Die Welt - 23.10.2019

(Rick Simeone) #1

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23.10.19 Mittwoch, 23. Oktober 2019DWBE-HP


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D


ie britische Kolonialregierung
in Indien glaubte einst, be-
sonders schlau zu sein. Um der
Kobraplage in Delhi Einhalt zu gebieten,
wurde ein Kopfgeld auf die Giftnattern
ausgesetzt. Tatsächlich wurden darauf-
hin viele der Tiere getötet. Bald aber
gingen zahlreiche Bürger dazu über,
Kobras gezielt zu züchten, nur um an-
schließend das Kopfgeld kassieren zu
können. Als die Briten dies merkten,
strichen sie die Belohnung wieder. Die
gezüchteten Kobras wurden wieder
freigelassen, am Ende war die Plage
größer als zuvor.
„Kobra-Effekt“ hat der deutsche
Ökonom Horst Siebert vor zwei Jahr-
zehnten solche politisch bewirkten
Verschlimmbesserungen getauft: Poli-
tik, wenn sie nicht gut durchdacht,
vorbereitet und exekutiert ist, hat regel-
mäßig unbeabsichtigte Konsequenzen.
Oft wird das Problem, das eigentlich
gelöst werden soll, nur vergrößert.
Allerdings kann man den britischen
Kolonialisten in Indien nur Borniert-

heit vorwerfen – sie wussten es halt
nicht besser. Das Urteil über den Berli-
ner Senat demgegenüber muss wesent-
lich ungnädiger ausfallen: Im Roten
Rathaus will man gar nicht wissen, was
man tut. Realitätsverweigerung wird
hier zum Regierungsprinzip. „Wir wis-
sen, dass das hoch umstritten ist“,
sagte SPD-Bürgermeister Michael Mül-
ler bei der Vorstellung des Mieten-
deckels. „Aber das muss man jetzt auch
mal aushalten.“
Zwei Ziele gibt die Berliner Landes-
verfassungvor: „angemessenen“ Wohn-
raum schaffen und erhalten, „insbeson-
dere für Menschen mit geringem Ein-
kommen“, sowie die Bildung von Woh-
nungseigentum. Nun wird niemand alle
Haupt- und Nebenwirkungen absehen
können, die die neue Brechstangen-
politik haben wird. Sicher ist aber: Der
Erwerb von nicht selbst genutztem
Wohnraum ist künftig in der Haupt-
stadt nur noch etwas für Tollkühne –
vom Neubau ganz zu schweigen. Der
Mietendeckel wird also den Verfas-
sungszielen entgegenwirken. Rot-Rot-
Grün bleibt nur eine Hoffnung: vor
Gericht auf Richter zu treffen, die von
ökonomischen Anreizmechanismen so
wenig verstehen wie einst die britischen
Herrscher in Indien.
[email protected]

