerge an­
trieb, darüber schweigt die Legende.

IN UMLAUF Der Pole Michat So­
kolnicki beschrieb ein angebliches
Testament von Peter dem Großen

Schließlich taucht 1836 sogar eine
angebliche Abschrift des Te staments
auf: Der Romancier Frederic Gaillardet
publiziert ein Buch über einen könig­
lichen Gesandten, dem es in Russland
gelungen sei, in den Geheimarchiven

das Te stament von Peter dem Großen
zu kopieren. Es ende mit dem drasti­
sehen Satz: "So kann und muss Europa
unterworfen werden."
Wer den angeblichen Nachlass liest,
sieht die russische Expansion in Europa
vom 18. Jahrhundert bis zum Erschei­
nen von Gaillardets Buch perfekt nach­
gezeichnet. Aus diesem Grund glauben
nicht wenige Menschen an die Echtheit
des Te staments. Fortan wird es als
vermeintlicher Beweis für die "russi­
sche Gefahr" zitiert -selbst nachdem
es 1879 als Fälschung entlarvt ist.
Zuletzt wird das "Dokument" im
November 1941 in Blättern des "Dritten
Reichs" abgedruckt, um die angebliche
Bedrohung durch Russland zu unter­
streichen. Dabei war schon im Ersten
Weltkrieg eine Fassung im Umlauf, die
unverblümt erklärte: "Auch Fälschun­
gen können Geschichte machen. Und
zwar völlig zu Recht, weil doch die
Fälschung Russlands Politik besser
charakterisiert als manche historische
beglaubigte Wahrheit." Dirk Liesemer

Die


Heinzelmännchen


WIE WURDE SIE ÜBERLIEFERT?
Die Brüder Grimm verschriftlichten
1816 die Sage "Des kleinen Volkes
Hochzeitsfest auf der Eilenburg". Aus
ihr entwickelte der Kötner Schriftstel­
ler Ernst Weyden 1826 die Heinzel­
männchensage und ließ die Wichtel
von Sachsen an den Rhein umziehen.
1836 wurde die Gedichtfassung von
August Kopisch populär, der dafür
Anleihen bei Goethes "Hochzeitslied"
nahm. Engere Verwandtschaft: Gar­
tenzwerge, die ZDF-Mainzelmänn­
chen (seit 1963), Loriots Saugbläser
"Heinzelmann" (1978).

WAS IST WIRKLICH DRAN?
Dienstbare Geister, die gratis die
Hausarbeit erledigen - das war und
bleibt eine Utopie. Anders als der
"Vorwitz der Leute, der schon so
manches Schöne in der Welt zerstört
hat", wie Ernst Weyden in Hinblick
auf die Schneidersfrau beklagt die
die Wichtel durch ihre Penetranz
vertreibt. Plausibel ist die Herleitung
des Begriffs "Heinzelmännchen'': Das
war ein anderer Name für die Alraune,
die als Zauberpflanze galt und deren
Wurzeln an die Gestalt eines Men­
schen erinnern können. Thomas Röbke
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