Die Welt - 23.10.2019

(Rick Simeone) #1

D


eutschlands zweitgrößter Auto-
zulieferkonzern Continental
zieht vor dem Hintergrund ge-
ringerer Wachstumsraten und dem Um-
bruch zur E-Mobilität die Reißleine.
Weil sich in den nächsten fünf Jahren
keine deutliche Erholung abzeichnet,
schreibt Continental jetzt 2,5 Milliar-
den Euro vor allem auf den Wertansatz
(Goodwill) seiner Zukäufe aus vergan-
genen Jahrzehnten ab. Damals war von
E-Autos noch keine Rede. Unter dem
Strich wird Continental daher im Ge-
samtjahr einen Verlust ausweisen, teilt
der Konzern mit Sitz in Hannover mit.
Es sind die ersten roten Zahlen bei
Continental seit einem Jahrzehnt. Im
vergangenen Jahr hatte der Konzern
mit 44 Milliarden Euro Umsatz und
243.000 Beschäftigten noch 2,9 Milliar-
den Euro Gewinn ausgewiesen.
Vereinfacht ausgedrückt nimmt Con-
tinental jetzt eine Neueinschätzung vor,
was seine diversen Geschäftsaktivitäten
bei dem Branchenumfeld und der Kon-
junkturentwicklung unter realistischen
Annahmen noch wert sind. „Wir rech-
nen (...) nicht damit, dass sich die welt-
weite Produktion von Pkw und leichten
Nutzfahrzeugen in den kommenden
fünf Jahren wesentlich beleben wird“,
erklärte Finanzvorstand Wolfgang
Schäfer. „Wir haben daher unsere An-
nahmen für die mittelfristige Marktent-
wicklung angepasst.“
Konzerne müssen auch gegenüber
den Rechnungsprüfern immer wieder
belegen, dass keine überhöhten Bilanz-
werte für zugekaufte Aktivitäten ange-
setzt werden.
In der Bilanz von 2018 stand bei Con-
tinental noch ein Wertansatz von 7,
Milliarden als Goodwill. Dieser Betrag
hatte sich über Jahrzehnte und Dutzen-
de von Übernahmen angesammelt. So
kaufte Continental beispielsweise vor
vielen Jahren das Autotechnikgeschäft
von Siemens.
An der Börse wurde das Aufräumen
in der Conti-Bilanz jedenfalls positiv
bewertet. Der Aktienkurs legte um fast
vier Prozent auf gut 123 Euro zu.
Während die Aktionäre sich über den
Kursanstieg freuen, ist die Stimmung in
der Belegschaft von Continental eher
getrübt. Die Botschaft über die roten
Zahlen kommt wenige Wochen, nach-
dem der Konzern den Abbau von welt-
weit 20.000 Stellen und die Schließung
von mehreren Werken verkündete.
Auch dies wurde teilweise mit dem
Trend hin zum E-Auto begründet.
Der Continental-Vorstand beschloss
zudem, sein Antriebsgeschäft nun doch
nicht als Teil von Continental an die
Börse zu bringen und dabei zusätzliches
Kapital einzusammeln, sondern als
Spin-off abzuspalten. Damit sind dann
zwei Gesellschaften mit Conti-Wurzeln
an der Börse notiert. Die derzeitigen
Continental-Aktionäre bekommen eine
weitere Aktie praktisch geschenkt: Ne-
ben dem Continental-Papier eine Aktie
über das bisherige Antriebsgeschäft, der
unter dem Namen Vitesco Technologies
firmiert. Das Kursverhältnis wird sich
dann neu einpendeln.
Vitesco umfasst sowohl Motortech-
nik für Verbrennungsmotoren wie etwa
Kraftstoffeinspritzung als auch Techno-
logie für Elektro-Autos. Die bisherigen
Continental-Aktionäre haben dann Ak-
tien von zwei Gesellschaften und kön-
nen entsprechend jonglieren.
Den Plänen müssen noch der Auf-
sichtsrat und die Hauptversammlung
im April 2020 zustimmen. Das gilt aber
als Formsache, weil bei Continental die
Milliardärsfamilie Schaeffler mit 46
Prozent Anteil indirekt das Sagen hat
und so weitreichende Entscheidungen
sicher im Vorfeld sondiert wurden.
Zur Begründung für den Spin-off der
Antriebssparte verwies Continental auf
die derzeit kaum vorhersehbaren Be-
dingungen für einen Teilbörsengang,
der zuletzt schon nicht mehr die alleini-
ge Option war.
Finanzvorstand Wolfgang Schäfer
machte in einer Telefonkonferenz deut-
lich, dass die künftig eigenständige An-
triebssparte sich so viel besser an der
Neuordnung der Branche sowohl auf
der Verbrennerseite als auch bei E-Fahr-
zeugen beteiligen könnte.
Es gehe es jetzt um die Notwendig-
keit einer schnellen Anpassung „an die
tolle Chance der Elektrifizierung im
Markt, aber auch an die Notwendigkeit,
Kapazitäten herunter zu fahren“. Dies
könne eine kleine, selbständige Organi-
sation besser managen. Derzeit gebe es
aber keine Gespräche über eine mögli-
che Konsolidierung. geheg