Berlin und der Kobra-Effekt


KOMMENTAR


OLAF GERSEMANN


D


ie Moral bleibt. Wer ihr die Tür
aufmacht, kriegt die Tür nicht
mehr zu. Insbesondere bei
einer moralischen Supermacht
wie Deutschland, dem Land
Luthers, Kants und Käßmann-
Emcke-Precht-Smudos. Die
Demokratie in der Bundesrepublik ist eine Erfolgs-
geschichte, die sich im Augenblick selbst mit Kri-
sensymptomen versieht, obwohl es reale, riesige
Krisen nicht gibt. Es gibt ernste Herausforderun-
gen, aber die gibt es abseits von Legoland und ZDF-
Fernsehgarten überall. In der vermeintlichen Kri-
senlage eskalieren sogenannte Pressure-Groups
und ihre publizistische Kavallerie ihre Agenda und
übertreten dabei rote Linien einer freiheitlich-
liberalen Rechtsordnung und Demokratieverfasst-
heit. Rechte Asoziale bedrohen in Thüringen vor
der Landtagswahl andersdenkende Politiker in
einer bisher beispiellosen Form. Die Eskalation
folgt einer Entwertungs- und Entmenschlichungs-
rhetorik in den sozialen Netzwerken. Die Diskurse
radikalisieren sich in einem luftleeren und an-
standsfreien Digitalraum. Ohne jeden Kulturpessi-
mismus muss gesagt sein: So geht es nicht weiter.
Auch links wird unter dem Vorwand, gegen
rechts zu kämpfen, jedes Maß aufgegeben. Die
intellektuell dürftigen Aktivitäten der Studenten
gegen Bernd Lucke in der Hamburger Uni werfen
nicht nur ein düsteres Licht auf deren Vorstel-
lungen von der Freiheit der Lehre, sondern künden
auch von deren politischer Dummheit. Wer, wenn
nicht die Abtrünnigen der AfD, die sich vom Ex-
tremismus losgesagt haben und die eigene Schöp-
fung bedauern, müssten im Kreis der politischen
Vernunft aufgenommen werden? Aber politische
Vernunft wird in der Linken gerade kaum serviert.
Noch peinlicher ist der verhinderte Vortrag des
liberalen Ex-Innenministers Thomas de Maizière in
Göttingen. Das verdeutlicht, dass diese Linke kei-
neswegs antifaschistisch ist, sondern illiberal, men-
schenverachtend und fahrlässig Instabilität säend.
Ganz zu schweigen davon, was mit Professoren
passiert, die den politisch erregten „Student*in-
nen“ nicht nach dem Mund reden.
Kommen wir zu den freundlichen jungen Men-
schen, die sich zuletzt in der Berliner Innenstadt
auf Straßenkreuzungen an Badewannen gekettet
haben. Die sind irgendwie links, aber vor allem
auch rührend naiv, wenn sie sich in eine deindus-
trialisierte Naturromantik zurück träumen. Auch
sie haben ein ziemlich laxes Verhältnis zum Regel-
werk der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit.
Beugten die „Aktivist*innen“ der Freitagsdemos
das Rechtsstaatsgebot mit der Verweigerung der
Schulpflicht und bemühten die Moral dafür, so
folgt nun die Ausweitung auf den sehr dehnbaren
Begriff des zivilen Ungehorsams, den die kluge,
belesene und charismatische „Fridays for Future“-

Anführerin Luisa Neubauer wortreich in einer bun-
ten Illustrierten mit Jürgen Habermas, John Rawls
und Smudo (?) rechtfertigt, um die Rechtsbeugung
moralisch zu grundieren. Sie tut dies mit Augen-
maß und – was zu begrüßen ist – mit dem Wissen
um das Heikle solcher Tabubrüche. Die Vordenke-
rin aber liefert da einen Überbau, den es so nur bei
den allerwenigsten gibt. Den anderen Erlebnis-
orientierten sind die Regeln ziemlich egal.
Das hat auch mit der medialen Verklärung des
Aktivismus zu tun. Berichterstattung über De-
monstrationen ist die Berichterstattung über De-
monstranten, ihre Anliegen, ihre Strategien, ihre
Sorgen und Nöte. Die Journalisten entdecken ihre
Klassenkameraden im Gegenüber, das sie eigentlich
zu beschreiben haben. So wird aus der Bericht-
erstattung über Aktivisten oft genug eine Selbst-
beschreibung im Spiegel idealistischer Sehnsüchte.
Deswegen wird liebevoll über die Macken und Re-
gressionen hinweggesehen, deswegen wird der
Gesetzesbruch bagatellisiert und auch die zum Teil
kruden Weltanschauungen, die da zum Vorschein
kommen, im Zweifel übergangen oder gar schönge-
redet. Die Bilder von den Demonstrationen folgen
den PR-Anliegen der Aktivisten, die Kommentie-