AAAutoflaute treibtutoflaute treibt


Continental


in den Verlust


Aktie von Spin-off des


Antriebszweigs beflügelt


W


eltweit gibt es mehr
als 100 Flugtaxi-Pro-
jekte, die aber ver-
mutlich langfristig
nicht alle überleben
werden. Das deutsche Start-up Lilium
ist mit seinem ungewöhnlichen techni-
schen Konzept eines Elektro-Jets jeden-
falls überzeugt, zu den Gewinnern zu
gehören.

Fünf Monate nach dem ersten kurzen
Schwebeflug habe das Modell mit sei-
nen 36 schwenkbaren Jetmotoren be-
reits das anspruchsvolle Manöver vom
Senkrechtstart in den Vorwärtsflug be-
wältigt. Zudem sei schon ein Tempo von
100 Kilometern in der Stunde (km/h) er-
reicht worden, teilt Lilium jetzt mit. Am
Ende soll der Elektro-Jet bis zu 300
km/h erreichen.

Für den 34-jährigen Lilium-Chef Da-
niel Wiegand sind es wichtige Meilen-
steine, denn das Modell mit elf Metern
Spannweite und für fünf Passagiere soll
gegenüber der Konkurrenz durch
Reichweite und Geschwindigkeit punk-
ten. Im Vorwärtsflug sorgen Tragflä-
chen und nicht Rotoren wie bei vielen
anderen Modellen für den Auftrieb. Im
Reiseflug würden weniger als zehn Pro-

zent der maximalen Leistung von 2000
PS abgerufen, heißt es bei Lilium.
Das deutsche Start-up mit Sitz am
traditionsreichen Ex-Dornier-Flugplatz
in Weßling-Oberpfaffenhofen bei Mün-
chen setzt darauf, dass es bereits 2025
einen kommerziellen Markt für seine
Mischung aus Senkrechtstarter und
Reiseflieger ohne CO 2 -Ausstoß gibt. Die
europäische Flugsicherheitsbehörde
EASA hat zwar ein erstes Regelwerk für
die Zulassung von Flugtaxis mit Piloten
festgelegt.

VON GERHARD HEGMANN

Noch hat aber kein Modell diese Zer-
tifizierung erhalten. Zudem sind zumin-
dest in Europa auch noch viele regulato-
rische Fragen für den Zukunftsmarkt
der Flugtaxis und Urban Air Mobility of-
fen, also der Fliegerei im Umfeld von
Städten.
Im Gegensatz zu vielen Wettbewer-
bern hat sich Lilium vorgenommen,
möglichst weit und schnell zu fliegen,
also nicht zwangsläufig in der Mega-Ci-
ty. Das Ziel sei eine Reichweite von 300
Kilometern sowie 300 km/h Maximalge-
schwindigkeit. Der Lilium Jet sei damit
vermutlich das „schnellste vollelektri-
sche, senkrecht startende und landende
(eVTOL) Flugzeug der Welt“, heißt es.
Ein völlig anderes Konzept verfolgt
beispielsweise der deutsche Flugtaxi-
Pionier Volocopter, an dem unter ande-
rem Daimler beteiligt ist. Das Zweisit-
zer-Modell mit 18 Rotoren hob 2011 erst-
mals ab und flog bereits in Deutschland,
den USA und Dubai. Soeben absolvierte
das Modell einen 1,5-Kilometer-Flug in
Singapur.
Bis Lilium eines Tages 300 Kilometer
weit fliegen kann, muss aber noch vie-
les getestet werden. Bislang gibt es erst
ein Modell in der Erprobung, und die
Flugtests finden vor den Toren Mün-
chens statt. Lilium rückt nur wenige
technische Daten über seinen Fünfsit-
zer heraus.
„Das Gewicht ist leider vertraulich,
da es ein wichtiges Wettbewerbskrite-
rium ist, insbesondere in Relation zum
Batteriegewicht“, teilt Lilium-Chef
Wiegand auf WELT-Anfrage mit. Das
jetzt fliegende, noch unbemannte Mo-
dell entspreche aber einem vollgewich-
tigen Lilium-Jet. In Branchenkreisen ist
von einem Gewicht von eineinhalb
Tonnen die Rede. Ein Datum für den
ersten bemannten Flug wird noch nicht
genannt.
Lilium arbeitet jedenfalls mit hohem
Tempo an seinem Vorhaben, investiert
kräftig und kann erste Erfolge vorwei-
sen. Während beispielsweise das Flug-
taxi City-Airbus auch fünf Monate nach
einem ersten Mini-Hüpfernoch keine
größere Platzrunde gedreht hat,
kommt der Lilium-Jet bereits auf Dut-
zende Testflüge. Zudem hat Lilium sein
erstes Produktionswerk am Firmensitz
in der Nähe von München mit 3000
Quadratmetern Fläche fertiggestellt.
Der Bau des zweiten Werks mit noch
deutlich größerer Fläche sei auch be-
reits vorbereitet.

Lilium-Chef Wiegand äußert sich zu-
versichtlich. „Wir planen, bis 2025 welt-
weit in mehreren Städten oder Regio-
nen voll einsatzbereit zu sein.“ Zuvor
müsse die Serienproduktion anlaufen,
und da rechnet das Start-up in großen
Dimensionen. „Wir erwarten, dass die
Anlage in der Lage sein wird, in der
Spitze Hunderte von Flugzeugen pro
Jahr zu produzieren.“ Als Leiter des
Flugprogramms habe Lilium jetzt den
früheren Airbus-Manager Yves Yemsi
gewonnen, der zuvor am A350 mitgear-
beitet hat und zuletzt eine Schlüsselpo-
sition in der Airbus-Rüstungs- und
Raumfahrtsparte hatte.
Selbst wenn erste Meilensteine er-
reicht wurden, bleibt es für die Lilium-
Gesellschafter und Investoren noch ei-
ne große Wette, ob sich ihr Investment
rechnet und wer mit welchem Konzept
als Konkurrent auftritt. Zunächst wird
nur Geld ausgegeben, und es ist noch
kein Modell verkauft. Bislang verfügt
Lilium über gut 100 Millionen Dollar.
Das Geld kam vor allem von Risikoka-
pitalgebern, die in visionäre Projekte in-
vestieren, wie Atomico, Tencent, LGT,
Freigeist Capital mit dem Unternehmer
Frank Thelensowie Obvious Ventures.
Einige der Investoren sind selbst Ge-
sellschafter, andere geben lediglich das
Geld. Nach einem Handelsregisteraus-
zug hält Mitgründer und Lilium-Chef
Wiegand knapp 16 Prozent am Stamm-
kapital der Lilium GmbH.
Zunächst reiche das Geld, heißt es bei
Lilium. Vor dem kommerziellen Betrieb
müsse das Unternehmen den Kapital-
markt aber nochmals anzapfen. Derzeit
zählt Lilium 350 Beschäftigte, künftig
sollen es 500 sein.
Das 2015 von vier Studenten gegrün-
dete Start-up denkt jedenfalls in großen
Dimensionen. Nach eigenen Angaben
sollen „Marktchancen im Billionen-US-
Dollar-Bereich“ erschlossen werden.
Der Jet werde Regionen zu einem
Bruchteil der Kosten verbinden, die
heute ein Hochgeschwindigkeitszug
oder eine Autobahn verursache.
Zu den Konkurrenten von Lilium ge-
hören andere Start-ups, reiche Luft-
fffahrt-Enthusiasten, chinesische Anbie-ahrt-Enthusiasten, chinesische Anbie-
ter wie etwa EHang sowie Schwerge-
wichte der Branche. Soweit bekannt,
haben aber alle Konkurrenzmodelle ei-
ne geringere Reichweite oder sind für
lediglich ein oder zwei Passagiere aus-
gelegt.
Es ist jedenfalls viel Bewegung im
Markt. So sorgte jüngst eine Kooperati-
on von Boeing mit Porsche bei Flugtaxis
für Aufsehen. Der Erstflug dieses Mo-
dells, dessen technische Daten nicht be-
kannt sind, wird bereits für nächstes
Jahr erwartet.
Auf die Frage, warum Porsche nicht
auf das schnelle Lilium-Modell gesetzt
hat, kommt eine ausweichende Ant-
wort: „Wir bitten um Verständnis, dass
wir konkrete Gespräche grundsätzlich
nicht kommentieren würden.“ Es sei
gut zu sehen, „dass mehr Unternehmen
in diese Branche eintreten und neue In-
vestitionen und Unterstützung für sie
bringen“, heißt es bei Lilium.

Lilium will das noch junge Feld
der E-Luftfahrt revolutionieren

LILIUM

Mit 300 km/h


und 2 000 PS


durch die Lüfte


Lilium will sich mit seinem senkrecht startenden E-Jet im umkämpften Zukunftsmarkt der Flugtaxis vor allem über


die Reichweite und die Geschwindigkeit von der Konkurrenz abheben. Pro Jahr sollen Hunderte Modelle gebaut werden


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23.10.19 Mittwoch, 23. Oktober 2019DWBE-HP


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