rungen überbieten oft genug deren PR-Bedürfnisse.
Ganz anders der Blick auf die Polizei. Da wird
genau hingesehen, ob da einer beim Wegschweißen
eines Badewannenteils nicht zu hart rangeht, ob
beim Wegtragen Gemeinheiten passieren, ob die
jungen Polizisten aus dem einfachen Volk, mit
denen die Jakobs, Claras, Carolas, Benedikts und
Gretas gar nicht so viel gemeinsam haben können
und wollen, das auch richtig machen – im Umgang
mit Vertretern oder Assimilierten der Gehobene-
Mittelschicht-Aufrührer. Der Polizist steht wie der
Soldat Pars pro Toto für ein Milieu, dem misstraut
wird. Das im Zweifel rechts ist und das weder auf
linken Debattensimulationen wie der Digitalkon-
ferenz Republica, bei der dieselbe Meinung in 100
Versionen bejubelt wird, noch in den Straßen der
grün regierten Szene-Kieze gerne gesehen ist. Die
Berichterstattung über „rechte Umtriebe“ wird
gerne mit jeder Menge Unterstellungen gewürzt.
Dass Polizisten und wohl auch einige Soldaten am
kommenden Sonntag in Thüringen AfD wählen,
erschreckt mündige Bürger. Schwer zu verstehen
ist es nur dann, wenn man nicht in der Lage ist,
deren Alltag ernst zu nehmen.
Die Relativierung der Rechtsstaatlichkeit, die
tolerierte Willkür wider unsere Ordnung, sei es im
Görlitzer Park in Kreuzberg, in rechtsfreien Räu-
men in Neukölln und Duisburg-Marxloh, bei ideo-
logisch anmutenden Freisprüchen für Täter mit
schwerer Kindheit und schweren Vorstrafen – all
das frustriert die Polizeibeamten, die sich allein-
gelassen fühlen in ihren Sorgen und Nöten, eher
schlecht bezahlt, erkennbar in vielen Medien stets
als Problemfall ausgeflaggt. Dass den Polizeibeam-
ten in Thüringen, die sich zum Flügel von Björn
Höcke bekennen, disziplinarische Maßnahmen
angedroht werden, passt zum Bild.
Höcke ist indiskutabel. Aber der Grund, warum
Polizeibeamte seine Politik attraktiv finden, sollte
nachdenklich machen. Die Lässigkeit, mit der die
Chefliturgen das sogenannte Kirchenasyl und „zivi-
len Ungehorsam“ verklären, während die demokra-
tische Teilhabe in rechten Parteien ein Unding sein
soll, leuchtet nicht spontan ein. Wer die Regeln der
Rechtsstaatlichkeit dort perforiert, wo es welt-
anschaulich und auch vom Klassenstandpunkt her
passt, kann dann schwerlich meckern, wenn sich
das Prekariat, der sogenannte Mob in Chemnitz
und Heidenau, ähnliche oder noch mehr Freiheiten
herausnimmt, das Recht auf seine Art auszulegen.
Dasselbe gilt für die Relevanz von Ängsten. Wäh-
rend die Angst vor Identitätsverlust, Erosion der
inneren Sicherheit und dem Zerstören unserer
sozialen Sicherheitssystem von den Repräsentan-
ten der gehobenen Mittelschicht stigmatisiert oder
gar tabuisiert wird, gilt die neue Angst vor unserem
Untergang durch die Erderwärmung als besonders
dringlich.
Die vorherrschende Meinung lässt keinen Mo-
ment aus, um – angefeuert von „Aktivist*innen“ –
Panik und Angst unter das Volk zu bringen. Demo-
kratie aber benötigt zwei Dinge: Zum einen mündi-
ge Bürger, die aufgeklärt und vernunftorientiert
über die Zukunft des Landes und ihres Gemeinwe-
sens diskutieren und auch streiten können – ohne
Nötigung und Erpressung und ohne einen anti-
aufklärerischen Sentimentalismus, der Sache der
Populisten ist; zum anderen benötigt Demokratie
die Loyalität und ungeteilte Akzeptanz der Spiel-
regeln von Gewaltenteilung und Gewaltmonopol
des Staates. Wer anfängt, an diesen Grundfesten zu
buddeln oder zu sägen, bringt alles in Gefahr.
[email protected]

Gleiches


Recht für alle


Von links wie rechts


gerät die liberale


Debattenkultur unter


Druck. Wofür auch


immer man kämpft:


Unsere Demokratie


braucht Loyalität und


die ungeteilte Akzeptanz


der Spielregeln


LEITARTIKEL


ǑǑ


ULF POSCHARDT


Gesetze kann man sich nicht, wie es


gerade passt, auf seine Art auslegen


Ihre Post an:


DIE WELT, Brieffach 2410, 10888 Berlin,


Fax: (030) 2591-71606, E-Mail: [email protected]


Leserbriefe geben die Meinung unserer Leser


wieder, nicht die der Redaktion. Wir freuen


uns über jede Zuschrift, müssen uns aber das


Recht der Kürzung vorbehalten. Aufgrund der


sehr großen Zahl von Leserbriefen, die bei


uns eingehen, sind wir leider nicht in der Lage,


jede einzelne Zuschrift zu beantworten.


Werbewirkung verloren. Das unwürdi-
ge Brexit-Schauspiel ist Wasser auf die
Mühlen aller Antidemokraten.

FELIX-RÜDIGER G. GIEBLER, FRIEDRICHSTADT


Klar und logisch


Zu: „Schüler sollten mehr über
Israel wissen“ vom 21. Oktober

Was für ein wunderbarer Beitrag von
Herrn Werner! Klar, logisch und ver-
ständlich. Wenn nach dieser Lektüre
noch jemand mit dem dummen Satz
kommt, „ich habe nichts gegen die
Juden, aber man darf wohl Israels Poli-
tik kritisieren“, dem ist nicht zu helfen.
Übrigens finde ich, in Deutschland hat
niemand das Recht, irgendetwas an
Israel zu kritisieren. Eine historische
Aufklärung zur Gründung des Staates,

mus in unseren Tagen“ ausgemacht,
der „als Gegenbewegung der Globali-
sierung entstanden“ sei. Dabei sieht er
„die Reinheitsfantasie als Mutter aller
nationalistischen Fantasien“, die durch
„Reinhalten der eigenen Kultur die
Nation vor ungebetenen Gästen“
schützen will. So weit so gut. Vermisst
habe ich die sprachdiktatorische Rolle
der Political Correctness, was umso
erstaunlicher ist, als die Charakterisie-
rung, die Göttert auf den neuen Na-
tionalismus anwendet, hier ebenso
passend ist: „das Größerreden des
Problems, als es wirklich ist, bis jede
Winzigkeit mindestens bedeutungs-
schwanger, wenn nicht zur Zeitbombe
wird“. Das erinnerte mich an die Re-
aktionen auf „Avenidas“ von Eugen
Gomringer oder die Kritik an den un-
gelenken Komplimenten älterer Her-
ren. RAINER GRELL, STUTTGART

Lucke beistehen


Zu: „Es braucht Nachhilfe in
Demokratie“ vom 18. Oktober

Der Mitbegründer der AfD kehrt nach
fünfjähriger Abwesenheit an die Uni
Hamburg zurück und wird bei der An-
trittsvorlesung bedrängt und ausgepfif-
fen. In meinen Augen ein unerhörter
Vorgang. Bernd Lucke ist umstritten,
doch was dort geschah, ist fast unbe-
schreiblich und ein Skandal. Es er-
innert an die SA-Methoden in den Drei-
ßigerjahren. Besonders schlimm ist es
in meinen Augen, dass ihm niemand
von der Uni-Leitung beistand. Die
heutigen Stellungnahmen und Kom-
mentare der Politiker sind „butter-
weich“ und nicht ausreichend, sondern
nur eine halbherzige Verteidigung von
Herrn Lucke. WALTER RUNGE, HAMBURG

LESERBRIEFE


zu seinen Bemühungen, mit den Paläs-
tinensern zu einem Abkommen bzw. zu
einer Zwei-Staaten-Lösung zu kom-
men, zu den unzähligen, fruchtlosen
Verhandlungen mit Arafat usw. sollten
nicht nur die Schüler, sondern auch die
Erwachsenen bekommen.

KATERINA VESTMAN, PER MAIL


Sprachdiktatur


Zu: „Fahrkarte zum Hass“
vom 19. Oktober

Karl-Heinz Göttert schreibt in seinem
lesenswerten Beitrag: „Denn die Spra-
che ist heute kaum mehr ein so polari-
sierendes Thema, wie sie es einmal
war.“ Nämlich zu Zeiten eines „über-
steigerten Nationalismus“. Stattdessen
hat Göttert einen „neuen Nationalis-

Gaunertum


Zu: „Der Brexit nervt“
vom 21. Oktober

Brexit, Brexit und kein Ende. Eine
ständige Verunsicherung, die allen
schadet: Europa, England, der Demo-
kratie, sogar der Monarchie und der
Wirtschaft. Aus parteitaktischen Grün-
den haben die letzten drei Premier-
minister über drei Jahre der Welt vor-
geführt, dass Demokratie eine Werte-
gemeinschaft ist, die aber nicht wehr-
haft gegen das Gaunertum in den
eigenen Reihen vorgeht. Mit partei-
politischen Machtversprechungen
wurden Mehrheitsentscheidungen
manipuliert und als Mehrheitswillen
verkauft. Die brennenden Themen
dieser Welt wurden nahezu ausgeblen-
det. Die Idee der Demokratie hat an

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en Bauern brauchen wir häufi-
ger als den Autobauer. Wir
essen täglich mehrfach, kaufen
aber nur alle fünf oder 15 Jahre ein
Auto. Doch während in der Debatte
über Klimawandel, Verkehrswende und
CO 2 -Emissionen nachdenkliche Stim-
men immerhin davor warnen, die deut-
schen Autokonzerne als Rückgrat der
Volkswirtschaft über Gebühr zu belas-
ten, nimmt man die Existenznöte deut-
scher Landwirte kaum zur Kenntnis.
Und wenn, dann mit einem Geschieht-
ihnen-ganz-recht-Tremolo.
Klar, die Ökobauern, die mag man,
die verzichten auf Pestizide, die sagen
Ferkel und Kälbchen noch gute Nacht,
die versorgen uns mit Bio-Waren. Gut,
dass wir sie haben. Aber die anderen
Landwirte, die „Konventionellen“?
Sind das nicht die Typen, die Bienen
und Schmetterlinge bedrohen? Böden
schädigen? Das Wasser verschmutzen?
Es ist gut, dass am Dienstag – mehr-
heitlich konventionelle – Bauern in
Berlin, Bonn und Bayreuth demons-
triert und auf ihre Situation aufmerk-
sam gemacht haben. Sie werden von
der Politik mit immer mehr Auflagen
belastet, in der Öffentlichkeit zuneh-
mend angefeindet und wirtschaftlich

zunehmend belastet. Es gibt Land-
wirte, die ihre Höfe auf Bio-Anbau
umstellen – nicht weil sie ein Damas-
kus-Erlebnis gehabt hätten, sondern
weil ihnen die Behörden keinen ande-
ren Weg mehr lassen. Und die unglück-
lich sind, weil ihre Felder künftig weni-
ger abwerfen werden.
Natürlich kann sich eine Gesell-
schaft entscheiden, dem konventionel-
len Bauernstand den Garaus zu ma-
chen. Aber selbst wenn das freigegebe-
ne Land komplett an Ökobauern ginge,
fänden wir anschließend weniger Le-
bensmittel aus „heimischer Produkti-
on“ in den Supermärkten, weil der
ökologische Anbau ohne Pestizide und
mit eingeschränktem Dünger auf glei-
cher Fläche deutlich weniger Ertrag
liefert. Getreide, Gemüse oder Kar-
toffeln müssten also in viel größeren
Margen importiert werden. Das würde
nicht nur zu höheren Transportkosten
führen samt entsprechendem CO 2 -
Ausstoß, sondern eine Kontrolle der
Produktionsweise erschweren. Wir
treiben Landwirte hier in den Ruin, die
seit Jahrzehnten für unsere Ernährung
gesorgt haben, und kaufen noch mehr
im Ausland, wo wir selten überblicken
können, wie ökologisch korrekt dort
gearbeitet wird.
Übrigens: Der Bioanteil bei deut-
schen Lebensmitteln liegt bei knapp
über fünf Prozent, bei Fleisch und
Wurst bei gut einem Prozent. Macht
also langsam mit dem Bauernlegen im
vermeintlichen Dienst der Weltrettung!

Hört auf die Bauern!


PLATZ DER REPUBLIK


ANSGAR GRAW


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